30.10.2025 • Kondensierte Materie

Exotische Kristalle aus Rotoren

Eine umfassende Theorie kann eine Vielzahl neuer Eigenschaften solcher transversal wechselwirkender Systeme vorhersagen.

Es klingt kurios, aber es gibt sie: Kristalle, die aus rotierenden Objekten bestehen. Physiker aus Aachen, Düsseldorf, Mainz und von der Detroiter Wayne State University haben zusammen diese exotischen Objekte und ihre Eigenschaften untersucht. Sie können leicht in einzelne Bruchstücke zerfallen und besitzen seltsame Korngrenzen und Fehlstellen, die gezielt gesteuert werden können. Die Forscher haben ermittelt, wie mit einer umfassenden Theorie eine Vielzahl neuer Eigenschaften solcher transversal wechselwirkender Systeme vorhergesagt werden können.

Spontane Fragmentierung eines rotierenden Kristalls aus...
Spontane Fragmentierung eines rotierenden Kristalls aus transversal-wechselwirkenden Teilchen in mehrere rotierende Kristallbruchstücke
Quelle: Wayne State U, Zhi-Feng Huang

Transversale Kräfte können in synthetischen Systemen auftreten, beispielsweise in bestimmten magnetischen Festkörpern. Es gibt sie aber auch in Systemen aus lebenden Organismen: In einem Experiment am MIT in den USA mit sehr vielen schwimmenden Seestern-Embryonen wurde beobachtet, dass sich diese Embryonen durch ihre Schwimmbewegungen gegenseitig beeinflussen und dadurch umeinander rotieren. Die biologische Funktion dieses Effekts ist bislang nicht verstanden. Gemeinsam ist all diesen Systemen, dass sie sich aus rotierenden Objekten zusammensetzen.

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Gert Strobl • 9/2014 • Seite 47

Wie kristallisieren Polymere?

Hartmut Löwen von der HHU: „Ein System aus vielen rotierenden Bausteinen weist ein qualitativ neues Verhalten auf, das der normalen Intuition widerspricht: Bei hoher Konzentration bilden diese Objekte einen Festkörper aus Rotoren, der ‚schräge‘ Materialeigenschaften besitzt.“

An einem Beispiel für „schräge Elastizität“ wird klarer, was mit „schräg“ gemeint ist: Wird an einem herkömm­lichen Material gezogen, dann verformt es sich in Rich­tung des Zugs; ein schräg-elasti­sches Material verformt sich dagegen nicht, sondern es verdreht sich.

Auch kann ein „schräger“ Fest­körper spontan in viele rotierende Kristal­lite zerfal­len, wenn seine Bau­steine so sehr anein­ander reiben, dass sie Frag­mente bilden. Bemer­kens­werter­weise kann sich der Kristall nicht nur selbst in Stücke zerlegen, sondern auch selbst wieder zusammen­setzen.

Ein Physikerteam um Zhi-Feng Huang von der Wayne State und Prof. Löwen hat für solche schrägen Kris­talle eine skalen­über­grei­fende Theorie ent­wickelt. Nach Modell­rech­nungen mit Hilfe dieser Theorie zogen sie Schluss­folge­rungen für neue Anwen­dungs­poten­tiale solcher selt­samen Fest­körper.

Sie zeigten, dass große trans­versal wechsel­wirkende Kris­talle intrin­sisch in rotie­rende kleine Kristall­einheiten zer­fallen werden. Kleinere Kris­talle dagegen wachsen, bis sie eine kriti­sche Größe errei­chen. Dieses Ver­halten steht im Wider­spruch zu normalem Kristall­wachstum, das bei güns­tigen thermo­dynami­schen Bedingungen dazu führt, dass immer größer werdende Kris­talle aus­reifen.

Prof. Huang: „Wir haben ein dem Prozess zugrunde­liegendes funda­men­tales Natur­gesetz entdeckt. Es beschreibt, wie die Größe der kriti­schen Bruch­stücke und ihre Rotations­geschwin­digkeit zusammen­hängen.“ [HHU / dre]

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