08.04.2010

Kein Königsweg

Das Wissenschaftsjahr „Zukunft der Energie“ bietet vielfältige Möglichkeiten, sich zu informieren und mitzumachen.

Das Wissenschaftsjahr „Zukunft der Energie“ bietet vielfältige Möglichkeiten, sich zu informieren und mitzumachen.

Nach dem überaus erfolgreichen „Jahr der Physik“ 2000 als Einstieg in die Wissenschaftsjahre und deren konsequenter Fortsetzung entlang der Disziplinen stehen ab 2010 interdisziplinäre Themen im Fokus. Zum Auftakt hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung – unterstützt von den „Premiumpartnern“ Wissenschaft im Dialog und Helmholtz-Gemeinschaft – das Wissenschaftsjahr 2010 unter das Motto „Zukunft der Energie“ gestellt. Warum eignet sich dieses Megathema exzellent für ein Wissenschaftsjahr?

Heute herrscht Konsens darüber, dass die sichere, umwelt- und klimafreundliche Bereitstellung von Energieträgern zu erschwinglichen Preisen eine der wichtigsten, vielleicht sogar die wichtigste Aufgabe unserer globalen Gemeinschaft ist. Jeder, der einmal die Folgen eines Stromausfalls am eigenen Leib verspürt hat, weiß, wie wichtig eine sichere Energieversorgung ist. Dass die Energiekosten auch eine wesentliche Rolle spielen, merkt man regelmäßig an Tankbelegen und Stromrechnungen. Besonders schmerzhaft werden sie bewusst, wenn etwa Industriebetriebe aufgrund der Energiekosten abwandern und in der Folge Arbeitsplätze und Steuereinnahmen verschwinden. Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahrzehnten gelernt, dass eine Energiebereitstellung „um jeden Preis“ keinesfalls der Weisheit letzter Schluss ist, denn anthropogene Klimaerwärmung, Umweltschäden und Ressourcenverschwendung sind Aspekte höchster Priorität, wenn wir unseren Nachfahren nicht irreparable Schäden und unlösbare Probleme hinterlassen wollen. Soweit sind wir uns wohl einig.

 

Abb.: Meinung von Eberhard Umbach, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft für den Forschungsbereich Energie. Eberhard Umbach war von 2006 bis 2008 Präsident und von 2008 bis 2010 Vizepräsident der DPG.

  

Wie schnell die Aufgabe einer kostengünstigen und nachhaltigen Energieversorgung zu lösen und – vor allem – welcher Lösungsweg der beste ist, darüber gehen die Ansichten allerdings weit auseinander. Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht unzählige Reden, Zeitungsbeiträge, Rundfunk- oder Fernsehsendungen ausführlich mit Energiefragen beschäftigen. Viele Äußerungen kumulieren in der Aussage, dass ein bestimmter Weg das Problem vollständig lösen würde, wenn man diesen Königsweg nur konsequent genug ginge und nicht den profitorientierten Interessen der Energieversorger oder – wahlweise – den ideologisch geprägten Ansichten der Verfechter alternativer Lösungen zu viel Gehör schenkte. Die Folge sind heftige, meist stark polarisierte Auseinandersetzungen, hierzulande häufig mit einem beträchtlichen Schuss Sendungsbewusstsein und mit besonderer Verbissenheit geführt.

Beängstigend dabei ist, dass wir nichts aus der Geschichte gelernt zu haben scheinen. Denn eigentlich sollten wir wissen, dass unsere Fähigkeit, die für die Zukunft besten Lösungen vorherzusehen, ziemlich beschränkt und vor allem risikobehaftet ist. Auch wenn wir heute glauben, den besten Weg zu kennen, weiß niemand mit Sicherheit, ob dieser Weg auch noch in 20 oder 50 Jahren optimal ist – bei dann geänderten politischen, ökonomischen, klimatischen, ökologischen und wissenschaftlich-technischen Randbedingungen und Einsichten. Wenn wir also heute glauben, dass z. B. erneuerbare Energien, Smart Grids, elektrische Speicher und Elektromobilität der Königsweg sind, so sollten wir diese Themen mit aller Kraft vorantreiben. Wir sollten aber zugleich intensiv an anderen Lösungen arbeiten (z. B. CO2-Trennung und -Speicherung, Biomasseverwertung, Geothermie, Kernfusion) und uns damit alle absehbar vernünftigen Optionen offen halten. Zudem sollten wir nicht vergessen, dass die Energie- und Klimaproblematik ein globales, internationales Thema ist, das nicht mit deutschen Insellösungen in den Griff zu bekommen ist.

Was das alles mit dem Jahr der Energie zu tun hat? Sehr viel, denn wir brauchen wesentlich mehr Aufklärung, fundierte Informationen und offene Diskussionen zu diesem komplexen Thema. Alle damit befassten Naturwissenschaftler und Ingenieure, Juristen, Sozioökonomen u. a. sollten sich intensiver miteinander austauschen und vor allem mehr mit den z. T. unzureichend informierten Mitbürgern auseinandersetzen. Ein offener Wissenstransfer und eine Diskussion möglichst ohne Polarisierung sind vielleicht ausschlaggebend, wenn wir die gewaltigen Aufgaben in der Klima- und Energieproblematik bewältigen wollen. Vor allem aber müssen wir die jungen Menschen ansprechen, informieren und für die Lösung der Probleme begeistern, nicht nur weil wir sie bei Lösungsansätzen oder als Nachwuchsforscher brauchen, sondern vor allem, weil es letztlich um deren Zukunft geht. Das Jahr der Energie liefert dafür vielfältige Möglichkeiten, über das ganze Jahr und das Land verteilt. Informieren Sie sich und machen Sie mit – aktiv oder passiv, als Fachmann oder als Laie! Nutzen Sie die Gelegenheit, sich für dieses eminent wichtige Thema zu engagieren!

Eberhard Umbach

Quelle: Physik Journal, April 2010, S. 3


 AH

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