11.01.2023 • PlasmaKernphysikEnergie

Kernfusions-Simulation wird Vorreiter beim Übergang zu Exascale-Supercomputern

Simulationscode GENE macht digitale Zwillinge von Kernfusions-Experimenten möglich.

Die Plasmaphysik ist seit den 1960er Jahren einer der wichtigsten Treiber für die Weiterentwicklung von Höchstleistungsrechnern. Das liegt daran, dass Plasmen hochkomplexe Gebilde sind, die sich nicht mit einfachen physikalischen Modellen erfassen lassen. Als Werkzeug für die Plasmaforschung starteten deshalb schon 1960 das Rechenzentrum Max Planck Computing and Data Facility (MPCDF) in Garching sowie 1974 das National Energy Research Supercomputer Center (NERSC) in den USA. Und als der US-Supercomputer Roadrunner am Los Alamos National Laboratory 2009 als erster die Petascale-Grenze durchbrach spielte ein Plasma-Simulationscode namens VPIC dabei eine wichtige Rolle.

Abb.: Größenvergleich von ASDEX Upgrade (links), JET (vorn rechts) und ITER...
Abb.: Größenvergleich von ASDEX Upgrade (links), JET (vorn rechts) und ITER (hinten). Der Rechen­aufwand steigt von einem Experiment zum nächsten jeweils etwa um das Zehnfache. (Bild: IPP)

Beim jetzt bevorstehenden Sprung in Sachen High Performance Computing werden wieder Plasma-Modellierungen zu den Vorreiter-Anwendungen gehören: Es geht um den Start der ersten Exascale-Rechner in Europa. Von 2024 an wird es in Europa Supercomputer geben, die diese Schwelle überschreiten. Die Europäische Kommission stellt insgesamt mehr als sieben Millionen Euro zur Verfügung, um vier Simulationscodes für Plasmen auf das Exascale-Zeitalter vorzubereiten.

2,14 Millionen Euro von der Fördersumme gehen an den Standort Garching bei München: Das MPI für Plasmaphysik, die Max Planck Computing and Data Facility und die TU München werden damit gemeinsam den GENE-Code auf ein neues Niveau heben. GENE – Gyrokinetic Electromagnetic Numerical Experiment – ist ein Open-Source-Code, der weltweit besonders für die Erforschung von Kernfusionsplasmen genutzt wird.

„GENE kann mit den heutigen Möglichkeiten bereits die physikalischen Ursachen für experimentelle Ergebnisse erklären, die wir zum Beispiel mit unserem Fusionsexperiment ASDEX Upgrade am IPP erzielen“, erklärt Frank Jenko, Leiter des Bereichs Tokamaktheorie am IPP. Er hat 1999 die erste Version von GENE geschrieben und den Code seitdem mit internationalen Teams stetig weiterentwickelt. „Mit einer Exascale-Version von GENE machen wir jetzt den Schritt von der Interpretation hin zur Vorhersage von Experimenten. Wir wollen ein virtuelles Fusionsplasma erschaffen, quasi den digitalen Zwilling einer realen Anlage“, erläutert Jenko das Ziel.

Ihm und seinen Kooperationspartnern geht es dabei auch um ITER, das größte Fusionsexperiment der Welt, das derzeit im südfranzösischen Cadarache gebaut wird. ITER soll zehn Mal mehr Fusionsleistung erzeugen als an Heizleistung hineingesteckt werden muss. Die Anlage ist als Vorstufe eines künftigen Fusionskraftwerks konzipiert, das dann tatsächlich Strom liefern soll. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Wissenschaftler eine Vielzahl von experimentellen Parametern bei ITER so einstellen, dass sie eine möglichst günstige Kombination finden – was allein durch Ausprobieren wahrscheinlich viele Jahre dauern würde. Ein optimierter GENE-Code soll die Fusionsforschung deutlich beschleunigen. Mit ihm werden die Wissenschaftler Konfigurationen vorab durchrechnen und viele vorab ausschließen können.

„Leider reicht es nicht, die bisherigen Programme einfach auf die neuen Computer zu transferieren“, sagt Jenko. „Leistungssprünge bei neuen Supercomputern werden heute maßgeblich durch neue Hardware-Architekturen ermöglicht. Nur wenn wir unsere Codes darauf abstimmen, können wir auch wirklich schneller rechnen. Heutige Superrechner erzielen ihre Leistungssteigerung, indem sie immer mehr Rechenaufgaben parallel abwickeln und indem sie neben klassischen Prozessoren verstärkt auch Grafikprozessoren einsetzen, die aber beide unterschiedliche Stärken besitzen.“

Um den GENE-Code auf künftige Rechnergenerationen vorzubereiten, gehören zu seinem Team deshalb auch Fachleute, die an der Konzeption künftiger Hardwaregenerationen mitwirken. Co-Design heißt diese Kollaboration in der Branche. Von dem Projekt wird am Ende nicht nur die Fusionsforschung profitieren. „Mit dem GENE-Code sind wir Vorreiter beim Übergang zu Exascale-Rechnern“, sagt Jenko. „Was wir dabei lernen, wird auch Entwicklern anderer Programme helfen.“

IPP / RK

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