Eisstrukturen im All entschlüsseln
Eisphasen mit geordneten und ungeordneten Wasserstoffatomen lassen sich mithilfe von Nahinfrarot-Spektroskopie unterscheiden – einer Technik, die für Weltraumbeobachtungen geeignet ist.
Die Arbeitsgruppe um Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck liefert ein neues Werkzeug für die Untersuchung von eisreichen Himmelskörpern wie den Monden des Jupiters oder Saturns. Die Fähigkeit, die Ordnung der Wassermoleküle im Eis zu erkennen, eröffnet neue Einblicke in die physikalischen Eigenschaften und die geologische Entwicklung dieser fernen Welten. „Unsere Arbeit zeigt, dass die Nahinfrarot-Spektroskopie eine verlässliche Methode ist, um die Struktur von Wassereis aus der Ferne zu analysieren“, erklärt Lörting. „Dies ist ein wichtiger Fortschritt, da die für die Untersuchungen im Labor bisher genutzten Methoden wie Neutronenbeugung oder Raman-Spektroskopie für die Fernerkundung nicht geeignet sind.“

Gefrorenes Wasser ist ein zentraler Bestandteil vieler Himmelskörper und ist ein wichtiger Hinweis für die Suche nach Leben im All. Die Struktur von Wassereis ist jedoch komplex: Es existieren mehr als zwanzig bekannte kristalline Formen, die sich durch die Anordnung der Sauerstoff- und Wasserstoffatome unterscheiden. Wenn Wasser gefriert und kristallisiert, ordnen sich die Sauerstoffatome in regelmäßigen Mustern an, während die Ausrichtung der Wasserstoffatome ungeordnet bleibt. Bei tieferen Temperaturen jedoch richten sich die Wasserdipole aus. Diese subtile Veränderung hat tiefgreifende Auswirkungen auf die mechanischen und dielektrischen Eigenschaften des Eises.
Die Innsbrucker Forschenden um Lörting konzentrierten sich in ihrer aktuellen Arbeit auf die hochdruckstabilen Eisphasen V und XIII, die als Modell für geordnete und ungeordnete Wasserstoffstrukturen dienten. Mit Unterstützung des Nahinfrarot-Spektroskopie-Spezialisten Christian Huck vom Institut für Analytische Chemie und Radiochemie konnten sie zeigen, dass die Wasserstoffordnung durch spezifische Schwingungssignaturen im Spektrum nachweisbar ist. „Die Unterscheidung zwischen geordnetem und ungeordnetem Eis liefert wertvolle Informationen über die Temperatur- und Druckbedingungen, unter denen das Eis entstanden ist“, erklärt die Erstautorin der Studie, Christina Tonauer. „Dies kann uns helfen, die thermische und geologische Entwicklung von Himmelskörpern wie Ganymed oder Europa besser zu verstehen.“
Die Ergebnisse der Studie sind für aktuelle und zukünftige Weltraummissionen relevant. Instrumente an Bord der ESA-Raumsonde Juice (Jupiter Icy Moons Explorer), die 2031 den Jupiter erreicht, oder des James-Webb-Weltraumteleskops könnten die neuen spektralen Referenzdaten nutzen, um die Eisphasen auf den Oberflächen von Monden wie Ganymed oder Europa zu identifizieren. „Unsere Arbeit legt den Grundstein für die Analyse von Eisphasen in Weltraumbeobachtungsdaten“, sagt Lörting.

Das Innsbrucker Team plant, seine spektralen Daten in zukünftigen Studien zu erweitern, um einen breiteren Temperatur- und Druckbereich abzudecken. Dies soll die Modellierung von Teleskopdaten verbessern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, verschiedene Eisphasen in unterschiedlichen astrophysikalischen Umgebungen zu identifizieren.
Die Identifikation von Eisphasen auf fernen Himmelskörpern könnte nicht nur Aufschluss über die Oberflächenbedingungen geben, sondern auch über interne Prozesse wie Kryovulkanismus oder tektonische Aktivität. Auch der Zwiebelschalenaufbau vieler eisiger Monde und die Tiefe, aus der die Hochdruckeisformen an die Oberfläche gelangen, könnten so zugänglich werden. „Die Charakterisierung von Oberflächeneis bietet uns auch ein Fenster in die inneren Dynamiken dieser Welten“, betont Lörting. [UIbk / dre]