18.04.2023

Experimentalraketen über dem Nordpolarkreis

Studierende der Universität Stuttgart haben die Raketen entwickelt und gebaut.

Nach drei Jahren intensiver Vorbereitungen sollen diese Woche die zwei baugleichen Experimentalraketen N2ORTH vom Raumfahrt­zentrum Esrange bei Kiruna in Schweden in den Himmel über dem Nordpolarkreis starten. Das HyEnD-Team von Studierenden der Universität Stuttgart hat die beiden beim Start rund 200 Kilogramm schweren Raketen im Rahmen des STERN-Programms – Studentische Experimental-Raketen – der Deutschen Raumfahrt­agentur im DLR selbst entwickelt, gebaut und getestet. Das Programm ermöglicht den Teilnehmenden bereits während des Studiums erste Erfahrungen mit einem echten Raumfahrt­projekt zu sammeln. Angetrieben werden die beiden rund acht Meter langen Experimental­raketen bei ihrem Flug mit einer Kombination aus flüssigem Lachgas und einem Festbrennstoff und erreichen dabei mehrfache Schall­geschwindigkeit.

Abb.: Studierende der Universität Stuttgart mit ihrer Experimental­rakete...
Abb.: Studierende der Universität Stuttgart mit ihrer Experimental­rakete N2ORTH. (Bild: HyEnD)

Damit die rund 200 Kilogramm schweren Raketen eine möglichst große Höhe erreichen, hat das Team die entscheidenden Komponenten in Leichtbauweise aus Kohlefaser­verbundwerkstoffen hergestellt. „Eine besondere Heraus­forderung war die Konstruktion des rund drei Meter langen Lachgastanks“, erklärt Karsten Lappöhn, Programmleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur. „Er besitzt eine Außenhülle aus Kohlefaser sowie eine Innen­beschichtung aus Teflon-ähnlichem Material. Hierdurch verringert sich das Leergewicht der Rakete im Vergleich zur sonst üblichen Aluminium-Innen­beschichtung um rund sieben Kilogramm.“

Während des Fluges entsteht durch die Luftreibung an der Außenhaut der Rakete eine Temperatur von etwa 300 Grad Celsius. Um die empfindlichere Raketen­struktur vor diesen Temperaturen zu schützen, ist die Raketenhülle mit einer zusätzlichen Schicht aus Kork und Kunstharz umgeben. Die Wirksamkeit dieses Schutzes wurde durch Tests im Heißluft-Windkanal des DLR in Lampolds­hausen von den Studierenden nachgewiesen. Auch der von den Studierenden entwickelte Raketenmotor wurde am DLR-Testzentrum für Raumfahrt­antriebe in Lampoldshausen geprüft und ist der bisher leistungs­fähigste seiner Art innerhalb des STERN-Programms. Bis zur Fertigstellung durchlief allein das Triebwerk sechzig Heißläufe.

Das Bergungssystem von N2ORTH ist sehr komplex, denn es besitzt neben dem Haupt­fallschirm noch einen Überschall­fallschirm, der die Rakete beim Eintritt in die dichteren Luftschichten zusätzlich abbremst. Der von den Studenten selbst genähte Fallschirm muss dabei die hohen Temperaturen und mehrfache Schallgeschwindigkeit überstehen, bevor sich in drei Kilometern Höhe der größere Haupt­fallschirm öffnet. „Wir haben sowohl das Öffnungs- und Bremsverhalten des Schirms, als auch das Leinen- und Befestigungssystem auf Herz und Nieren getestet“, erläutert Florian Merz. „Für die Erprobung des Gesamtsystems haben wir dann einen mit Mess­elektronik bestückten rund achtzig Kilogramm schweren Testkörper aus einem Flugzeug über dem Truppen­übungsplatz Heuberg abgeworfen.“

Nach dem Start der ersten N2ORTH-Rakete werden die Flugdaten ausgewertet und mit den Ergebnissen aus vorherigen Computer­simulationen verglichen. Dies dient auch zur Vorbereitung des zweiten Fluges. Zu diesem Zweck werden die wichtigsten Daten per Funk zur Bodenstation übertragen und die Datenträger an Bord der Rakete nach erfolgreicher Landung und Bergung ausgelesen. Mit den so gewonnenen Messdaten ist eine deutlich genauere Flugbahn­vorhersage für den zweiten Start möglich.

DLR / JOL

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