Ein Physiker verlinkt die Welt
Vor dreißig Jahren legte Tim Berners-Lee am CERN die Grundlagen für das World Wide Web.
Heute durchdringt das World Wide Web alles – so sehr, dass man seine vergleichsweise bescheidenen Ursprünge vergessen könnte. Am 12. März 1989 skizzierte der damals 33-jährige Physiker Tim Berners-Lee seine Idee, wie sich der Informationsaustausch in der internationalen Teilchenphysik effizienter gestalten könnte. Grundlage war das bereits existierende Internet, neu waren miteinander verlinkte Dokumente (Hypertext) und der interaktive Zugriff auf Information über ein Netzwerk.
Diese Idee weitete Berners-Lee zusammen mit dem belgischen Informatiker Robert Cailliau weiter aus. Die beiden veröffentlichten im November 1990 ein Konzept für ein weltweites Hypertext-Projekt. Berners-Lee entwickelte dafür die heute noch wesentlichen Elemente: die Seitenbeschreibungssprache HTML, das Transferprotokoll HTTP und das Dateiformat für Weblinks URL. Er entwickelte den ersten Browser und setzte am CERN den ersten Webserver unter dem Betriebssystem NeXTStep auf. Die erste Website info.cern.ch existiert noch heute. Die ursprüngliche Version ist in Form einer Kopie aus dem Jahr 1992 erhalten.
Mit der Freigabe zur allgemeinen Nutzung am 30. April 1993 trat das World Wide Web seinen Siegeszug an, der aus der Grundlagenforschung in alle Bereiche des öffentlichen wie privaten Lebens führte. 1994 waren es rund zehn Millionen User, im September 2014 eine Milliarde und derzeit rund 4,5 Milliarden. Damit sind nun über 55 Prozent der Bevölkerung online. 1994 betrug der Anteil nicht einmal 0,3 Prozent.
Zum dreißigjährigen Jubiläum von Tim Berners-Lees ursprünglicher Idee veranstaltet das CERN zusammen mit dem World Wide Web Consortium (W3C) und der World Wide Web Foundation am Morgen des 12. März eine Feier, die sich natürlich über das Web verfolgen lässt. Diese und weitere Veranstaltungen sollen Gelegenheit bieten, gleichermaßen die Geschichte des World Wide Webs zu erkunden wie seine zukünftige Gestaltung zu diskutieren. Die von Berners-Lee 2009 gegründete Web Foundation setzt sich als gemeinnützige Organisation für ein freies und offenes Web für alle ein.
Das globale Kommunikationsunternehmen OneWeb arbeitet derzeit daran, die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass überall auf der Welt ein problemloser und leistungsfähiger Zugang zum Internet möglich wird. Möglich machen sollen dies bis zu 900 Kleinsatelliten, die in Zusammenarbeit mit Airbus hergestellt werden. Die ersten sechs Satelliten sind am 27. Februar vom Weltraumbahnhof Korou in Französisch-Guyana an Bord einer Soyuz-2-Rakete ins All befördert worden.
Trotz der Erfolgsgeschichte des Webs sorgt sich nicht nur sein Erfinder um dessen Zukunft. Die Verbreitung von Fake News, die zunehmende Polarisierung durch Vorurteile oder Überwachung und Spionage gefährden ein freies und demokratisches Web. Tim Berners-Lee hat daher die Initiative „The Case for the Web“ gestartet, die einen Gesellschaftsvertrag für das Internet fordert. „Wenn wir Zeit verbringen, um das Internet zu nutzen, sollten wir auch ein wenig Zeit dafür aufwenden, es zu verteidigen, um es besorgt sein und auf es aufzupassen“, appelliert Berners-Lee.
Alexander Pawlak
Weitere Infos
- T. Berners-Lee, Information Management: A Proposal (March 1989, May 1990) PDF
- 30th Anniversary of the World Wide Web (CERN)
- Live-Webcast der Jubiläumsveranstaltung am 12. März 2019
- The birth of the Web (CERN)
- 2019 rebuilding of the original NeXT web browser (CERN)
- Restoring the first website (CERN)
- World Wide Web Consortium (W3C)
- World Wide Web Foundation: The Case of the Web Report (2018) PDF
- OneWeb
Weitere Beiträge
- S. Jorda, Wissenschaft für den Frieden – 60 Jahre CERN (Physik Journal Nachrichten, 1. Oktober 2014)
- E. R. Hilf, Elektronische Fachinformation: Elektronische Informationen für die Physik: Grundsätze eines Informationsmanagements, Physikalische Blätter 53, 310 (1997) PDF
- R. Sietmann, Universitaten im Umbruch Der unsichtbare Campus Die Welt der vernetzten Computer greift jetzt auf die Lehre über, Physikalische Blätter 52, 326 (1996) PDF