03.08.2020

Dynamik der Milchstraße

RAVE-Datenbank bündelt über eine halbe Million Beobachtungen.

Wie bewegen sich die Sterne in unserer Milchstraße? Mehr als ein Jahrzehnt lang untersuchte RAVE, eine der ersten und größten syste­matischen spektro­skopischen Himmels­durch­musterungen, die Bewegung von Sternen in der Milchstraße. Für über eine halbe Million Beobachtungen hat die RAVE-Kolla­boration nun die Ergebnisse in ihrer sechsten und finalen Daten­veröffentlichung vorgestellt. Dem Projekt gelang es, die Geschwin­digkeiten, Temperaturen, Zusammen­setzungen und Entfernungen für verschiedene Arten von Sternen zu messen. Die einzigartige Datenbank ermöglicht so die Untersuchung der Struktur und Entwicklung unserer Galaxie.

Abb.: RAVE beo­bachtete fast eine halbe Million Sterne unserer Galaxie. Die...
Abb.: RAVE beo­bachtete fast eine halbe Million Sterne unserer Galaxie. Die Sonne befindet sich hier im Zentrum des Koordinaten­systems. Sich ent­fernende Sterne sind rot, sich nähernde Sterne blau dargestellt. (Bild: K. Riebe, AIP / RAVE Kollab. / R. Hurt, SSC / NASA / JPL-Caltech)

Das Radial Velocity Experiment RAVE ist eine spektro­skopische Durch­musterung der südlichen Hemisphäre. Sie wurde entwickelt, um ein voll­ständiges Bild der Bewegungen von Sternen in der weiteren Umgebung der Sonne zu erhalten. Mit Hilfe der Spektro­skopie wird das Licht eines Sterns in seine Regenbogen­farben zerlegt. Durch die Analyse der Spektren lässt sich die Radial­geschwindigkeit eines Sterns – seine Bewegung in Blickrichtung der Beobachtung – bestimmen. Darüber hinaus ermög­lichen Sternspektren auch die Bestimmung von Sternparametern wie Temperatur, Oberflächen­schwerkraft und individuelle chemische Zusammensetzung. Um die Struktur und Form unserer Galaxie nachzuvollziehen, zeichnete RAVE erfolgreich 518.387 Spektren für 451.783 Milchstraßen­sterne auf. 

RAVE beobachtete den Himmel in fast jeder klaren Nacht zwischen 2003 und 2013 am 1,2-Meter-Schmidt-Teleskop am Anglo-Australian Observatory in Siding Spring in Australien. Für die Himmels­durchmusterung kam ein spezieller faser­optischer Aufbau zum Einsatz, um gleichzeitig mit einer einzelnen Beobachtung Spektren von bis zu 150 Sternen aufzuzeichnen. Damit gelang es, eine große Anzahl von Objekten ins Visier zu nehmen – die größte spektro­skopische Durch­musterung vor RAVE umfasste nur etwa 14.000 Objekte. Auf diese Weise ergab die Himmels­durchmusterung eine umfangreiche Stichprobe der Sterne um unsere Sonne, die sich ungefähr in einem Volumen mit einem Durchmesser von 15.000 Lichtjahren befinden. In den letzten 15 Jahren veröffent­lichte RAVE eine zunehmende Anzahl von Sternen und verbesserten Daten­produkten. Die abschließende RAVE-Daten­veröffentlichung liefert nicht nur zum ersten Mal die Spektren aller RAVE-Sterne; die Sterne wurden zudem auch mit denen aus dem DR2-Katalog des Satelliten Gaia abgeglichen. Dank der von Gaia gemessenen Entfernungen und Eigen­bewegungen ließen sich erheblich verbesserte Stern­temperaturen, Oberflächen­schwerkräfte und die chemische Zusammensetzung der Stern­atmosphären ableiten

„Die RAVE-Daten­veröffentlichungen lieferten neue Erkenntnisse über die Bewegung der Sterne und die chemische Zusammensetzung unserer Milchstraße“, sagt Matthias Steinmetz, Leiter der RAVE-Kolla­boration und wissenschaftlicher Vorstand am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). „Mit der finalen Daten­veröffentlichung wird eine der ersten syste­matischen spektro­skopischen Untersuchungen zur Galak­tischen Archäologie abge­schlossen. Es ist wirklich aufregend, dass dieses 15-jährige Projekt nun zu Ende geht. Dank RAVE haben wir neue Erkenntnisse über die Struktur und Zusammen­setzung unserer Milchstraße gewonnen.“

Zu den wichtigsten Ergebnissen von RAVE gehört die Bestimmung der Mindest­geschwindigkeit, die ein Stern benötigt, um der Anziehungs­kraft der Milchstraße zu entkommen. Die Ergebnisse bestätigten, dass dunkle Materie, eine unsichtbare Komponente des Universums noch unbekannter Natur, die Masse unserer Galaxie dominiert. Mit RAVE konnte gezeigt werden, dass die Milchstraßen­scheibe asymmetrisch ist und aufgrund der Wechselwirkung mit Spiralarmen und dem Einfallen von Satelliten­galaxien flattert. RAVE ermöglichte auch die Identi­fizierung von Sternströmen in der Sonnen­umgebung. Diese Sternströme sind die Überreste auseinander gerissener älterer Zwerggalaxien, die in der Vergan­genheit mit unserer Milchstraße verschmolzen sind. Die chemischen Element­häufigkeiten der beobachteten Sterne geben wichtige Hinweise auf die chemische Zusammensetzung und die Metall­anreicherung des inter­stellaren Mediums durch Sterne unter­schiedlichen Alters und Metallgehalts. Mit RAVE konnten Astronomen auch effizient nach den allerersten und sehr metallarmen Sternen, die Hinweise auf die Stern­entstehung und die chemische Entwicklung der Milchstraße geben, suchen. 

AIP / JOL

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