Feinstaub in Echtzeit
Neues Messfahrzeug ermittelt selbst ultrafeine Partikel.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR hat ein Messfahrzeug entwickelt, mit dem es sehr präzise, mobil und in Echtzeit Schadstoffe wie Ruß, Stickoxide oder CO2 in der Luft untersuchen kann. Die Forscher des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik haben dazu einen Kleintransporter umgerüstet, sodass alle Messgeräte und Sensoren Platz finden. Das mobile Labor ermittelt gasförmige Schadstoffe genauso Feinstaub. Was Zeit und Partikelgröße betrifft, geht die Auflösung der Messfahrzeugs weit über das Umweltmonitoring an stationären Messstationen hinaus.
Im Fokus der Wissenschaftler stehen vor allem ultrafeine Partikel (UFP). Diese Teilchen haben einen Durchmesser von weniger als 100 Nanometer. Reguläre Umweltmesstechnik und einfache Sensorlösungen können sie meist nicht erfassen. Aufgrund ihrer geringen Größe können ultrafeine Partikel tief in die Atemwege eindringen und dort abgelagert werden. Der spezielle Rußmonitor des Messfahrzeugs kann beispielsweise kleinste Rußkonzentrationen bis zu 500 Nanogramm pro Kubikmeter Luft nachweisen. „In den Diskussionen rund um Emissionsschutz und Schadstoffminderung tragen mobile Messungen zu einem deutlich umfassenderen Bild bei“, sagt Tobias Schripp, der das Projekt am Stuttgarter DLR-Institut leitet. „Mit unserem Fahrzeug identifizieren wir besonders belastete Bereiche, also Hotspots wie Verkehrskreuzungen, und machen Emissionsquellen ausfindig. So können wir bestehende Daten zur Luftqualität besser bewerten und statistisch absichern“, sagt Schripp.
Die Spezialanalytik des mobilen Messlabors beruht auf der Expertise des DLR-Instituts für Verbrennungstechnik im Bereich der Messung und Analyse von Emissionen an Flugzeugtriebwerken. In Zukunft wird das Messfahrzeug bei Studien zum Einsatz kommen, die zum Beispiel alternative Treibstoffe in der Luftfahrt untersuchen. Weitere Anwendungsszenarien sind Messkampagenen im Kontext von Forschungsprojekten sowie für öffentliche Auftraggeber: für Untersuchungen im Autoverkehr und der Schifffahrt, Tests der Luftqualität in Städten sowie im Umfeld von Flughäfen oder für Abgasanalysen von industriellen Verbrennungsprozessen.
Vor jeder Messkampagne erarbeitet das Team ein individuelles Konzept, das abhängig vom Einsatzgebiet und der Forschungsfrage ist. Dazu legen sie Positionen, Routen und Dauer der Messungen fest sowie die zu untersuchenden Parameter. Das mit einem Dieselantrieb der Abgasnorm Euro-6d ausgestattete Fahrzeug kann auch in Umweltzonen zum Einsatz kommen und verfügt über ein ausgeklügeltes Energiekonzept. Die Kombination aus Batterie, zusätzlicher Lichtmaschine und Solarzellen auf dem Dach des Fahrzeugs versorgt die Messgeräte mit Strom. So kann das mobile Labor stationäre Messungen von bis zu drei Stunden durchführen, ohne auf eine externe Stromversorgung angewiesen zu sein. Die Entnahme der Luftproben erfolgt am Dachende des Fahrzeugs. Der Auspuff befindet sich in der Fahrzeugmitte und ist zur Seite ausgerichtet, sodass die Abgase des Fahrzeugs die Messungen nicht beeinflussen.
Aktuell unternimmt das Team um Tobias Schripp erste Versuchsfahrten, um die Instrumente des mobilen Labors zu testen und zu justieren. Unterwegs waren sie zum Beispiel Mitte April 2020 rund um den Stuttgarter Flughafen. Aufgrund von Bauarbeiten an der Start- und Landebahn war der Flugbetrieb dort für einige Tage eingestellt. „Diese einmalige Gelegenheit haben wir genutzt, um Hintergrundmessungen zu machen. So konnten wir Daten sammeln, wie sich die Luftqualität entwickelt, wenn keine Flugzeuge unterwegs sind und das Verkehrsaufkommen auf den umliegenden Straßen aufgrund der Corona-Krise deutlich reduziert ist“, erklärt Tobias Schripp. Weitere Einsätze des Messfahrzeugs sind im Zuge von Forschungsarbeiten im Bereich der Luftqualität zum Beispiel in Stuttgart und Braunschweig geplant.
DLR / JOL