Elektronen-Rekollision in Echtzeit auf einen Schlag verfolgt
Ultraschnelle Dynamik mit einer einzigen spektroskopischen Messung untersucht.
Eine neue, am MPI für Kernphysik entwickelte Methode erlaubt es, die Bewegung eines Elektrons in einem starken Infrarot-Laserfeld in Echtzeit zu verfolgen, und wurde am MPI für Physik komplexer Systeme in Kooperation zur Bestätigung theoretischer Quantendynamik angewandt. Der Ansatz verknüpft das Absorptionsspektrum des ionisierenden Extrem-Ultraviolett-Lasers mit der durch den nachfolgenden Nahinfrarot-Puls angetrieben Bewegung der freien Elektronen. Die Elektronenbewegung lässt sich hier klassisch beschreiben, obwohl es sich um ein Quantenobjekt handelt. In Zukunft kann die am Beispiel von Helium gezeigte Methode auf komplexere Systeme wie größere Atome oder Moleküle für einen breiten Intensitätsbereich erweitert werden.
Die Erzeugung hoher Harmonischer, also die Umwandlung von optischem oder Nah-Infrarot-Licht in den extrem ultravioletten Bereich, ist für die Physik starker Felder von grundlegender Bedeutung, da es sich um einen extrem nichtlinearen Prozess handelt. In dem bekannten Drei-Stufen-Modell ionisiert das antreibende Lichtfeld das Elektron durch Tunnelionisation, beschleunigt es weg und wieder zurück zum Ionenrumpf, mit welchem es zusammenstößt und XUV-Licht aussendet, wenn es rekombiniert.
In ihrem neuen experimentellen Ansatz haben die Forscher den ersten Schritt durch eine Ionisation durch einzelne XUV-Photonen ersetzt, was einen zweifachen Vorteil hat: Erstens kann man den Zeitpunkt der Ionisation relativ zur Phase des NIR-Pulses frei wählen, wohingegen Tunnelionisation nur im Feldmaximum stattfindet. Der extrem kurze XUV-Puls ist nur einige Hundert von Attosekunden kurz und ermöglicht so einen kontrollierbaren und gut definierten Startzeitpunkt. Zweitens kann der NIR-Laser auf niedrige Intensitäten heruntergeregelt werden, bei denen eine Tunnelionisation praktisch nicht mehr möglich ist. Dies ermöglicht die Untersuchung der vom Laserfeld getriebenen Elektronenrekollision im Grenzfall niedriger Intensität.
Die verwendete Technik nutzt Attosekunden-Absorptionsspektroskopie in Kombination mit der Rekonstruktion des zeitabhängigen Dipolmoments. Diese Technik wurde jetzt auf freie Elektronen ausgedehnt und das zeitabhängige Dipolmoment mit der klassischen Bewegung der ionisierten Elektronen verbunden. „Unsere neue Methode, angewandt auf Helium als Modellsystem, verknüpft das Absorptionsspektrum des ionisierenden Lichts mit den Elektronentrajektorien“, erklärt Tobias Heldt vom MPI für Kernphysik. „Dadurch können wir die ultraschnelle Dynamik mit einer einzigen spektroskopischen Messung untersuchen, ohne dass wir eine variable Zeitverzögerung durchfahren müssen, um die Dynamik Bild für Bild zusammenzusetzen.“
Die Messungen zeigen, dass bei bestimmten experimentellen Parametern die Wahrscheinlichkeit für eine Rekollision höher sein kann, wenn die Lichtwelle nicht linear, sondern zirkular polarisiert ist. Dies ist eine kontraintuitive Erkenntnis, die jedoch theoretisch vorhergesagt wurde. Klassische Simulationen rechtfertigen diese Interpretation. Gruppenleiter Christian Ott zeigt sich optimistisch, was das zukünftige Potenzial dieses neuen Ansatzes angeht: „Generell erlaubt unsere Technik die Erforschung der lasergetriebenen Elektronenbewegung in einem neuen Bereich mit geringerer Intensität, und sie könnte auf verschiedene Systeme angewendet werden, etwa zur Untersuchung der lasergetriebenen Elektronendynamik in größeren Atomen oder Molekülen.“
MPIK / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Heldt et al.: Attosecond Real-Time Observation of Recolliding Electron Trajectories in Helium at Low Laser Intensities, Phys. Rev. Lett. 130, 183201 (2023); DOI: 10.1103/PhysRevLett.130.183201 - Angeregte Atome und Moleküle in starken Feldern (C. Ott), Quantendynamik und -kontrolle, Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
- Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme, Dresden