Klimawandel mit künstlicher Photosynthese begrenzen
Module von etwa 30.000 Quadratkilometern könnten jährlich zehn Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre entnehmen.
Wenn die CO2-Emissionen nicht rasch genug sinken, muss künftig CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, um die globale Erwärmung zu begrenzen. Nicht nur Aufforstung oder Biomasse, sondern auch neue Technologien für künstliche Photosynthese könnten dazu beitragen. Ein Forscher des Helmholtz-Zentrums Berlin und eine Forscherin der Uni Heidelberg haben überschlagen, welche Flächen solche Lösungen benötigen. Die künstliche Photosynthese könnte CO2 zwar effizienter binden als das natürliche Vorbild, aber noch gibt es keine großen und langzeitstabilen Module.
Um die Klimabilanz auszugleichen, müssten in einem mittleren Szenario ab etwa 2050 mindestens zehn Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entnommen werden. Das Aufforsten oder der Anbau von Biomasse zur CO2-Reduktion konkurriert allerdings um die gleichen Flächen, die auch für Landwirtschaft benötigt werden. Allein mit mehr Biomasse ist es somit schwierig, diese Größenordnung zu erreichen. Denn die natürliche Photosynthese ist kein besonders effizienter Prozess: Maximal zwei Prozent des Lichts können Blätter nutzen, um CO2 und Wasser in neue chemische Verbindungen umzuwandeln. Um zehn Gigatonnen CO2 pro Jahr im Wald zu binden müssten etwa zehn Millionen Quadratkilometer der fruchtbaren Flächen auf der Erde mit neuem Wald bepflanzt werden.
Ähnliche Materialsysteme, wie sie derzeit für die künstliche Photosynthese erforscht werden, könnten deutlich effizienter CO2 binden. Heute schon gibt es im Labormaßstab photoelektrochemische Systeme aus Halbleitermaterialien und Oxiden, die etwa 19 Prozent des Lichts nutzen, um zum Beispiel Wasser zu spalten und damit einen Teilprozess der Photosynthese zu realisieren. Bei dem von Matthias May und Kira Rehfeld anvisierten Materialsystem geht es allerdings nicht um die Erzeugung von Wasserstoff mit Sonnenlicht, sondern darum, CO2-Moleküle zu binden und in stabile chemische Verbindungen umzuwandeln. „Das ist jedoch ein relativ ähnliches Problem aus Sicht der physikalischen Chemie“, sagt May.
Die Voraussetzung ist allerdings, dass es bis 2050 gelingt, großflächige und stabile Module zu entwickeln, die mit Sonnenenergie CO2 aus der Atmosphäre in andere Verbindungen umwandeln. Dann lässt sich der Flächenbedarf dieser Lösung berechnen. Bei einer angenommenen Effizienz von 19 Prozent und 50 Prozent Systemverlusten könnten Module von etwa 30.000 Quadratkilometern schon ausreichen, um jährlich zehn Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen.
„Solche Module könnten in landwirtschaftlich nicht nutzbaren Regionen platziert werden, zum Beispiel in Wüsten. Denn sie benötigen im Gegensatz zu Pflanzen kaum Wasser, um zu funktionieren und die Effizienz leidet nicht unter intensiver Sonneneinstrahlung“, erklärt May. Das entnommene CO2 könnte zu Ameisensäure, Alkohol oder Oxalat umgewandelt werden und mit weiteren Verbindungen zu festen Mineralien reagieren, die gelagert oder sogar in Form von Kunststoff als Baumaterial genutzt werden können.
Auch wenn May und Rehfeld überzeugt sind, dass solche Lösungen näher ins Auge gefasst werden sollten, warnen sie davor, sich auf technische Wunder zu verlassen. Denn noch funktionieren solche Systeme nur im kleinsten Maßstab, sie sind teuer und nicht langzeitstabil. Das zu ändern, erfordert große Investitionen in Forschung- und Entwicklungsarbeit. „Es könnte zwar möglich sein, solche Module zu entwickeln, aber selbst wenn wir sie dann bauen könnten, wird die Umwandlung nach unserer Schätzung mindestens 65 Euro pro Tonne CO2 kosten. Damit verursacht die Entnahme von zehn Gigatonnen CO2 jedes Jahr erneut Kosten von 650 Milliarden Euro. Außerdem können negative Emissionen nur das letzte Mittel sein, um dramatische Klimaentwicklungen zu bremsen. Das Beste wäre, jetzt sofort die Emissionen drastisch zu reduzieren, das wäre sicherer und viel billiger“, sagt May.
HZB / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. M. May & K. Rehfeld: ESD Ideas: Photoelectrochemical carbon removal as negative emission technology, Earth System Dyn. 10,1 (2019); DOI: 10.5194/esd-10-1-2019 - Institut für solare Brennstoffe, Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH
- Palaeoclimate dynamics and variability (K. Rehfeld), Institut für Umweltphysik, Ruprecht-Karls-Universität Heidel