14.08.2019

Die Physik der Blutströmungen

Interdisziplinäre Forschergruppe analysiert komplexes Verhalten pulsierender Strömungen.

Die Art und Weise, wie Blut durch die Gefäße strömt, spielt eine wesent­liche Rolle bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa Thrombosen und Arterio­sklerose. Allerdings sind die physi­kalischen Grundlagen des Blutstroms kaum bekannt. Blut ist heterogener als Wasser ist und wird von einer Pumpe, dem Herzen, angetrieben, es pulsiert. Bisherige Experimente zum Strömungs­verhalten basieren aber in der Regel auf Wasser, das sich gleichförmig bewegt. Ein inter­disziplinäres Team aus der Physik, den Ingenieurwissenschaften und der Medizin aus mehreren Universitäten wollen diese Wissenslücke schließen. Gemeinsam arbeiten sie in der neu eingerichteten Forschungsgruppe „Instabilitäten, Bifurkationen und Migration in pulsierender Strömung“ an diesem Ziel. Sprecher und Stellvertreter der Forschungs­gruppe sind Christian Wagner aus Saarbrücken und Marc Avila aus Bremen.

Abb.: Rote Blut­körperchen verschiedener Strukturen beein­flussen das...
Abb.: Rote Blut­körperchen verschiedener Strukturen beein­flussen das Strömungs­verhalten von Blut. (Bild: AG Wagner, U. Saarland)

Genaue Kenntnis des Strömungs­verhaltens von Blut könnte helfen, die Ursachen von Thrombosen und ähnlichen Leiden besser zu verstehen – und mittelfristig auch, diese Krank­heiten zu vermeiden oder effektiver zu therapieren. Doch die Grundlagen der Strömungs­physik von Blut und weiteren ähnlichen komplexen Flüssig­keiten, die überdies von einer Pumpe angetrieben werden, sind weitestgehend unerforscht. Nicht nur im mensch­lichen Körper, sondern auch in der Industrie fließen Flüssig­keiten nicht gleichförmig durch ein einfaches Röhren­system. In den aller­meisten Fällen pulsieren sie in einem bestimmten Takt. Vereinfacht gesagt: Sie sind mal langsamer und mal schneller, und überdies bilden sich oft Verwirbelungen und Turbulenzen entstehen. Fließt zudem etwas Anderes als Wasser durch die Leitungen, also etwa Blut oder Dispersions­farben, und ist das Röhrensystem, durch das diese Flüssig­keiten strömen, so komplex wie zum Beispiel das Blutgefäßsystem, werden Simu­lationen dieser Strömungen zu einer hoch­komplizierten Ange­legenheit. 

Dieser Heraus­forderung möchten sich die Physiker in der Forschungs­gruppe „Insta­bilitäten, Bifur­kationen und Migration in pulsierender Strömung“ nun stellen. In den kommenden Jahren erforschen sie unter der Federführung von Christian Wagner, nach welchen Gesetz­mäßigkeiten komplexe Flüssig­keiten durch solche Leitungssysteme fließen. „Wir möchten am Ende vor allem eine möglichst genaue theoretische Beschreibung dieser Insta­bilitäten in Blut­strömungen erhalten“, erklärt der Sprecher der Forscher­gruppe von der Universität des Saarlandes. Die Erkenntnisse werden dringend benötigt. „Denn experimentell sind bisher fast nur gleich­mäßige Strömungen erforscht“, sagt Wagner.

„Wir werden den Einfluss eines pulsierenden Antriebs beginnend mit dem einfachsten System, also Wasser, studieren. Darauf aufbauend wird die Komplexität der Flüssigkeit erhöht, bis hin zur Zusammen­setzung von Blut. Neben geraden Röhren werden wir verschiedene Strömungs­geometrien wie zum Beispiel Krümmungen sowie den Einfluss elastischer Wände studieren“, erläutert Wagner das geplante Vorgehen. Am Ende der ersten Förderperiode von drei Jahren möchten die Wissen­schaftler die Grundlagen für ein tragfähiges theoretisches Modell für das Strömungsverhalten von Blut und ähnlichen Flüssig­keiten erarbeitet haben. Falls die Deutsche Forschungs­gemeinschaft beschließt, die Forschungs­gruppe in einer weiteren dreijährigen Periode zu fördern, könnten Christian Wagner und seine Kollegen die Erkenntnisse zu einem vollständigen physi­kalischen Modell der Blutströmung ausbauen.

Die Forschungs­gruppe FOR 2668 wird von der DFG ab August 2019 für drei Jahre mit rund 2,4 Millionen Euro gefördert. 700.000 Euro davon erhält die Universität des Saarlandes. Weitere Partner im Verbund sind die Univer­sitäten Bremen, und Bayreuth sowie das Helmholtz-Institut Nürnburg-Erlangen, das IST in Kloster­neuburg bei Wien und die eid­genössische Forschungs­anstalt WSL in Zürich.

U. Saarland / JOL

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