Klimawandel im Ozean
Das Phänomen mariner Hitzewellen, lange Perioden mit extrem hohen Meerestemperaturen, nimmt dramatisch zu.
Vor dem Hintergrund eines steigenden Energiebedarfs haben die 196 Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen gemeinsam am 15. Dezember 2015 in Paris ein ambitioniertes Ziel festgehalten: die globale Erwärmung seit Beginn der Industrialisierug auf deutlich unter 2 °C zu beschränken, wenn möglich auf unter 1,5 °C. Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel in Climate Change, IPCC) hat daraufhin einen Sonderbericht (www.ipcc.ch/sr15/) ausgearbeitet. Dieser soll anhand unseres heutigen Wissens die Folgen einer Erwärmung um 1,5 °C beurteilen, aber auch Wege zum Erreichen dieses Ziels aufzeigen.
Die Erwärmung seit vorindustrieller Zeit beträgt derzeit circa 1 °C, die bereits emittierten Treibhausgase werden diesen Wert noch zwei, drei Zehntelgrade nach oben drücken. Wenn wir von heute auf morgen die Emissionen auf Null senken würden, dann würde die Erwärmung vermutlich unterhalb von 1,5 °C bleiben. Zumindest theoretisch wäre diese Grenze also noch zu erreichen – allerdings bewegen wir uns im Moment eher auf einem Erwärmungskurs von 3 bis 4 °C.
Viele Auswirkungen des Klimawandels sind bereits jetzt, bei einer Erwärmung von global einem Grad, spürbar – sie werden zukünftig noch stärker werden. Ob 1,5 oder 2 °C, macht aber durchaus einen Unterschied. Einige Risiken steigen überproportional mit dem globalen Erwärmungsbetrag an, beispielsweise die Gefährdung mancher Ökosysteme. So könnten sich bei einer Zwei-Grad-Erwärmung im Mittelmeerraum Wüsten ausbreiten, und der unter Wassermangel leidende Anteil der Bevölkerung würde sprunghaft steigen.
Ein zweiter Unterschied betrifft das Erreichen kritischer Schwellen. Der Bericht geht davon aus, dass die Stabilität der Eisschilde Grönlands und der Antarktis ab einer Erwärmung zwischen 1,5 und 2 °C gefährdet ist. Auch beim Permafrost könnte eine kritische Schwelle erreicht werden, die riesige Permafrostflächen auftauen lassen. Schließlich spielt der Faktor Zeit eine Rolle. Der Meeresspiegel wird zwar noch lange ansteigen, nachdem die Temperatur der Atmosphäre bereits stabilisiert ist, aber bei einer Erwärmung um 1,5 °C wäre der Anstieg global nicht nur um 0,1 m geringer, sondern auch langsamer, sodass mehr Zeit für Anpassungsmaßnahmen bliebe.
Gerade die Ozeane werden beim Auflisten der Konsequenzen des Klimawandels oft vergessen. Dabei leiden marine Ökosysteme doppelt – einerseits unter der Erwärmung, andererseits unter der Versauerung durch das zusätzlich im Wasser gelöste CO2. Während manche Fischarten in kühlere Regionen wandern können, ist dies für andere Spezies wie zum Beispiel Korallen nicht so schnell möglich. Die tropischen Korallenriffe werden bei einer globalen Erwärmung von 2 °C quasi vollständig, bei 1,5 °C „nur“ zu 70 bis 90 % verschwinden.
In seinem Beitrag in Physik in unserer Zeit, Heft 2/2019 auf S. 64, erklärt Thomas Frölicher, Klimaforscher an der Universität Bern, dass „marine Hitzewellen“ – wochenlange Perioden mit abnormal hohen Meerestemperaturen in einem größeren Gebiet – dabei eine besondere Rolle spielen. Von solchen Hitzewellen können sich Ökosysteme zum Teil gar nicht mehr erholen und kollabieren, so geschehen bei Kelpwäldern vor der Küste Australiens oder bei einigen Korallenriffen.
Thomas Frölicher zeigt, dass marine Hitzewellen in den letzten Jahrzehnten sehr stark zugenommen haben, sogar schneller als Hitzewellen über Land. Erstere werden überdies bei einer globalen Erwämung von 2 °C deutlich stärker zunehmen als bei 1,5 °C. Und noch etwas zeigen Frölichers Artikel und der Bericht des Weltklimarats: Ein „Überschießen“ des Klimaziels – also eine zeitweilig größere Erwärmung, um danach auf die angepeilten 1.5 °C zurückzusinken – wird unliebsame Konsequenzen haben. Denn manche Veränderungen sind irreversibel, wie das Sterben der Korallenriffe. Übrigens: Beim derzeitigen Kurs wird eine globale Erwärmung von 1,5 °C zwischen etwa 2030 und 2050 erreicht sein. Es ist also höchste Zeit, zu handeln. Wollen wir 1,5 °C einhalten, müssen wir die Emissionen von Treibhausgasen bis um 2050 auf Null senken.
Stefan Brönnimann forscht als Professor für Klimatologie an der Universität Bern an großräumigen Klimaschwankungen. Er war Leitautor im fünften Sachstandsbericht des IPCC und ist Kurator von Physik in unserer Zeit.
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