03.08.2022 • Energie

Effizienter Solarstrom vom Acker

Neues Projekt unterstützt breiten Einsatz der Agri-Photovoltaik.

Im Juli 2022 startete das Projekt „SynAgri-PV: Synerge­tische Integration der Photovoltaik in die Landwirtschaft als Beitrag zu einer erfolgreichen Energiewende – Vernetzung und Begleitung des Markt­hochlaufs der Agri-PV in Deutschland“. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Projekt wird mit 1,7 Millionen Euro gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Solare Energie­systeme ISE sowie des Leibniz-Zentrums für Agrarland­schaftsforschung ZALF arbeiten neun Partner aus Forschung, Praxis und Industrie gemeinsam an der Entwicklung eines Leitbildes für den Einsatz von Agri-PV in Deutschland.

Abb.: Traktor bei der Aussaat unter einer Agri-PV-Anlage. (Bild: Fh-ISE)
Abb.: Traktor bei der Aussaat unter einer Agri-PV-Anlage. (Bild: Fh-ISE)

Um das Ziel der Treibhausgas­neutralität bis 2045 zu erreichen, ist ein zügiger und massiver Ausbau erneuer­barer Energien in Deutschland erforderlich. Aufgrund der zunehmenden Elektri­fizierung in der Mobilität und Industrie ist mit einem Bruttostrom­verbrauch von rund 1100 Terrawatt­stunden pro Jahr zu rechnen. Aktuell liegt dieser Wert bei etwa 530 TWh. Neben dem Ausbau der Windenergie können diese Zielgrößen nur durch einen signifikanten Ausbau im Bereich der Photovoltaik erreicht werden. Hier wird von einem notwendigen Zubau auf das Sechs- bis Achtfache der heute installierten Leistung ausgegangen, auf rund 400 bis 445 Gigawatt bis in das Jahr 2045. Weil ein bedeutender Teil dieses Zubaus von bis zu zwanzig Gigawatt pro Jahr auf der Freifläche erwartet wird, zeichnet sich vielerorts ein erheblicher Flächen­bedarf ab. Dadurch steigt der Druck auf die ohnehin knappe Ressource Land, die auch für die Produktion von Nahrungs­mitteln, Energiepflanzen, als Bauland oder andere Landnutzungen benötigt wird.

Eine vielversprechende Lösung und gleichzeitig eine Chance sowohl für die Landwirtschaft als auch die Energiewende bietet die Agri-Photo­voltaik (Agri-PV). Agri-PV beschreibt die kombinierte Produktion von erneuerbarer Energie und Nahrungsmitteln auf derselben Fläche und stellt somit eine vergleichs­weise neue Form der Landnutzung dar. Die Module von Agri-PV-Anlagen sind im Vergleich zu den herkömmlichen Freiland-Photo­voltaikanlagen meist hoch aufgeständert und ermöglichen so die Unterfahrt von Landmaschinen. Damit ist es möglich, die PV-Leistung stark auszubauen, und dabei Flächen für die landwirt­schaftliche Nutzung zu erhalten. Über eine teilweise Verschattung durch die PV-Module bietet diese doppelte Landnutzung das Potenzial, neben der Energie­erzeugung auch Kulturpflanzen vor intensiver Sonnen­strahlung zu schützen und damit negative Folgen des Klimawandels auf die Landwirtschaft abzumildern. Durch die Verschattung werden zudem auch die Verdunstung von Wasser und das Austrocknen der Böden reduziert.

Schwenkbare PV-Tracker ermöglichen mehr Lichteinfall, den die Pflanzen für ihr Wachstum benötigen und sind damit auch leistungs­fähiger als die statischen Freiland-Photovoltaik­anlagen. Die PV-Module können zudem eine Schutzfunktion für Pflanzen gegenüber Extremwetter­ereignissen wie Hagel oder Frühjahrsfrost übernehmen. Inzwischen sind auch Anlagen mit integrierter Bewässerung marktreif. Über Blühstreifen auf den nicht landwirt­schaftlich genutzten Flächen können zudem positive Effekte auf die Biodiversität erzielt werden.

Aktuell sind erste Anlagen in Deutschland insbe­sondere bei Sonderkulturen im Einsatz, etwa beim Anbau von Obst, wo ein Schutz vor Wetter­einflüssen wünschenswert ist. „Damit sind Agri-PV-Systeme für die Landwirtschaft zunehmend attraktiv, weil hiermit eine Möglichkeit gegeben ist, die heimische Landwirtschaft auch gegenüber dem inter­nationalen Markt wett­bewerbsfähig zu halten und den Landwirtinnen und Landwirten zusätzliches Einkommen zu ermöglichen“, sagt Max Trommsdorff, Projektleiter am Fraunhofer ISE. „Gleichzeitig können wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben, den Druck auf die knappe Fläche Land reduzieren und die Widerstands­fähigkeit gegenüber Wetter­extremen und Klimawandel in verschiedenen Anbau­systemen erhöhen.“

Trotz dieser Ausgangslage konnten bisher in Deutschland nur sehr wenige, kleine Projekte realisiert werden. Gründe hierfür liegen insbesondere in den bestehenden rechtlichen Rahmen­bedingungen, darunter unzureichende Anreizsysteme und vergleichsweise aufwendige Genehmigungs­prozesse. Zudem treten zunehmend Sorgen auf, etwa was die Akzeptanz der jeweils ansässigen Bevölkerung und die Landschafts­attraktivität angeht.

Im Rahmen des Vorhabens soll der wissen­schaftliche, rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Stand der Agri-PV für den Standort Deutschland evaluiert werden. Ziel ist, evidenzbasiert und unter Einbezug möglichst aller relevanten Akteure ein gesell­schaftliches Leitbild für den Ausbau der Agri-PV in Deutschland zu entwickeln, Handlungs­bedarf zu dessen Umsetzung zu benennen, Lösungsansätze zu skizzieren und weiteren Forschungsfelder zu identifizieren. Dazu werden laufende Pilotanlagen begleitet und vernetzt, Beteiligungs­formate geschaffen sowie die gewonnenen Erkenntnisse ausgewertet, aufbereitet und der breiten Öffentlichkeit und Politik zugänglich gemacht. Über möglichst alle relevanten Bereiche aus Praxis, Technologie, Rechtssetzung und Wissenschaft, zum Beispiel Akzeptanz­forschung und Agronomie, werden Kontakte hergestellt sowie eine Plattform für den Wissens- und Erfahrungs­austausch im Bereich der doppelten Landnutzung etabliert.

„Durch den integrierten Ansatz aus Nahrungs- und Futtermittel­produktion sowie Energie­gewinnung können Agri-PV-Systeme mehrere Synergien ermöglichen – nicht nur für den Landwirtschafts- und Energiesektor, sondern auch in Bezug auf das Wasser­management, den Landschafts- und Naturschutz sowie soziale Innovationsprozesse“, sagt Klaus Müller, Projektleiter am ZALF. Zur optimalen Nutzung der Potenziale für die Energiewende und zur Prävention von Fehlent­scheidungen in der Anwendung von Agri-PV sollen im Projekt neben der Vernetzung insbe­sondere die Begleitung von Praxis­beispielen Perspektive im Vordergrund stehen.

Fh.-ISE / JOL

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