Elektronen auf der Überholspur
Jülicher und Aachener Forschende entwickeln Methode zum Nachweis von ballistischen Elektronen.
Ballistische Elektronen gehören zu den faszinierendsten Phänomenen moderner Quantenmaterialien. Anders als normale Elektronen kollidieren sie niemals mit Störungen im Material und gleiten daher nahezu ohne Widerstand von A nach B. Oft tritt dieses Verhalten in räumlich begrenzten, ein- oder zweidimensionalen Materialien auf. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen haben nun ein Modell entwickelt, das diesen besonderen Fluss der Elektronen unter realistischen Bedingungen nachweisen kann.

Solche ballistischen Elektronenkanäle, die sich entlang der Kanten zweidimensionaler topologischer Materialien ausbilden, gelten als Hoffnungsträger für die Elektronik der Zukunft: Sie könnten die Grundlage für energieeffiziente Schaltkreise und Quantencomputer mit robusten Qubits bilden.
Der Ansatz geht auf die von Rolf Landauer vor mehreren Jahrzehnten entwickelte Theorie des ballistischen Ladungstransports zurück. Sein klassisches Modell beschreibt allerdings nur einen idealisierten Fall. Landauer nahm an, dass Elektronen einen solchen Kanal ausschließlich an dessen Enden betreten oder verlassen können.
Das neue Jülicher Modell geht dagegen einen entscheidenden Schritt weiter. Es berücksichtigt, dass ein solcher ballistischer Ladungskanal nicht isoliert existiert, sondern als Rand eines ebenfalls leitfähigen Materials auftritt, durch das der Strom injiziert wird. Elektronen können daher entlang der gesamten Strecke ein- oder austreten.
„Damit lässt sich das Verhalten solcher Randkanäle erstmals so beschreiben, wie es in Experimenten tatsächlich vorkommt“, erklärt Moors. „Unsere Theorie liefert zudem eindeutige Kennzeichen, mit denen sich ein verlustfreier, ballistischer Stromfluss nachweisen und vom herkömmlichen Ladungstransport unterscheiden lässt“, so Moors, der nach seiner Zeit als Postdoktorand am Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-9) ans Chip-Forschungszentrum Imec im belgischen Löwen wechselte.

Das Modell zeigt, dass sich der Stromfluss durch das zweidimensionale Material aufgrund der Anwesenheit eines ballistischen Kanals grundlegend ändert. Es sagt charakteristische Spannungsverteilungen voraus, die sich mit Nanomesssonden oder Mehrspitzen-Rastertunnelmikroskopen direkt beobachten lassen. So wird es möglich, ballistische und dissipative, also verlustbehaftete Ströme experimentell zu unterscheiden – ein entscheidender Schritt, um diese exotischen Leitungskanäle zweifelsfrei nachzuweisen und für künftige Bauelemente nutzbar zu machen. [FZJ / dre]
Weitere Informationen
- Originalpublikation
K. Moors et al., Distributed current injection into a one-dimensional ballistic edge channel, Phys. Rev. Lett., 29. Oktober 2025, DOI: 10.1103/l47r-plxq - Quantum Nanoscience (PGI-3, F. Stefan Tautz), Peter Grünberg Institut (PGI), Forschungszentrum Jülich GmbH
- Halbleiter-Nanoelektronik (PGI-9, Detlev Grützmacher), Peter Grünberg Institut (PGI), Forschungszentrum Jülich GmbH















