27.04.2022

Hirnstrom-Elektroden aus dem Drucker

Erfolgreiches Drucken einer elektrisch leitfähigen Tinte auf weiches Folienmaterial.

Auf der Haut angebrachte Elektroden sind das Kernelement sowohl für die Elektro­enzephalographie (EEG) als auch für die Elektro­myographie (EMG). Neben einer guten elektrischen Leitfähigkeit müssen die eingesetzten Elektroden auch hautverträglich sein und einen geringen Haut-Elektroden-Widerstand aufweisen. Heutige Standard­elektroden sind aus Metall gefertigt und mit einer leitfähigen Gelschicht versehen, welche einen großflächigen elektrischen Kontakt zwischen der Metalloberfläche und der zerklüfteten Hautoberfläche herstellt. Bei Langzeit­messungen kann das Gel austrocknen und eine zuver­lässige Messung am Patienten verhindern. Im erfolgreich beendeten BMBF-Forschungsprojekt „NanoEDGE“ wurde ein alternativer Ansatz verfolgt – basierend auf der Annahme, dass sich ein niedriger Haut-Elektroden-Widerstand auch ohne Einsatz eines Gels realisieren lässt.

Abb.: Anschmiegsame, gedruckte Elektroden für die Ableitung von EEG- und...
Abb.: Anschmiegsame, gedruckte Elektroden für die Ableitung von EEG- und EMG-Signalen. (Bild: Fh.-IBMT)

Die Elektrode muss sich dafür gut an die zerklüftete Hautoberfläche anschmiegen und so eine große Kontaktfläche bilden. Zu diesem Zweck wird die Hautelektrode als dünne elektrisch leitfähige Schicht realisiert, die auf eine dünne und mechanisch flexible Kunststoff­folie gedruckt ist. Die Herstellung der Hautelektrode umfasst das Drucken einer elektrisch leitfähigen Tinte auf weiches Folienmaterial, gefolgt vom Zuschneiden und Laminieren einer für das Aufkleben auf die Haut geeigneten Isolations­schicht. Vor allem die Dicke der einzelnen Schichten sowie die Gesamtdicke bestimmen hierbei die Kopplung der Elektroden mit der Haut und damit das erreichbare Signal-Rausch-Verhältnis. Die nur wenige Mikrometer dünnen Elektroden in Kombination mit kostengünstiger, minia­turisierter Elektronik dienen als Bausteine für eine neue Generation tragbarer Sensoren.

Das NanoEDGE-Projektteam untersuchte die Eignung verschiedener Tinten hinsichtlich ihrer Anwendung als Hautelektroden. Zunächst wurde die Druckbarkeit verschiedener Kohlenstoff-, Graphen- und Silber­tinten per Inkjet-Drucker auf einer achtzig Mikrometer dünnen Folie aus Polyurethan bewertet. Weiterhin wurden die Abrieb­festigkeit, die elektrische Leitfähigkeit und die Hautver­träglichkeit der gedruckten Strukturen untersucht. Um die Druckbarkeit zu verbessern, wurde nachträglich die Zusammen­setzung einer kommerziellen Graphentinte verändert. Die bewerteten Tinten umfassten insgesamt vier Silbertinten und fünf Graphen- oder Kohlenstofftinten. Während sich wie erwartet die Silbertinten als zellschädigend erwiesen, eigneten sich die Tinten auf Graphen- oder Kohlenstoff­basis, einschließlich der modifizierten Graphentinte, für den späteren Einsatz als Haut­elektroden. Die Höhe der elektrischen Leitfähigkeit der mit Graphen- bzw. Kohlenstoff­tinten hergestellten Elektroden und Leiterbahnen erwies sich jedoch als unzureichend. Erfolgreich war schließlich der Ansatz, biokompatible Elektroden mit ausreichend hoher elektrischer Leitfähigkeit durch das Drucken einer biokompatiblen Kohlenstoff­schicht auf eine hoch leitfähige Silber­unterschicht zu realisieren. Zytotoxizitäts­tests zeigten, dass der biokompatible Kohlenstoff in dieser Mehrfach­schicht das zell­schädigende Silber ausreichend abdeckt.

Die im Laufe des Projekts erar­beiteten Druckprozesse wurden schließlich beim Projekt­partner Notion Systems in Schwetzingen auf einen Industriedrucker transferiert, der ein Drucken im Hochdurchsatz gestattet. Das Drucken der Elektroden­strukturen im industriellen Maßstab erfolgte mit einem n.jet-Drucker von Notion Systems mit industriellen Druckköpfen. Die Projektpartner der Universität Tel Aviv erbrachten den Nachweis der Eignung der gedruckten Elektroden sowohl für die EMG- als auch für die EEG-Signal­ableitung. Dabei kamen jeweils anwendungs­spezifische Elektroden­geometrien zum Einsatz. Hierzu entwickelten die Sensomedical Labs in Nazareth eine minia­turisierte Sensor­elektronik zum Aufbau kompletter Monitoring­systeme.

Eine eigens entwickelte Messmethode und Vorrichtung zur Charak­terisierung der Steifigkeit gedruckter Elektroden half dabei, mit unterschiedlichen Tinten gedruckte Strukturen auf ihre mechanische Verform­barkeit hin zu untersuchen. Durch den Vergleich der mit dieser Methode ermittelten Verform­barkeiten mit dem Signal-Rausch-Verhältnis der abgeleiteten EEG-Signale konnte erstmals gezeigt werden, dass die Eignung von Hautelektroden zur Ableitung von EEG-Signalen mit der mechanischen Verformbarkeit der Elektroden korreliert. Dieses Ergebnis stützt die dem Forschungs­projekt zugrundeliegende Hypothese, dass die möglichst gute Anpassung der Elektroden an die Kontur der Haut einen entscheidenden Faktor für die rauscharme Ableitung von EEG-Signalen darstellt.

Das Fraunhofer-Institut für Biomedizi­nische Technik IBMT war im Projekt für die mechanische und biologische Charak­terisierung der verschiedenen Tinten, die Konzeption der Prozesskette sowie die Entwicklung der Druck­prozesse verantwortlich. Als Projekt­ergebnis steht nun eine auf Graphen und Industrieruß basierte Tinte für den Inkjet-Druck zur Verfügung, die die erwartete elektrische Leit­fähigkeit und eine gute Haftung auf PU-Folien aufweist. Weiterhin sind die Evaluierungs­ergebnisse verschiedener kommerzieller Silber- und Kohlenstofftinten bezüglich Druckbarkeit, Biokompa­tibilität und elektrischer Leitfähigkeit verfügbar.

Fh.-IBMT / JOL

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