22.12.2021

Klima im Detail modellieren

Forschungsprojekt soll verfügbare Messdaten aus fünfzig Jahren integrieren.

Ein Forschungsprojekt der Universität Hamburg soll einen Quantensprung in der Qualität von Klima­modellierungen ermöglichen. Dafür fließen erstmals alle verfügbaren Mess- und Beobachtungs­daten der vergangenen fünfzig Jahre weltweit ein. Die Deutsche Forschungs­gemeinschaft fördert das Projekt mit 1,25 Millionen Euro. Der Ozeanograph Detlef Stammer vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg bekommt die Förderung im Rahmen eines Reinhart-Koselleck-Projekts als Einzelperson zugesprochen. Mit solchen Projekten fördert die Deutsche Forschungs­gemeinschaft (DFG) besonders innovative und in einem positiven Sinn risikobehaftete Forschungs­ansätze.

 

Abb.: Detlef Stammer von der Universität Hamburg bekommt 1,25 Millionen Euro...
Abb.: Detlef Stammer von der Universität Hamburg bekommt 1,25 Millionen Euro für die Entwicklung eines neuen Klima­rechen­modells. (Bild: D. Ausserhofer / UHH)

„In ein solches neues Klimamodell werden alle verfügbaren Messdaten und Beobachtungs­daten einfließen, die uns derzeit vorliegen, um das Modell realistischer zu machen“, sagt Stammer. Dafür sollen sämtliche vorhandenen Daten der vergangenen fünfzig Jahre über die Atmosphäre, den Ozean, den Boden oder das Meereis in das Modell eingespeist werden, zum Beispiel Temperatur, Niederschlag oder Kohlenstoff­gehalt – weltweit und in unzähligen Zeitschritten. Ein Mammutprojekt.

Einen Namen hat das Vorhaben auch schon: EARTHRA. Dies steht für Erdsystem-Reanalyse. Das Ziel ist, das Klima der vergangenen fünfzig Jahre so zu simulieren, dass das Modell mit möglichst allen tatsächlichen Klima­beobachtungen übereinstimmt. Gelingt dies, würde sich ein riesiger Fundus an Wissen über die Vergangenheit eröffnen, denn das Modell könnte auch fehlende Messdaten ergänzen. Zudem würde es Klima­vorhersagen für die Zukunft substanziell verbessern, und Wechsel­wirkungen und Fernwirkungen von Klima-Phänomenen könnten systematischer als bisher erforscht werden. „Wenn wir erfolgreich sind, wird das die weltweite Klima­modellierung enorm voranbringen. Auf solch ein Instrument hat die Forschungs­gemeinde lange gewartet. Ich freue mich sehr, dass wir jetzt beginnen können“, so Stammer.

Universitätspräsident Dieter Lenzen gratuliert: „Die Förderung im Rahmen der Reinhart-Koselleck-Projekte der DFG zeigt einmal mehr die Spitzenklasse der Klimaforschung an der Universität Hamburg. Gerade dieser innovative Forschungs­ansatz von Stammer wird die Datenlage in der Klimaforschung maßgeblich voranbringen.“

Zunächst gilt es jedoch, methodische Herausforderungen anzugehen. Ein Erdsystemmodell setzt sich aus mehreren Teil­modellen zusammen. Es gibt beispielsweise je ein Modell für die Atmosphäre, den Ozean, die Vegetation – oder auch für Stoff­kreisläufe wie den Kohlenstoff­kreislauf auf der Erde. In jedem Teilmodell werden die physikalischen oder chemischen Prozesse möglichst genau durch mathematische Formeln beschrieben. Doch auch das detaillierteste Rechen­modell bleibt stets eine Vereinfachung der realen Welt und produziert deshalb auch Fehler. So ist es möglich, dass sich die neu eingespeisten Daten an verschiedenen Stellen widersprechen und dadurch auf Modell­probleme hinweisen. „Solche Unstimmigkeiten werden wir nutzen, um das Rechen­modell weiter zu verbessern, zum Beispiel indem wir gezielt bestimmte Parameter des Modells anpassen“, sagt Stammer.

In dieser Weise werden die Forscher verschiedene Bereiche testen und überprüfen, welche Bausteine im weltweiten Klima­rechenmodell verbessert werden müssen. Mithilfe der DFG-Förderung kann Stammer dafür über einen Zeitraum von fünf Jahren mehrere Stellen schaffen. Detlef Stammer ist Direktor des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) und Sprecher des Exzellenz­clusters „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg sowie Leiter des World Climate Research Programme (WCRP).

U. Hamburg / DE

 

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