Gemeinsame Stellungnahme von Astronomen, Amateurastronomen und Planetarien zu Satellitenkonstellationen
Rasante Zunahme von Satelliten hat erhebliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Sternenhimmels und die Erforschung des Universums.
Astronomische Forschungseinrichtungen, Sternwarten und Planetarien haben in den vergangenen Monaten eine Vielzahl von teils besorgten Anfragen erhalten. Hintergrund sind die Satelliten der vom privaten US-Raumfahrtunternehmen SpaceX seit Mai 2019 massenhaft in mehreren Starts in die Erdumlaufbahn gebrachten Starlink-Satelliten, die in Gruppen über den Himmel ziehen.
SpaceX will mit Starlink eine satellitenbasierte Infrastruktur für Hochgeschwindigkeits-Internetanbindungen weltweit bereitstellen. Hierfür sind im endgültigen Ausbau der Konstellation über 30.000 Satelliten vorgesehen, was die Zahl aller bislang in der Erdumlaufbahn befindlichen Satelliten bei weitem übersteigt. Weitere Unternehmen wie OneWeb, Amazon und andere planen oder beginnen teilweise ähnliche Projekte. Auch bei deutschen Unternehmen gibt es entsprechende Planungen große Zahlen von Mikrosatelliten billig in Erdumlaufbahnen zu starten.
Die Astronomie ist sich der Bedeutung der Internetanbindung entlegener Regionen der Erde sowie weiterer technologischer Entwicklungen bewusst. Gleichwohl birgt die Umsetzung über den gewaltigen Zuwachs an künstlichen Satelliten am Himmel auch erhebliche Einschränkungen und Risiken, deren Folgen verantwortungsvoll abgewogen und möglichst reduziert werden müssen.
Für Astronominnen und Astronomen ist der Schutz des Sternenhimmels als einzigartigem Kulturerbe der Menschheit ein zentrales Anliegen. Das Erleben dieses Naturwunders ist bereits jetzt in großen Teilen der Erde in höchstem Maße durch ineffiziente und übermäßige künstliche Beleuchtung stark beeinträchtigt. Ein ungetrübter Blick in den Sternenhimmel wird durch die Vielzahl an Licht reflektierenden künstlichen Satelliten selbst in bislang von der Lichtverschmutzung weitgehend unbehelligten Regionen der Erde nicht mehr möglich sein.
Bereits vor dem Start der ersten Starlink-Satelliten waren am Nachthimmel zahlreiche künstliche Satelliten beobachtbar. Mit Zehntausenden zusätzlichen Objekten in der Erdumlaufbahn ist es ein realistisches Szenario, dass am Nachthimmel mehrere Tausende über das Firmament ziehende Satelliten die Sternbeobachtung behindern. Ihre Zahl übersteigt dann die der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne.
Dies wird den Nachthimmel, dessen Anblick die Menschheit seit Anbeginn fasziniert und inspiriert, für immer verändern. Zudem wird die Erforschung des Universums für die professionelle und Amateurastronomie erheblich beeinträchtigt. Aufnahmen von Nachtlandschaften und Himmelsobjekten, die seit jeher die Faszination der Astronomie in die Bevölkerung tragen und einen Beitrag zur Allgemeinbildung leisten, sind erheblich betroffen.
Die Astronomie bildet die Grundlage für unsere Erforschung und Nutzung des Weltraums. Mit der Entwicklung hochentwickelter Observatorien wurden zahlreiche Fortschritte bei der Erforschung unseres Universums erzielt. Astronomische Beobachtungen mit modernen Teleskopen, die den Himmel durchmustern und in die Tiefen des Weltalls blicken und so unser Verständnis für das Universum fördern, werden aber durch die Vielzahl der Satelliten erheblich gestört. Zu nennen sind insbesondere alle Studien des dynamischen Universums. Bei optischen Teleskopen für empfindliche und häufige Weitwinkelaufnahmen – wie zum Beispiel beim zukünftigen Vera C. Rubin Observatory – wird es genauso Einflüsse geben wie bei der Verfolgung und Überwachung von Kleinkörpern im Sonnensystem, die potenziell auch mit der Erde kollidieren können. Neben der optischen Astronomie werden aber auch die Beobachtungen der Infrarot- und Radiostrahlung aus dem Weltall erheblich beeinträchtigt.
Die Radioastronomie wird ohnehin immer stärker von menschengemachten Signalen gestört, beispielsweise durch das stetig wachsende Mobilfunkaufkommen. Daher errichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Observatorien in sehr abgelegenen Gebieten. Das Problem mit Störungen durch die Vielzahl der zu erwartenden Satelliten ist aber, dass diese rund um den Globus und damit selbst an den entlegensten Orten auf der Erde operieren und es somit auch für die Radioastronomie kein Entkommen gibt.
Deutsche Forschende betreiben nicht nur Europas größtes Radioteleskop, das 100-Meter-Teleskop in Effelsberg nahe Bonn, sondern sie sind auch an einer großen Zahl von modernsten Radioobservatorien in der Welt beteiligt, wie etwa dem Atacama Large Milimeter Array oder dem im Bau befindlichen Square Kilometre Array in Australien und Südafrika. Auch diese abgelegenen Standorte werden dann betroffen sein. Auch für die bemannte und unbemannte Raumfahrt stellt die aktuelle Entwicklung ein Risiko dar, da mit ihr zwangsläufig die Gefahr von Kollisionen steigt.
Die Beeinträchtigung des Nachthimmels wirkt sich weltweit aus, doch die Genehmigung der Starts von Satelliten erfolgt ausschließlich durch nationale Behörden, wie der US-amerikanischen Federal Communications Commission. Wir bringen hiermit unsere Besorgnis darüber zum Ausdruck und rufen dazu auf, durch internationale Vereinbarungen beim zukünftigen Ausbau von Satellitenkonstellationen den Schutz des Nachthimmels über das gesamte elektromagnetische Spektrum als menschliches Kulturgut und Forschungsobjekt zu gewährleisten.
Astronomische Gesellschaft / Vereinigung der Sternfreunde / Gesellschaft deutschsprachiger Planetarien
Weitere Infos
- Astronomische Gesellschaft, Hamburg
- Vereinigung der Sternfreunde e.V., Heppenheim
- Gesellschaft deutschsprachiger Planetarien, Bochum
Weitere Beiträge
- A. Pawlak: Gestörter Sternenhimmel, Physik Journal, Oktober 2020
- Wenn der Satellit im Weg ist, Pro Physik, 6. März 2020