Klimaanpassung – aber wie?
Forschungsteam entwickelt Kompass für eine erfolgreiche Anpassung an die Klimaänderung.
Die Anpassung an den Klimawandel rückt weltweit immer stärker in den Mittelpunkt. Dabei ist entscheidend sicherzustellen, dass diese Bemühungen effektiv sind und unbeabsichtigte negative Folgen vermieden werden. Ein internationales Forschungsteam unter maßgeblicher Beteiligung der Uni Bonn hat für diesen Prozess jetzt das Rahmenwerk „Navigating the Adaptation-Maladaptation Continuum“ NAM entwickelt. Das Werkzeug soll bei Entscheidungsprozessen für Klimaanpassungsmaßnahmen helfen, sowie eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft fördern.
Durch die Analyse von Anpassungsmaßnahmen anhand von sechs verschiedenen Kriterien zielt das NAM-Rahmenwerk darauf ab, sowohl erfolgreiche Anpassungspraktiken als auch potenzielle Fehlanpassungsrisiken zu identifizieren. Mithilfe des NAM-Rahmens können Entscheidungsträger innerhalb jedes Kriteriums spezifische Faktoren für eine erfolgreiche Anpassung oder eine Fehlanpassung identifizieren. So besteht beispielsweise bei Optionen, die die Auswirkungen auf einkommensschwache Bevölkerungsgruppen oder ethnische Randgruppen nicht berücksichtigen, häufig die Gefahr einer Fehlanpassung. Andererseits können Anpassungsoptionen, die zu Klimaschutzzielen beitragen, wie etwa die Wiederherstellung der Natur und die Kohlenstoffbindung, einen erheblichen Zusatznutzen haben.
Das NAM-Rahmenwerk bietet einen mehrdimensionalen Ansatz zur Bewertung von Klimaanpassungsmaßnahmen. Es ermöglicht nicht nur eine umfassende Bewertung der Ergebnisse, sondern ermutigt die Entscheidungsträger auch dazu, sich entlang des Kontinuums von Anpassung und Nichtanpassung zu bewegen. Durch die Anwendung dieses Ansatzes können Anpassungsmaßnahmen als Teil eines breiteren Weges betrachtet werden, der Synergien, Kompromisse und Konflikte optimiert und gleichzeitig die Entscheidungsfindung unter Beteiligung mehrerer Interessengruppen fördert.
„Das NAM-Rahmenwerk plädiert für eine Abkehr von einer engen, kurzfristigen Perspektive, die ausschließlich die unmittelbare Wirksamkeit in den Vordergrund stellt“, sagt Diana Reckien von der Uni Twente in den Niederlanden. Stattdessen werde eine ganzheitlichere Betrachtung der langfristigen Auswirkungen und der miteinander verknüpften Reaktionen gefordert. „Mit diesem Ansatz lassen sich Anpassungsmaßnahmen besser mit weiter gefassten Klimazielen in Einklang bringen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.“
„Von Fehlanpassung spricht man, wenn Strategien zur Anpassung an den Klimawandel umgesetzt werden und die Situation der Menschen verschlechtern, anstatt sie zu verbessern”, sagt Lisa Schipper von der Uni Bonn. Empirische Belege zeigen, so Schipper, dass viele Anpassungsbemühungen auf der ganzen Welt zu Fehlanpassungen führen. Die meisten Fehlanpassungen können jedoch erst im Nachhinein erkannt werden, wenn sie bereits eingetreten sind. „Unsere Arbeit stellt einen Durchbruch in der Denkweise dar, indem es einen Rahmen bereitstellt, der es Praktikern und Forschern ermöglichen kann, Fehlanpassungen zu erkennen, bevor sie auftreten”, sagt die Forscherin, „das wird hoffentlich auch dazu beitragen, Befürchtungen von Geldgebern hinsichtlich des Risikos von Anpassungsfehlern zu zerstreuen.”
Die Kriterien des NAM entstanden nach einer umfassenden Bewertung der Literatur zu Fehlanpassungen und Anpassungen, die Teil der Arbeit am 6. Bewertungsbericht des Weltklimarats IPCC war. Sie zeigen, dass das Risiko einer Fehlanpassung verringert werden kann, wenn diejenigen, die am stärksten durch die Auswirkungen des Klimawandels gefährdet sind, von Anpassungskonzepten profitieren können. „Das erfordert eine Umkehrung des üblichen Ansatzes, bei dem Geldgeber und externe Akteure sowie wohlhabende Eliten Entscheidungen treffen und Anpassungsprojekte durchführen, ohne diejenigen zu konsultieren oder einzubeziehen, die vom Klimawandel betroffen sein werden“, erläutert Schipper. Der NAM diene als Kompass, um herauszufinden, wie diese Art von Praktiken das Risiko einer Fehlanpassung beeinflussen kann, und bietet somit die Möglichkeit, Anpassungsstrategien zu überdenken und neu zu planen.
U. Bonn / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
D. Reckien et al.: Navigating the continuum between adaptation and maladaptation, Nat. Climate Change, online 21. August 2023; DOI: 10.1038/s41558-023-01774-6 - AG Schipper, Geographische Entwicklungsforschung, Geographisches Institut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn