27.08.2019

Elemententdecker zu Besuch

Konferenz zur Chemie und Physik der schweren Elemente in Wilhelmshaven mit hochkarätiger Besetzung.

Im Rahmen des Internationalen Jahrs des Periodensystems 2019 kam es auf der Konferenz zur Chemie und Physik der schweren Elemente (TAN), die vom 25. bis 30. August in Wilhelmshaven stattfindet, zu einer historisch einzigartigen Zusammen­kunft der Entdecker von neuen chemischen Elementen. Forscher aus Deutschland, Russland und Japan, die in den vergangenen Jahren das Periodensystem der Elemente um neue Einträge erweitert haben, trafen sich während des internationalen Kongresses. Die Ausrichter der diesjährigen TAN-Konferenz sind das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, sowie die Johannes Gutenberg-Universität und das Helmholtz-Institut Mainz.
 

Abb.: C. E. Düllmann, P. Armbruster, G. Münzenberg, P. Giubellino, K....
Abb.: C. E. Düllmann, P. Armbruster, G. Münzenberg, P. Giubellino, K. Morimoto, H. En'yo, S. N. Dmitriev, J. Oganesjan, M. Block (v.l.; Bild: B. Lübbe, Wilhelmshavener Zeitung)

Aktuell sind 118 Elemente im Periodensystem der Elemente verzeichnet. 92 davon kommen auf der Erde natürlich vor. Die Suche nach weiteren neuen Elementen erfolgt mithilfe von Teilchenbeschleunigern. Bei der Fusion der Atomkerne beider Elemente kann ein neues, schweres Element entstehen. Eine Anerkennung und Aufnahme eines neuen Elements in das Periodensystem erfolgt, sobald der Nachweis als gesichert eingestuft ist. Die auf diese Art künstlich erzeugten Elemente sind instabil, das heißt, sie zerfallen innerhalb kurzer Zeit. Ungeklärte Forschungsfragen auf dem Gebiet sind beispielsweise, wie schwere Elemente gebildet werden, ob schwerere Elemente aufgrund spezieller Kernkonfigurationen wieder längere Lebensdauern haben können („Insel der Stabilität“) und welche chemischen und physikalischen Eigenschaften diese Elemente aufweisen.

Mit bei der Konferenz dabei sind Peter Armbruster und Gottfried Münzenberg, die in ihren aktiven Forschungs­laufbahnen leitende Positionen bei der Erzeugung der Elemente 107 bis 112 (Bohrium, Hassium, Meitnerium, Darmstadtium, Roentgenium und Copernicium) am GSI Helmholtz­zentrum inne hatten. Ebenfalls vor Ort ist Juri Oganesjan, Elemententdecker aus Russland und aktuell der einzige lebende Mensch, nach dem ein chemisches Element benannt ist: Element 118, das Oganesson. Er war Leiter des Entdeckerteams der Elemente 114 bis 118 (Flerovium, Moscovium, Livermorium, Tenness und Oganesson) am Flerow-Labor des Joint Institute for Nuclear Research (JINR) in Dubna, Russland. Aus Japan ist Kouji Morimoto vom RIKEN Nishina Center for Accelerator-Based Science anwesend, der Mitglied des Entdeckerteams von Element 113 war. An der Konferenz nehmen außerdem die aktuellen Leiter der Forschungszentren GSI, Flerov-Labor und RIKEN Nishina Center, an denen die entsprechenden Elemente entdeckt wurden, teil.

„Die Erforschung der schweren Elemente ist ein ungeheuer spannendes Gebiet, es gibt sehr viele unbeantwortete Fragen“, erläuterte Paolo Giubellino, Wissenschaftlicher Geschäftsführer von GSI, sowie der in Darmstadt neu entstehenden internationalen Forschungs­anlage FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research). „Woher kommen die Elemente? Wie werden sie in Sternexplosionen und anderen stellaren Ereignissen produziert? Antworten auf diese Rätsel möchten wir dem Kosmos gerne mithilfe unserer Beschleuniger­anlagen entlocken. Auch in Zukunft wird die Untersuchung der schweren Elemente eine wichtige Rolle für unser Forschungs­zentrum spielen. Die FAIR-Anlage, die aktuell bei GSI in Darmstadt in internationaler Zusammen­arbeit gebaut wird, bietet herausragende Möglichkeiten, um das Universum ins Labor zu holen.“

Sergey Dmitriev, Direktor des Flerow-Labors für Kernreaktionen (FLNR), sagte auf dem Kongress: „Experimente zur Synthese neuer superschwerer Elemente – Flerovium (114), Moscovium (115), Livermorium (116), Tennessin (117), Oganesson (118) – wurden am Beschleuniger U400 des FLNR mit hoher Priorität durchgeführt. Für weitere Fortschritte war der Bau einer Superschwere-Elemente-Fabrik am FLNR, deren Herzstück das DC280-Zyklotron ist, erforderlich. An dieser Fabrik wird die Ionen­strahl­intensität um eine Größenordnung größer sein als die derzeit erreichte. Die Inbetriebnahme der Fabrik wird Experimente zur Synthese der Elemente 119 und 120 ermöglichen und die Arbeiten an der Erforschung der physikalischen und chemischen Eigenschaften von superschweren Elementen erheblich erweitern."

Auch in Japan wird die Suche nach neuen Elementen fortgesetzt. „Seit Dezember 2018 führen wir das Experiment zur Suche nach Element 119 mit einem der fünf Zyklotrone in der RIKEN RI Beam Factory durch. Ende 2019 wird unser Linear­beschleuniger mit neu gebauten supraleitenden Beschleunigungs­elementen ausgestattet sein und bereit sein, mit höherer Strahlintensität neue Elemente zu synthetisieren. Solange wir die Möglichkeit haben, werden wir beide Experimente parallel durchführen und fortsetzen, bis das Element 119 gefunden wird – hoffentlich bei RIKEN“, beschrieb Hideto En’yo, Leiter des RIKEN Nishina Centers, die aktuellen Forschungsziele.

An der TAN-Konferenz nehmen rund 120 Forscher aus 19 Ländern und 4 Kontinenten teil. Sie diskutieren in der Konferenzwoche über die aktuellen Ergebnisse und die Perspektiven der Forschung an den Transactinoiden, den Namensgebern der TAN-Konferenzserie. Damit sind die Elemente ab der Ordnungszahl 104 gemeint, die auf die Reihe der Actinoide folgen. Sie alle sind künstlich hergestellt und werden im Rahmen der Forschung an schweren Elementen weiter erforscht. „Wir untersuchen beispielsweise auch ihre chemischen Eigenschaften“, erklärte Christoph Düllmann, Mitorganisator der TAN, Professor an der Universität Mainz und Leiter der GSI- und HIM-Forschungsabteilungen zur Chemie der schweren Elemente. „Die Elemente werden nach ihrer Ordnungszahl in die Gruppen des Periodensystems einsortiert. Elemente mit ähnlichen chemischen Eigenschaften stehen untereinander. Bei neuen künstlichen Elementen bedarf es natürlich der Klärung, welche Eigenschaften sie haben, und ob sie sich ebenso in diese Gruppen einordnen, oder ob die hohe Kernladung in diesen exotischen Atomen die Elektronenhülle durcheinanderwirbelt und dadurch zu unerwarteten chemischen Eigenschaften führt.“

„In gleicher Weise untersuchen wir auch die physikalischen Eigenschaften der neuen Elemente“, kommentierte Michael Block, ebenfalls TAN-Mitorganisator und Professor in Mainz, sowie Leiter der GSI- und HIM-Forschungs­abteilungen zur Physik der schweren Elemente. „So lassen sich etwa die Anordnung und die Energieniveaus der Kernbausteine durch spektroskopische Untersuchungen bestimmen oder hochpräzise Massenmessungen der Kerne durchführen, um das Verhalten der Elemente im Detail zu verstehen und die aktuellen Kernmodelle weiter zu verbessern.“

Die TAN-Konferenz findet im von der UNESCO ausgerufenen Internationalen Jahr des Periodensystems 2019 (IYPT) statt, mit dem das 150-jährige Jubiläum des Periodensystems gefeiert wird. Der russische Chemiker Dmitri Mendelejew hatte im Jahr 1869 eine Systematik in die bis dato ungeordneten Elemente gebracht und Vorhersagen über damals noch fehlende, unbekannte Elemente gemacht. Er gilt damit als Vater des Periodensystems. Lokalen Bezug hat die Konferenz über den Arzt und Chemiker Lothar Meyer, der ebenfalls eine entsprechende Systematik für die Elemente vorgeschlagen hatte. Er stammt aus dem benachbarten Ort Varel südlich von Wilhelmshaven.

Neben dem wissenschaftlichen Diskurs findet im Rahmen der TAN auch ein Symposium anlässlich des IYPT mit Informationen über die Historie des Periodensystems und der Elemententdeckungen sowie einem Ausblick auf die Zukunft der Erforschung der schweren Elemente statt. Vertreter der für die Element­benennung verantwortlichen internationalen Organisationen IUPAC und IUPAP sowie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Gesellschaft Deutscher Chemiker sind ebenfalls anwesend. Die TAN reiht sich in viele Beispiele der gelungenen internationalen Kooperation in der Forschungswelt ein. 

GSI / DE
 

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