07.08.2019

Forschung auf Radioempfang

Vor hundert Jahren gründete sich die Internationale Union der Radiowissenschaften.

Die International Union of Radio Sciences (URSI) feierte Ende Juli ihr 100-jähriges Bestehen, unter anderem mit einem Symposium in Graz. In der URSI haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammengeschlossen, welche die unterschiedlichsten Aspekte der Funktechnik einschließlich ihrer Anwendungen erforschen.

„Die URSI ist thematisch sehr breit angelegt“, sagt Gottfried Mann, Radioastronom vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam und Mitglied des deutschen URSI-Landesausschusses: „Das reicht von der Elektrotechnik bis zur Radioastronomie und somit von den Ingenieurwissenschaften bis zur reinen Physik. Die URSI befasst sich insbesondere mit den vielfältigen Anwendungen von Radiowellen, von der Freisprechanlage in Autos bis hin zur Überwindung großer Strecken durch Funk, wie sie etwa die Bundeswehr benötigt.“

Ausgangspunkt für die „Radiowissenschaft“ waren die bahnbrechenden Experimente von Heinrich Hertz in den Jahren von 1885 bis 1889, mit denen er die Maxwellsche Feldtheorie bestätigen konnte. Nur zehn Jahre später zeigte Guglielmo Marconi mit seinen Versuchen das Anwendungspotenzial der elektromagnetischen Wellen für die drahtlose Kommunikation über Länder und Kontinente hinweg. Sehr bald etablierten sich erste Initiativen, um wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch und Regulierungen im Radiobereich international zu ermöglichen. Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Bemühungen, förderte aber den Fortschritt in der Kommunikationstechnik.

Ende Juli 1919 konstituierte sich die URSI, damals noch unter dem Namen Union Radiotélégraphie Scientifique Internationale, in Brüssel. Dort fand 1922 auch die erste Generalversammlung statt, allerdings ohne deutsche Beteiligung. Deutschland war ab 1938 kurze Zeit URSI-Mitglied, aber nicht mehr nach dem Zweiten Weltkrieg. 1954 gründete sich schließlich ein deutscher Landesausschuss und die BRD wurde reguläres Mitglied.

URSI ist wie die ebenfalls 1919 gegründeten International Astronomical Union (IAU) und International Union of Geodesy and Geophysics (IUGG) Mitglied des International Council of Scientific Unions (ICSU). Zusammen mit der IAU war die URSI maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 beteiligt, das über die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit eine Brücke zwischen Ost und West schlagen sollte.

Mit den wissenschaftlichen und technischen Fortschritten, nicht zuletzt durch Elektroröhren, Transistoren, Laser bis hin zur modernen Mobilfunktechnologie, erweiterten sich die Zuständigkeiten und Aktivitäten der URSI, deren Mitglieder aus Elektro- und Kommunikationstechnik, Physik, Astronomie sowie Industrie und Postwesen stammen.

Die Arbeitsschwerpunkte spiegeln sich in den derzeit zehn Kommissionen der URSI wieder. Dazu gehören die elektromagnetische Metrologie, insbesondere Frequenzstandards, die Ausbreitung von Radiowellen in der Ionosphäre, die Radioastronomie und die Wirkung elektromagnetischer Strahlung in Biologie und Medizin. Die URSI fördert die Forschung und Entwicklung durch Konferenzen, Workshops und veröffentlicht Gutachten und Stellungnahmen.

Zu den wichtigen Entdeckungen, welche die Arbeit der URSI geprägt haben, gehören der Nachweis der Ionosphärenschicht ab 1924 und die Entdeckung der Radiostrahlung aus dem Zentrum der Milchstraße im Jahr 1933 durch Karl Jansky, der damit die Radioastronomie begründete. Die spätere Entwicklung der interferometrischen Beobachtung mit großen Basislängen führte gerade in der Radioastronomie durch Anlagen wie LOFAR, ALMA oder dem  Radioteleskopverbund Event Horizon Telescope (EHT) zu spektakulären Entdeckungen. So ist es mit dem EHT erstmals gelungen, den Schatten eines Schwarzen Lochs abzubilden.

Zu den aktuellen Zielen der URSI gehört das Monitoring des Weltraumwetters oder der Ionosphäre, deren Einfluss bei den radioastronomischen Beobachtungen zu berücksichtigen ist. „Hier geht es vor allem darum, die Abdeckung durch Beobachtungsstationen auf der Erde noch homogener zu machen, insbesondere auf der Südhalbkugel“, sagt Gottfried Mann, derzeit Vorsitzender der Kommission H „Waves in Plasma“ im deutschen URSI-Landesausschuss. Zudem gelte es, dafür zu sorgen, dass Frequenzbereiche für die Wissenschaft frei bleiben, damit auch in Zukunft Entdeckungen im Radiokosmos möglich bleiben.

Alexander Pawlak

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