Die Zukunft der hochintensiven Röntgenstrahlung
Komitee zur Forschung mit Synchrotronstrahlung legt wichtige Aufgabenfelder fest.
Über dreißig Teilnehmer aus ganz Deutschland diskutierten zur Zukunft der Forschung mit hochintensiver Röntgenstrahlung. Das ultrahelle Licht erlaubt neue Einblicke in Materie und ermöglicht so ein tieferes Verständnis von Materialien und Lebewesen. Im Fokus standen vor allem strategische Fragen zu digitalen Herausforderungen und Möglichkeiten wie Datenmanagement und -analyse. Das gewählte Komitee bildet bundesweit die Schnittstelle zwischen Forschungseinrichtungen, die Synchrotronstrahlung anbieten, ihren Nutzern aus der Wissenschaft und Förderern wie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Den Vorsitz hat Privatdozentin Bridget Murphy von der CAU, Stellvertreter ist Jan-Dierk Grunwaldt vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
„Vor allem für die großen, interdisziplinären Themen unserer Zeit wie Energie, Umwelt, Information oder Gesundheit kann die Synchrotronstrahlung wertvolle, grundlegende Erkenntnisse liefern. Als KFS setzen wir uns unter anderem dafür ein, diese Methoden bekannter zu machen und den Zugang dazu zu erleichtern”, sagt Vorsitzende Murphy. Wie zuletzt eine großangelegte Umfrage des KFS ergab, hat ein Großteil der Nutzer einen physikalischen, chemischen oder biologischen Hintergrund. Aber auch für Forscher aus der Medizin, Geophysik, Archäologie und sogar Kunstgeschichte sowie der Industrie können diese eigentlich physikalischen Methoden wichtig sein.
Seitdem die ersten Elektronenbeschleuniger vor rund sechzig Jahren – ursprünglich für die Forschung mit Elementarteilchen – gebaut wurden, sind die Anwendungsmöglichkeiten und Nutzungszahlen enorm gestiegen. Externe Forschungsverbünde entwickeln für ihre Fragestellungen permanent neue Experimente, die auch allen anderen Interessierten zur Verfügung stehen. Die Nutzung dieser spezifischen Instrumente bedarf jedoch in der Regel einer aufwendigen Einführung und Begleitung. „Hierbei entstehen oft riesige Datenmengen, die nicht nur technisch bewältigt werden müssen. Ihre Auswertung ist sehr komplex und kann oft Monate dauern“, erklärt Murphy. Erfahrene Kollegen in den Forschungseinrichtungen oder anderer Forschungsgruppen seien hier für viele Nutzer eine unersetzliche Hilfe.
Wie sich solche Unterstützungsangebote, insbesondere für Nutzergruppen anderer Disziplinen oder aus dem Kreis des wissenschaftlichen Nachwuchs, systematisieren, institutionell verankern und mit digitalen Lösungen erweitern lassen könnten, war eine zentrale Frage bei der Podiumsdiskussion während der Veranstaltung. Die Ergebnisse der Diskussion fließen in ein Strategiepapier ein mit dem Titel „Forschung mit Photonen: Licht für die Zukunft”, welches das KFS zurzeit vorbereitet. Es enthält Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Synchrotronquellen, vor allem PETRA IV und BESSY III, zum Datenmanagement, für eine noch stärkere Einbindung und Unterstützung der Nutzerschaft sowie zur Nachwuchsförderung und Zusammenarbeit mit der Industrie.
Zum Abschluss der Jubiläumssitzung hielt KFS-Mitglied Metin Tolan, Professor für Experimentelle Physik an der Technischen Universität Dortmund, einen öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Ich sehe was, was du nicht siehst“, in dem er Einblicke in die Bedeutung und unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten der Synchrontronstrahlung gab.
Werden elektrisch geladenen Teilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, senden sie als Synchrotronstrahlung hochintensive Röntgenstrahlung aus. So lassen sich zum Beispiel Strukturen von Materie erkennen, das Verhalten von Elektronen „live“ beobachten, biochemische Prozesse in Zellen im Detail verstehen oder neue hochtechnologische Materialien entwickeln. In Deutschland existieren zurzeit sechs Forschungsanlagen, an denen Wissenschaftler aus aller Welt mithilfe der intensiven Röntgenstrahlung eigene Forschungsfragen untersuchen. Deutschlandweit arbeiten mehr als 4000 Wissenschaftler damit. An der CAU besteht unter anderem eine langjährige Kooperation mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg, aus der sich mit dem Ruprecht-Haensel-Labor mittlerweile eine gemeinsame Forschungseinrichtung entwickelt hat.
U. Kiel / DE