22.04.2024

Gebündelte Forschung für die Laserfusion

Forschungsprojekt zielt auf systematische Entwicklung der Schlüsseltechnologien für Fusionskraftwerke.

Aufwind für die Trägheitsfusionsenergie (Inertial Fusion Energy, IFE) in Deutschland: Das Forschungsprojekt PriFUSIO startet die systematische Entwicklung von Schlüsseltechnologien für klimaneutrale Fusionskraftwerke der Zukunft. Das Konsortium aus Start-ups, mittelständischen Unternehmen, Konzernen, dem Laserzentrum Hannover und den Fraunhofer-Instituten ILT in Aachen und IOF in Jena wird grundlegende Prinzipien für die gezielte Komponentenentwicklung erforschen und praktikable photonische Ansätze für die kommerzielle Nutzung der lasergezündeten Trägheitsfusion erkunden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt dafür in den nächsten drei Jahren 18 Mio. Euro bereit.


Abb.: Fusionsenergie als saubere und nahezu unerschöpfliche Energiequelle der...
Abb.: Fusionsenergie gilt als saubere und nahezu unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft.
Quelle: shutterstock

Seit Jahrzehnten verfolgt die Fusionsforschung das Ziel, Energie aus der Kernfusion rund um die Uhr verfügbar zu machen. Auf dem Weg, die Energiequelle der Sonne mithilfe der lasergetriebenen Trägheitsfusion auf der Erde zu erschließen, haben Forscher des Lawrence Livermore National Laboratory an der National Ignition Facility kürzlich einen bedeutenden Durchbruch erzielt: Am 5. Dezember 2022 gelang ihnen die Zündung eines Fusionsplasmas mithilfe von Hochenergielasern. Seither haben sie das Experiment mehrmals wiederholt und damit belegt, dass die Physik der Zündung und des selbsttragenden Abbrands eines Brennstoffgemischs aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium beherrschbar ist. Der Prozess wird in der NIF durch die Energiezufuhr über fokussierte Laserstrahlen aus fußballfeldgroßen Hochenergielasern ausgelöst.

Dieser Meilenstein der Kernforschung kann den Weg in eine saubere und sichere Energieversorgung ebnen. Gelingt es, sie kommerziell nutzbar zu machen, bietet die Trägheitsfusionsenergie der Menschheit eine nahezu unerschöpfliche, CO2-neutrale Energiequelle. Ein Gramm Fusions-Brennstoff kann so viel Energie erzeugen wie die Verbrennung von elf Tonnen Steinkohle. Anders als in herkömmlichen Kernreaktoren entstehen keine langlebigen hochradioaktiven Abfälle. Auch Kettenreaktionen bis zur Kernschmelze sind in der lasergezündeten Trägheitsfusionsenergie (IFE) nicht möglich. Um die Fusion aufrechtzuerhalten, werden winzige Pellets mit leichten Atomkernen wie Deuterium und Tritium verwendet, die durch Laserzündung zu Helium fusionieren. Die Masse des entstehenden Helium-Kerns ist geringer als die Masse der beiden leichten Kerne zusammen, was als nutzbare Energie freigesetzt wird.

Für kommerziell nutzbare Fusionskraftwerke gilt es allerdings noch, viele Schlüsseltechnologien zur Anwendungsreife zu entwickeln. Dank ihrer herausragenden Position im Bereich der Laser- und optischen Technologien hat die deutsche Industrie dafür beste Voraussetzungen. Es kann gelingen, in dieser Zukunftstechnologie bedeutenden Mehrwert für Deutschland zu schaffen. Hier setzt PriFUSIO an. Das Konsortium aus sieben Industriepartnern und drei Forschungsinstituten macht sich auf den Weg, photonische Schlüsselkomponenten für die laserbasierte Fusion zu erforschen und industriell nutzbar zu machen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wird ihr Projekt in den nächsten drei Jahren mit 18 Millionen Euro fördern. Es ist Teil des Förderprogramms „Fusion 2040 – Forschung auf dem Weg zum Fusionskraftwerk“. Darin wird die Bundesregierung bis zu fünf Milliarden Euro investieren. Zielsetzung: Deutschland soll als eines der ersten Länder weltweit ein Fusionskraftwerk entwickeln und bauen.

Wir wollen ein Fusionsökosystem aus Industrie, Start-ups und Wissenschaft aufbauen, welches die vorhandenen Stärken bündelt und Synergien zwischen den unterschiedlichen Akteuren schafft“, sagte Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, angesichts der Bekanntgabe des Programms, „diese riesige Chance dürfen wir – gerade mit Blick auf Wachstum und Wohlstand – nicht verpassen.“ Die exzellente Forschungslandschaft und die starke Industrie böten hierfür hervorragende Voraussetzungen.

Auf dem Weg zur kommerziellen Nutzung der IFE-Technologie gibt es einige Herausforderungen. Dazu gehören die Entwicklung von leistungsfähigen, zuverlässigen und kostengünstigen Laserquellen und Optiken sowie automatisierte Lösungen für die Brennstoffzufuhr und die effiziente Nutzung der entstehenden Abwärme. Die NIF besitzt die größte und energiereichste Laseranlage der Welt. Sie kann nur wenige Schüsse pro Tag machen, da das System für grundlegende Plasmaexperimente und nicht für die Erforschung der Energiegewinnung gebaut wurde. Für ein Kraftwerk ist eine Laseranlage notwendig, die etwa die gleiche Energie erzeugen kann, diese aber mehr als zehnmal pro Sekunde abgeben kann. Dafür muss ihre mittlere Leistung um mindestens fünf Größenordnungen gegenüber der NIF-Laseranlage gesteigert werden.

PriFUSIO wird vor allem fundamentale Fragen zur Entwicklung der nächsten, kraftwerkstauglichen Generation von Hochleistungslasern erforschen, die die millimetergroßen Brennstoffkügelchen komprimieren und die Fusion bei Temperaturen von über 100 Mio. Grad Celsius zünden. Das setzt einerseits die Erzeugung und Manipulation von Laserstrahlen auf hohem Energielevel und mit zuvor nie erreichten Leistungen voraus. Andererseits bedarf es voller Kontrolle des entstehenden Plasmas, um die freigesetzte Fusionsenergie nutzbar zu machen. Die erforderlichen Leistungen stellen höchste Anforderungen an die Materialien, das Engineering und das hochkomplexe Optiksystem.

Im Konsortium wirken mit der Focused Energy GmbH und der Marvel Fusion GmbH zwei deutsche Start-ups mit, die auf verschiedenen technologischen Pfaden auf die kommerzielle Nutzung der IFE-Technologie hinarbeiten. Sie formulieren Anforderungen an die benötigten Hochleistungslaser, aus denen die Fraunhofer-Institute für Lasertechnik ILT in Aachen und für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena den konkreten Forschungs- und Entwicklungsbedarf ableiten, der für die Umsetzung dieser Spezifikationen notwendig sein wird. „Die Performance und Wirkungsgrade der Hochleistungslaser hängen direkt von den Eigenschaften der eingesetzten optischen Komponenten ab“, erklärt Hans-Dieter Hoffmann, Leiter der Abteilung Laser und Optische Systeme am Fraunhofer ILT.

Aus diesem Grund sind mit der Schott AG und der Heraeus Group nicht nur führende Anbieter von optischen Gläsern und Beschichtungsmaterialien im Projekt vertreten, sondern mit der LAYERTEC GmbH aus Mellingen und der LASEROPTIK GmbH aus Garbsen auch hochspezialisierte Mittelständler aus dem Bereich der Bearbeitung und Beschichtung optischer Komponenten. Die Expertise im Bereich komplexer Hochleistungslaser bringt die TRUMPF Laser AG ein.

PriFUSIO wird das Know-how der Partner entlang der Prozesskette zusammenführen“, erklärt Hoffmann. Es gehe im Projekt darum, präzise beschichtete Highend-Optiken zu entwickeln, die den Leistungsanforderungen in IFE-Reaktoren dauerhaft gewachsen sind. Den Nachweis dafür sollen unter anderem Zerstörschwellentests am Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) erbringen.

Eine technologische Herausforderung liegt laut Hoffmann darin, dass IFE-Kraftwerke großflächige optische Elemente benötigen, deren optische Eigenschaften trotz der dauerhaft sehr hohen Energieeinträge stabil bleiben müssen. Über die Materialeigenschaften und die Beschichtungen lässt sich die Absorption der Laserenergie – und damit das Aufheizen der Optiken – zwar minimieren; dennoch muss es gelingen, die Wärme effizient abzuführen. Zudem gilt es, durch die Entwicklung effizienter Bearbeitungs- und Beschichtungsprozesse die Kosten zu reduzieren. „Gelingt es, diese hohen Anforderungen zu erfüllen, dann werden sich aus PriFUSIO auch über die Anwendung in der IFE-Technologie hinausweisende Synergien für Industrielaser ergeben“, ist Hoffmann überzeugt.

Das Fraunhofer ILT wird sich im Zuge des Verbundforschungsprojektes mit Simulationsrechnungen für effiziente Hochenergielaser sowie mit laserbasierten Fertigungsverfahren für die Highend-Optiken befassen. „In der Optikfertigung werden wir eng mit LAYERTEC zusammenarbeiten und auch hybride Ansätze mit konventionellen und laserbasierten Verfahren verfolgen“, erklärt der ILT-Abteilungsleiter.

Das Fraunhofer IOF in Jena steuert zum Projekt sein Know-how im Bereich optischer Gitter und Dünnschichtabscheidung bei und wird darüber hinaus Expertise in der multispektralen und hoch sensitiven Charakterisierung der Absorption optischer Komponenten sowie ihres winkelabhängigen Streulichtverhaltens einbringen. Dabei geht es unter anderem um die Erforschung neuartige Ansätze auf Basis hybrider nano-optischer Schichtsysteme zur Leistungsskalierung von Pulskompressorgittern, die für Fast-Ignitor Lasersysteme benötigt werden.

Das IOF untersucht hierfür neue Materialien, neue Gitterkonzepte sowie angepasste Verfahren zur Abscheidung defektarmer optischer Schichten. Neben der Untersuchung innovativer Konzepte für laserfeste Pulskompressorgitter wird das Team in enger Zusammenarbeit mit dem LZH die Beständigkeit gegenüber Laserbestrahlung untersuchen und entlang der gesamten Prozesskette Ursachenanalysen von Schadensereignissen betreiben. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden den Projektpartnern bei der Entwicklung der optischen Komponenten und der Optimierung der Fertigungsprozesse die Richtung weisen.

Welche Lasermaterialien und optischen Komponenten zum Einsatz kommen werden, ist noch offen. Die NIF in Kalifornien nutzt mit Blitzlampen gepumpte Festkörperlaser auf der Basis von Neodym dotiertem Laserglas. Blitzlampengepumpte Laser sind zwar kosteneffektiv, haben aber bei der der Wandlung von elektrischer Energie in Laserenergie Schwächen. Für die nächste Lasergeneration müssen daher Halbleiterlaser als Pumpquelle dienen, um im Ultravioletten Bereich eine erhebliche Steigerung der Lasereffizienz auf Werte über zehn Prozent zu erreichen. Als Lasermedium wird grundsätzlich auch der Einsatz keramischer oder kristalliner Werkstoffe untersucht, da diese wegen der im Vergleich zu Gläsern besseren Wärmeleitung eine effizientere Kühlung ermöglichen.

Ein effizienter Kraftwerksbetrieb erfordert anders als die Versuchsanlage zehn bis zwanzig Laserpulse pro Sekunde. „Dafür wird es entscheidend sein, wie effizient wir die Wärme insbesondere aus dem Lasermedium ableiten können“, erklärt Hoffmann. Für Glas sprächen die spektrale Bandbreite, die günstige Produktion und die Fähigkeit, Energie im Laserbetrieb effizient zu speichern und abzurufen. Doch ob es die extremen Anforderungen erfüllen kann, ist ungeklärt. „Das werden wir im Projekt PriFUSIO untersuchen und zudem auf Basis des umfassenden photonischen, optischen und materialwissenschaftlichen Know-hows der Projektpartner die Machbarkeit klären“, sagt er.

Mit dem Forschungsvorhaben soll der Übergang von der Grundlagen- zur anwendungsnahen Forschung gelingen. Die zu erwartenden Forschungsergebnisse werden sich laut Hoffmann auch über die Laserfusion hinaus positiv auf die Weiterentwicklung von Hochenergielasern und optischen Komponenten auswirken. „PriFUSIO wird damit zur Stärkung der beteiligten Industriepartner in ihren jeweiligen Märkten beitragen“, ist er überzeugt. Die aktive Teilnahme an der Entwicklung der IFE-Technologie sei für die deutsche Industrie eine vielversprechende Gelegenheit, ihr Know-how und ihre Expertise im Bereich der Hochtechnologie weiter auszubauen und darüber hinaus positive Spillover-Effekte zu erzielen, indem sie neue Märkte für verwandte Technologien erschließe.

Fh.-ILT / DE

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