19.08.2024

Pionier der Lasertheorie gestorben

Der theoretische Physiker Hermann Haken, der das Forschungsgebiet der Synergetik begründete, starb im Alter von 97 Jahren.

Alexander Pawlak

Der Physiker Hermann Haken ist am 14. August im hohen Alter von 97 Jahren gestorben. Er gilt als einer der bedeutendsten theoretischen Physiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und hat mit seinen Arbeiten zur Lasertheorie, Festkörperphysik sowie der Physik der Phasenübergänge und der Komplexitätstheorie bahnbrechende Beiträge geleistet.

Die Deutsche Physikalische Gesellschaft verlieh ihm 2016 die Ehrenmitgliedschaft für „sein jahrzehntelanges, Beispiel gebendes Engagement als akademischer Lehrer, der durch seine Lehrbücher Generationen von Physikstudierenden geprägt hat, und als Forscher, der der Physik neue Wege gewiesen und neue Gebiete wie das der Synergetik erschlossen hat.“

Hermann Haken mit dem Orden Pour le mérite 2014 in Berlin
Hermann Haken mit dem Orden Pour le mérite 2014 in Berlin
Quelle: Wikimedia Commons, StagiaireMGIMO, CC BY-SA 3.0 (SW und Beschnitt: AP)

Der am 12. Juli 1927 in Leipzig geborene Hermann Haken studierte von 1946 bis 1948 Mathematik und Physik in Halle und anschließend bis 1950 in Erlangen. Er promovierte dort 1951 in Mathematik beim Gruppentheoretiker Wilhelm Specht. Nach Habilitation (1956) und Gastaufenthalten in Großbritannien und den USA wurde er 1960 auf einen Lehrstuhl für Theoretische Physik an die (damalige) Technische Hochschule (ab 1967 Universität) Stuttgart berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1995 forschte und lehrte.

Als Pionier der theoretischen Festkörperphysik in den 1950er­-Jahren arbeitete Haken mit Walter Schottky zusammen. Bei seinem Forschungsaufenthalt 1960 in den Bell­ Laboratories in den USA erlebte Haken die Geburtsphase des Lasers mit. In Stuttgart entwickelte er die Quantentheorie des Lasers, zeitgleich mit und unabhängig von Willis Lamb jr. In den 1960er­-Jahren formulierte er gemeinsam mit Wolfgang Weidlich und Hannes Risken die Theorie aus, die 1970 mit dem Buch „Laser Theory“ ihren Abschluss erreichte.

Mit seinem Schüler Robert Graham erkannte Haken Ende der 1960er-­Jahre, dass sich der Laserübergang als ein Phasenübergang interpretieren lässt. Der Laser ist dabei ein offenes System fern ab vom thermodynamischen Gleichgewicht. In diesem Nichtgleichgewicht können neuartige, kooperative Prozesse entstehen. Diese „offenen“, von außen angetriebenen Systeme kommen in der Natur viel häufiger vor als „abgeschlossene“ Systeme.

Haken widmete sich im Laufe der 1970er-Jahre zunehmend dem von ihm maßgeblich begründeten Forschungsgebiet der Synergetik. Dieses befasst sich, in seinen Worten „mit Systemen, die aus vielen Subsystemen wie Atomen, Molekülen, Photonen, Zellen usw. bestehen [und zeigt] wie die Kooperation der Subsysteme durch Selbstorganisation räumliche, zeitliche oder funktionale Strukturen auf einer makroskopischen Skala hervorbringt“.

Ausgehend von Lev Landaus Arbeiten entwickelte Haken eine mathematische Theorie, die zeigte, dass sich offene Systeme in der Nähe von Phasenübergangspunkten durch wenige Ordnungsparameter beschreiben lassen – trotz ihrer Komplexität. Dies bewirkte eine enorme Dimensionsreduktion, sodass es möglich wurde unterschiedlichste Themen aus Physik, Biologie, Chemie, Medizin, Soziologie und später auch der Neurologie quantitativ behandeln.

Als einer der ersten Forscher erkannte Haken die Bedeutung der „Lorenz-­Gleichungen“, einen der Ausgangspunkte für die Ende der 1970er-Jahre aufkommende Chaosforschung. Schon 1975 zeigte er, dass diese Gleichungen und die Laser­-Gleichungen eine analoge Struktur besitzen.

Wolfgang Weidlich und Bernd Kröger • 7/2012 • Seite 63

Hermann Haken zum 85. Geburtstag

Hermann Haken • 9/2014 • Seite 75

Wolfgang Weidlich: Grundkonzepte der Physik

Robert Graham • 9/2009 • Seite 43

Von der Laserschwelle zum Quantenphasenübergang

Ab Ende der 1980er­-Jahre befasste sich Haken mit dem Gehirn, das er als synergetisches System betrachtete. Dabei interessierte ihn die Entstehung und ­Erkennung von Mustern ebenso wie Phänomene der Epilepsie oder die Analyse von Bewegungsvorgängen.

Die große Bandbreite von Hermann Hakens Forschungen schlug sich in mehr als 500 wissenschaftlichen Veröffentlichungen und 23 Büchern nieder, von denen sein bekanntestes die „Erfolgsgeheimnisse der Natur“ (1981) sein dürfte. Besonders einflussreich waren neben seinen Monographien zur Synergetik die mit Hans Christoph Wolf verfassten Lehrbücher „Atom- und Quantenphysik“ (1980) sowie „Molekülphysik und Quantenchemie“ (1992). Zuletzt veröffentlichte zusammen mit dem Informatiker Paul Levi das Buch „Synergetic Agents“ (2012).

Haken war ein überzeugter Hochschullehrer, der mehr als 50 Doktoranden betreute, von denen elf Lehrstühle an Universitäten im In- und Ausland inne haben. Bis 1976 war Haken erster Vorsitzender der 1973 gegründeten DPG-Arbeitsgruppe Quantenoptik, die als Teil des Fachverbandes Quantenoptik und Photonik zur Sektion Atome, Moleküle, Quantenoptik und Photonik (SAMOP) gehört. Er erhielt zahlreiche Ehrungen, unter anderem zeichnete ihn die DPG 1976 mit dem Max-Born-Preis aus. 1984 wurde er in den Orden Pour le Mérite aufgenommen. 1990 erhielt er mit der Max-Planck-Medaille die höchste Auszeichnung der DPG für theoretische Physik.

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