03.08.2020

Erhellend im Trüben

Vor 200 Jahren wurde der irische Physiker John Tyndall geboren, ein Pionier der Atmosphärenforschung und ein erfolgreicher Wissenschaftspopularisator.

Im Jahr 1856 reiste der irische Physiker John Tyndall in die Alpen, um Gletscherbewegungen zu studieren. Dieses Naturschauspiel erregte seit dem 18. Jahrhundert Aufsehen. So waren die Gletscher des „Mer des Glaces“ am Mont-Blanc-Massiv bis zum Dorf Le Bois herabgerutscht. Zahlreiche Besucher und auch Künstler wie William Turner kamen, um zu sehen, wie das Schmelzwasser unter dem Gletscher hervorsprudelte.

Für den 36-jährigen Tyndall, der drei Jahre zuvor auf Fürsprache Michael Faradays eine Professur an der renommierten Royal Institution of London erhalten hatte, war die Reise in mehrfacher Hinsicht entscheidend. Zum einen entdeckte er seine Leidenschaft für den Alpinismus. 1861 gehörte er zu den Erstbesteigern des Weisshorns in den Walliser Alpen. Ein Jahr später bestieg er die Südwestschulter des Matterhorns, den heutigen Pic Tyndall. Zum anderen führte die Gletscherforschung ihn indirekt zur experimentellen Erforschung des Treibhauseffekts.

John Tyndall im Jahr 1859 (links) und Ende der 1870er-Jahre (Foto: Wellcome...
John Tyndall im Jahr 1859 (links) und Ende der 1870er-Jahre (Foto: Wellcome Collection, CC BY 4.0)

Die Jugend John Tyndalls, geboren am 2. August 1820 als Sohn eines Polizisten im Südosten Irlands, fiel in eine Zeit des Aufbruchs. Nach der Schule hatte er im Alter von 19 Jahren zunächst als Landvermesser für die irischen und britischen Behörden gearbeitet. Als in den 1840er-Jahren der Eisenbahnbau begann, stellte er seine Fähigkeiten in den Dienst eines Unternehmens in Manchester.

An den Universitäten begann sich die Experimentalwissenschaft zu etablieren. Da Deutschland seiner Heimat voraus war, beschloss der junge Tyndall 1848, nach Marburg zu reisen. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Chemiker Edward Frankland, studierte er bei Robert Bunsen. In Marburg freundete er sich auch mit Hermann Knoblauch an.

Nach seiner theorielastigen Dissertation blieb Tyndall ein drittes Jahr in Marburg, um mit Knoblauch über Magnetismus zu arbeiten. Es folgte ein mehrmonatiger Aufenthalt im Labor von Gustav Magnus in Berlin, wo er ab 1850 Mitglied der dortigen Physikalischen Gesellschaft wurde, der Vorgängerin der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Seine mit Knoblauch publizierten Arbeiten öffneten Tyndall bei der Rückkehr nach England die Türen zu einer akademischen Karriere. 1852, im Alter von 32 Jahren, wurde er in die Royal Society aufgenommen. Ein Jahr später folgte die Professur an der Royal Institution.

Durch die Arbeit mit Knoblauch hatte Tyndall auch solide Kenntnisse über Wärmestrahlung erworben, die er zur Erforschung des Treibhauseffekts nutzte. Vor Tyndall hatten bereits Forscher wie der Franzose Joseph Fourier vermutet, dass die Atmosphäre einen wärmenden, isolierenden Effekt auf die Erde hat. Tyndall war jedoch der erste, der spektroskopisch untersuchte, wie atmosphärische Gase und Aerosole verschiedene Arten von Strahlung absorbieren. Nach anfänglichen Rückschlägen konnte er im Juni 1859 vor der Royal Society zeigen, dass Kohlengas und Äther (das Narkosegas) Infrarotstrahlung wesentlich stärker absorbieren als sichtbares Licht. Er folgerte, dass Sonnenstrahlung die Atmosphäre weitgehend ungehindert durchdringt, wohingegen die von der Erde abgegebene Wärmestrahlung aufgrund der Absorption gefangen bleibt.

John Tyndalls Messungen gehören zu den Meilensteinen der Atmosphärenforschung. Er bestimmte als erster die Infrarot-Absorption von Stickstoff, Sauerstoff, Wasserdampf, Methan, Ozon und Kohlendioxid. Aus der Beobachtung, dass Wasserdampf die Wärmestrahlung am stärksten absorbiert, schloss er, dass Wolken die Temperatur der Atmosphäre stark beeinflussen.

Als er die Wechselwirkung von Licht mit Schwebeteilchen in der Luft untersuchte, beobachtete er, dass kürzere Wellenlängen durch Streuung diffus reflektiert werden. Tyndall nutzte diesen heute nach ihm benannten Effekt zur Konstruktion eines Nephelometers, mit dem er die Größe und Dichte von Teilchen in Aerosolen und Kolloiden bestimmte. Seinen Experimenten kam zugute, dass während dieser Zeit immer stärkere elektrische Lichtquellen entwickelt wurden.

Tyndall entwickelte sich zu einem Experten für Infrarot-Licht. Er konnte zeigen, dass es reflektiert, gebrochen, gestreut, polarisiert und in magnetischen Feldern abgelenkt wurde. 1865 beobachtete er, dass bestimmte Moleküle Infrarot-Licht in sichtbares Licht umwandeln können – einen Effekt, den er Kaloreszenz nannte. Als geschickter Experimentator entwickelte er unter anderem ein Verfahren, um den Kohlendioxidgehalt in der Atemluft zu messen. Es wird heute noch eingesetzt, um die Narkose zu überwachen. Ebenso erfand er eine Atemschutzmaske für Feuerwehrmänner.

Interessant ist, dass Tyndall auch einen Beitrag zur damals stark diskutierten Keim-Theorie leistete. Er hatte ein Verfahren entwickelt, um Schwebeteilchen aus der Luft zu entfernen, sodass sie „optisch rein“ war und keine „Keime“ enthielt. Zu diesem Nachweis sterilisierte er Fleischbrühe durch Abkochen und bewahrte sie über viele Monate in der optisch reinen Luft auf, ohne dass sie faulte.

Als er den Versuch im folgenden Jahr wiederholte, konnte er das Ergebnis nicht reproduzieren. Des Rätsels Lösung fand Tyndall bei einem deutschen Forscher, dem Botaniker und Mikrobiologen Ferdinand Cohn. Dieser hatte gezeigt, dass Bakterien als hitzeresistente Sporen überleben können. Tyndall entwickelte daraufhin ein Verfahren, Sporen abzutöten, die „Tyndallization“. Während der 1870er-Jahre war er in häufigem Austausch mit Louis Pasteur, der gezeigt hatte, dass Mikroorganismen organische Zersetzungsprozesse fördern.

Als Anhänger Darwins befürwortete Tyndall die Trennung von Religion und Wissenschaft. Zu seinem Club Gleichgesinnter gehörten der Anatom Henry Huxley, sein Freund Edward Frankland und der Sozialphilosoph Herbert Spence.

Seine Ansichten äußerte Tyndall auch öffentlich, etwa 1874 bei seinem Vortrag als Präsident der British Association for the Advancement of Science. Das konnte er sich leisten, weil er inzwischen einer der bekanntesten lebenden Wissenschaftler war. Zu seinen Zeitgenossen gehören heute bekanntere Forscher wie James Joule, James Clerk Maxwell, Georges Stokes und William Thomson.

Populär war Tyndall hauptsächlich durch seine zahlreichen Bücher, die sich an ein breiteres Publikum richteten. Er schrieb über „Das Wasser in seinen Formen als Wolken und Flüsse oder „Die Gletscher der Alpen“. Sein Bestseller „Die Wärme betrachtet als eine Art der Bewegung“ war ein 550 Seiten dickes Buch, das Laien anhand von Experimenten die Grundlagen der Wärmelehre erklärte.

Seine Bücher wurden unter Aufsicht von Hermann von Helmholtz ins Deutsche übersetzt; ebenso ins Französische. Zudem hielt Tyndall häufig und gern öffentliche Vorträge. Seine Experimentalvorlesungen für Laien an der Royal Institution waren ein Publikumsmagnet. Seine Bücher machten ihn zu einem wohlhabenden Mann.

Im Alter von 55 Jahren heiratete Tyndall die 25 Jahre jüngere Louisa Hamilton. Seine Ehe war glücklich und kinderlos. Mit 66 Jahren ging er wegen gesundheitlicher Probleme in Rente. Er starb im Alter von 73 Jahren an einer Vergiftung durch Chloralhydrat. Seine Frau hatte das Schlafmittel unbeabsichtigt zu hoch dosiert. An den Forscher und Alpinisten erinnern heute die Tyndall-Gletscher in Chile und Colorado sowie der Mount Tyndall in Kalifornien und Tasmanien.

Anne Hardy

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