28.07.2014

„Gecko-Satellit“ wieder auf Empfang

Roskosmos gelingt es, Kommuni­kation mit der Mikro­gravita­tions-Forschungs­kapsel Foton-M4 her­zu­stellen.

Abb.: Foton-M2, 2005; von oben nach unten sind der zylindrische Batteriebehälter, die kugelförmige Landekapsel und der konisch auslaufenden Behälter mit den Kontroll- und Steuerungssystemen zu sehen. (Bild: P. Sickinger, Kayser-Threde)

Forschung in Schwere­losig­keit ist sein Ziel: Am 18. Juli 2014 ist um 22.50 Uhr mittel­euro­päischer Sommer­zeit der russi­sche Forschungs­satellit Foton-M4 mit einer Sojus-Rakete vom Weltraum­bahnhof Baikonur ins All gestartet. Er soll die Erde zwei Monate lang in einer Höhe von fast 600 Kilo­metern umkreisen – also rund 200 Kilometer höher als die Internationale Raumstation ISS –, bevor seine kugel­förmige Lande­kapsel mit den tierischen Astro­nauten, Versuchs­anlagen und Proben Ende September wieder zurück­kehrt. An Bord sind auch vier deutsche Experi­mente, deren Mitflug das Raumfahrt­management des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ermöglicht hat.

Doch zunächst eine Hiobs­botschaft: Der Satellit sendete zwar Tele­metrie­daten, reagierte aber nicht auf Kommandos vom Boden. Deshalb fand auch eine Triebwerkszündung nicht statt, die ihn von einer elliptischen auf einen kreis­förmigen Orbit bringen sollte. Die Experimente hätten zwar automatisiert stattfinden können, der Wieder­eintritt der Rück­kehr­kapsel in die Atmosphäre wäre jedoch willkürlich erfolgt und es hätte keine geplante Landung und Bergung geben können.

Aleksandr Kovalev, einer der Wissenschaftler, die für die biologischen Experimente verantwortlich ist, sagte daraufhin am Donnerstag, die Eidechsen an Bord seien am Leben und könnten sich wie geplant reproduzieren, woraufhin in bestimmten Medien und in zahlreichen Social-Media-Kanälen eine Welle derber Kommentare und Spott losbrach. Am Samstag konnte die russiche Weltraumagentur Roskosmos den Kontakt wieder herstellen, ob auch die Anhebung der Umlaufbahn gelingt, bleibt abzuwarten.

Abb.: Wer den Schaden hat … Am Wochenende kursierten Verballhornungen zum „Gecko-Satelliten“, wie dieses modifizierte Filmplakat des Hollywood-Streifens „Gravity“. (Bild: pinterest.com/prophysik)

Aber es geht nicht nur um Biologie. Läuft alles nach Plan, wollen etwa Wissen­schaftler der Universität Freiburg und des Freiburger Material­forschungs­zentrums in den kommenden Wochen die Foton-Kapsel für vier Experimente zum Wachstum von Halbleiter­kristallen nutzen. Ihr Ziel ist es, Kristalle mit möglichst hoher Qualität zu erzeugen. Dabei verwenden sie für die drei verschiedenen Halbleitermaterialien – Germanium-Gallium, Germanium-Silizium und Cadmium-Zink-Tellur – das gleiche Verfahren wie auf der Erde: Das Ausgangsmaterial wird aufgeschmolzen und anschließend von einer Seite so abgekühlt und der neue Kristall beginnt von dort aus zu wachsen. Im Gegensatz zum Erdlabor tritt unter Mikrogravitation die schwer­kraft­bedingte Konvektion in Schmelzen mit Temperatur­unter­schieden nicht auf. Daher können Wissenschaftler auf Foton unabhängig davon und ungestört den Vorgang des Kristall­wachstums sowie den Einfluss von Magnetfeldern und von Vibrationen studieren, die sie auf der Erde für die Kontrolle von Strömungen in der Schmelze einsetzen wollen.

„Technischer Fortschritt wird oft erst möglich durch Materialien, die dem neuesten Stand der Forschung entsprechen. Vor allem Zukunfts­branchen wie die Elektronik­industrie hängen stark von den Innovationen ab, die in der Material­forschung erzielt werden. Essentiell für diesen Industriezweig sind die Halbleiter­materialien, ohne die elektronische Bauelemente nicht möglich wären: Solarzellen, Leuchtdioden und Transistoren sind nur einige von vielen Anwendungsfeldern. Nimmt die Leistungskapazität zu, steigen auch die Anforderungen an die Qualität der Halbleiter­kristalle“, verdeutlicht Maria Roth, zuständig für Foton im DLR-Raumfahrt­management. „Die Experimente auf Foton werden durchgeführt, um industrielle Prozesse auf der Erde zu verbessern.“

Abb.: Die Foton-M2-Kapsel 2005 nach ihrer Landung in der russischen Steppe (Bild: DLR)

Herzstück der Experiment­anlagen ist der russische Polizon-2-Ofen, in dem die Halbleiter-Proben aufgeschmolzen werden. Rund hundert Kilogramm wiegt die Apparatur. Zu dem Gewicht trägt neben dem eigentlichen Schmelzofen vor allem das Magazin bei, aus dem die insgesamt zwölf Proben nacheinander in den Ofen geschoben und in das sie später wieder zurückt­ransportiert werden. Um den Ofen herum gruppieren sich noch weitere sieben technologische und material­wissen­schaftliche sowie neun gravitations- und strahlen­biologische Experiment­anlagen russischer Wissenschaftler. Drei weitere Experimente zu Strahlen­biologie und eines zur Temperatur­messung sind auf der Außenhaut von Foton-M4 montiert.

Foton-M4 ist vermutlich der letzte in einer Serie von sechzehn Flügen des Foton-Programms. Ein neues System, bei dem der Satellit für sieben Jahre im Orbit bleiben soll, wird derzeit in Russland untersucht. Dieser Satellit soll dabei in regelmäßigen Abständen zwecks Proben- und Anlagen­tausch an die Inter­nationale Raumstation ISS andocken. Damit müsste regelmäßig nur die Experiment­ausrüstung in den Weltraum gebracht werden. Die Startkosten für fast sechs Tonnen Satellitensystem und die Landung fielen dann im gesamten Zeitraum nur einmal an.

DLR / RSW / OD

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