Ein Detektor für sehr leichte Dunkle Materie
Supraleitende Sensoren können einzelne Photonen mit niedriger Energie detektieren. UZH-Forschende haben diese Fähigkeit nun genutzt, um nach unbekannten sub-MeV Teilchen zu fahnden.
Die Zusammensetzung und Beschaffenheit der einzelnen Teilchen der Dunklen Materie im Universum stellen die moderne Physik vor grundlegende Fragen. Eine Nachweismöglichkeit wäre, Lichtteilchen zu detektieren, die bei der Kollision eines Dunkle-Materie-Teilchens mit uns bekannter sichtbarer Materie erzeugt werden. Bisher haben sich die meisten Experimente auf den Fall konzentriert, dass die Dunkle Materie aus Teilchen besteht, deren Massen ungefähr so groß sind wie die bekannter Elementarteilchen. Wären die Teilchen jedoch leichter als ein Elektron, lassen sie sich mit dem derzeitigen Standard, nämlich mit Detektoren, die auf flüssigem Xenon basieren, kaum nachgeweisen. Doch diese Xenon-Detektoren konnten bislang nichts finden. Suchen sie also vielleicht im falschen Massenbereich?

Ein internationales Team um Laura Baudis, Titus Neupert, Björn Penning und Andreas Schilling vom Physik-Institut der Universität Zürich kann nun Dunkle Materie in einem weiten Massenbereich unter einem Megaelektronvolt erforschen. Mit einem verbesserten supraleitenden Nanodraht-Einzelphotonen-Detektor (SNSPD) erreichten sie eine Schwelle von etwa einem Zehntel der Elektronenmasse. „Das ist das erste Mal, dass wir nach Dunkle-Materie-Teilchen in diesem niedrigen Massebereich suchen können, ermöglicht durch eine neue Detektor-Technologie“, sagt Baudis.
Bereits 2022 hatte das Team in einem Proof of Concept den ersten supraleitenden Nanodraht-Einzelphotonen-Detektor (SNSPD) getestet. Dieser reagiert sehr empfindlich auf Photonen mit niedrigerer Energie: diese erhitzen den Draht lokal ein wenig und lassen so die supraleitende Eigenschaft schlagartig verschwinden. Der Draht wird nomalleitend und der resultierende Anstieg des elektrischen Widerstandes kann gemessen werden.
Den bisherigen SNSPD haben die Züricher Forschenden nun zur Detektion von Dunkler Materie optimiert. Sie statteten ihn mit supraleitenden Mikrodrähten anstelle von Nanodrähten aus, um seinen Querschnitt zu maximieren. Zudem gaben sie dem Gerät eine dünne, planare Geometrie, die es besonders empfindlich für Richtungsänderungen macht.
Die Forschenden nehmen an, die Erde bewege sich durch einen „Wind“ von Dunkler Materie und der Teilcheneinfall verändert sich deshalb je nach Relativgeschwindigkeit im Jahreszyklus. Ein richtungssensitiver Detektor kann darum helfen, Ereignisse herauszufiltern, die nichts mit Dunkler Materie zu tun haben.
Im Experiment namens Quantum Resolution-Optimized Cryogenic Observatory for Dark Matter Incident at Low Energy (QROCODILE), das gemeinsam von der Universität Zürich und der Hebräischen Universität Jerusalem unter Beteiligung der Cornell University, des Karlsruher Instituts für Technologie und des MIT durchgeführt wird, haben die Forschenden mehr als vierhundert Stunden lang bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt eine geringe Anzahl unerklärlicher Signale gefunden. Auch wenn diese Ereignisse noch nicht als dunkle Materie bestätigt werden können – sie könnten von kosmischer Strahlung oder natürlicher Hintergrundstrahlung stammen –, ermöglichen sie den Forschern bereits, neue Grenzwerte für die Wechselwirkung leichter Dunkler-Materie-Teilchen mit Elektronen und Atomkernen festzulegen.
„Durch weitere technische Verbesserungen am SNSPD könnte es in Zukunft möglich sein, Signale von Dunkler-Materie-Teilchen mit noch kleinerer Masse zu detektieren. Zudem wollen wir das System unterirdisch einsetzen, wo es von besser von Störfaktoren isoliert ist“, sagt Neupert. Für Massen kleiner als die Elektronenmasse sind die bisherigen Modelle zur Beschreibung von Dunkler Materie mit großen astrophysikalischen und kosmologischen Einschränkungen konfrontiert. [UZH / HUJ / dre]
Weiterführende Informationen
- Originalveröffentlichung
L. Baudis et al., First Sub-MeV Dark Matter Search with the QROCODILE Experiment Using Superconducting Nanowire Single-Photon Detectors, Phys. Rev. Lett. 135, 081002, 20. August 2025; DOI: 10.1103/4hb6-f6jl - Quantum Resolution-Optimized Cryogenic Observator for Dark matter Incident at Low Energy (QROCODILE), Physik-Institut, Universität Zürich
- Physik Journal 11 / 2019, Schwerpunkt: Dunkle Materie