17.01.2019

Klimawandel mit künstlicher Photosynthese begrenzen

Module von etwa 30.000 Quadratkilometern könnten jähr­lich zehn Giga­tonnen CO2 aus der Atmo­sphäre ent­nehmen.

Wenn die CO2-Emissionen nicht rasch genug sinken, muss künftig CO2 aus der Atmo­sphäre entfernt werden, um die globale Erwärmung zu begrenzen. Nicht nur Auf­forstung oder Bio­masse, sondern auch neue Techno­logien für künst­liche Photo­synthese könnten dazu beitragen. Ein Forscher des Helm­holtz-Zentrums Berlin und eine Forscherin der Uni Heidel­berg haben über­schlagen, welche Flächen solche Lösungen benötigen. Die künst­liche Photo­synthese könnte CO2 zwar effi­zienter binden als das natür­liche Vorbild, aber noch gibt es keine großen und lang­zeit­stabilen Module.

Abb.: Die Atmosphäre lässt sich mit einer Bade­wanne ver­gleichen, die nur...
Abb.: Die Atmosphäre lässt sich mit einer Bade­wanne ver­gleichen, die nur bis zum Rand gefüllt werden kann, damit die Erd­erwärmung auf einen bestimmten Wert begrenzt bleibt. Mit nega­tiven Emissionen könnte man einen weiteren kleinen Abfluss schaffen. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, den Hahn zuzu­drehen. (Bild: M. May, HZB)

Um die Klimabilanz auszugleichen, müssten in einem mitt­leren Szenario ab etwa 2050 mindestens zehn Giga­tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmo­sphäre ent­nommen werden. Das Auf­forsten oder der Anbau von Bio­masse zur CO2-Reduk­tion konkur­riert aller­dings um die gleichen Flächen, die auch für Land­wirt­schaft benötigt werden. Allein mit mehr Bio­masse ist es somit schwierig, diese Größen­ordnung zu erreichen. Denn die natür­liche Photo­synthese ist kein besonders effi­zienter Prozess: Maximal zwei Prozent des Lichts können Blätter nutzen, um CO2 und Wasser in neue chemische Ver­bindungen umzu­wandeln. Um zehn Giga­tonnen CO2 pro Jahr im Wald zu binden müssten etwa zehn Millionen Quadrat­kilo­meter der frucht­baren Flächen auf der Erde mit neuem Wald bepflanzt werden.

Ähnliche Materialsysteme, wie sie derzeit für die künstliche Photo­synthese erforscht werden, könnten deut­lich effi­zienter CO2 binden. Heute schon gibt es im Labor­maß­stab photo­elektro­chemische Systeme aus Halb­leiter­materi­alien und Oxiden, die etwa 19 Prozent des Lichts nutzen, um zum Beispiel Wasser zu spalten und damit einen Teil­prozess der Photo­synthese zu reali­sieren. Bei dem von Matthias May und Kira Reh­feld anvi­sierten Material­system geht es aller­dings nicht um die Erzeu­gung von Wasser­stoff mit Sonnen­licht, sondern darum, CO2-Moleküle zu binden und in stabile chemische Ver­bindungen umzu­wandeln. „Das ist jedoch ein relativ ähn­liches Problem aus Sicht der physi­ka­lischen Chemie“, sagt May.

Die Voraussetzung ist allerdings, dass es bis 2050 gelingt, groß­flächige und stabile Module zu ent­wickeln, die mit Sonnen­energie CO2 aus der Atmo­sphäre in andere Ver­bindungen umwandeln. Dann lässt sich der Flächen­bedarf dieser Lösung berechnen. Bei einer ange­nommenen Effi­zienz von 19 Prozent und 50 Prozent System­ver­lusten könnten Module von etwa 30.000 Quadrat­kilo­metern schon aus­reichen, um jähr­lich zehn Giga­tonnen CO2 aus der Atmo­sphäre zu ent­nehmen.

„Solche Module könnten in landwirtschaftlich nicht nutz­baren Regionen platziert werden, zum Beispiel in Wüsten. Denn sie benötigen im Gegen­satz zu Pflanzen kaum Wasser, um zu funktio­nieren und die Effi­zienz leidet nicht unter inten­siver Sonnen­ein­strahlung“, erklärt May. Das ent­nommene CO2 könnte zu Ameisen­säure, Alkohol oder Oxalat umge­wandelt werden und mit weiteren Ver­bindungen zu festen Mineralien reagieren, die gelagert oder sogar in Form von Kunst­stoff als Bau­material genutzt werden können.

Auch wenn May und Rehfeld überzeugt sind, dass solche Lösungen näher ins Auge gefasst werden sollten, warnen sie davor, sich auf tech­nische Wunder zu ver­lassen. Denn noch funktio­nieren solche Systeme nur im kleinsten Maßstab, sie sind teuer und nicht lang­zeit­stabil. Das zu ändern, erfordert große Investi­tionen in Forschung- und Ent­wick­lungs­arbeit. „Es könnte zwar möglich sein, solche Module zu ent­wickeln, aber selbst wenn wir sie dann bauen könnten, wird die Umwand­lung nach unserer Schätzung mindestens 65 Euro pro Tonne CO2 kosten. Damit ver­ursacht die Ent­nahme von zehn Giga­tonnen CO2 jedes Jahr erneut Kosten von 650 Milliarden Euro. Außerdem können nega­tive Emissionen nur das letzte Mittel sein, um drama­tische Klima­ent­wick­lungen zu bremsen. Das Beste wäre, jetzt sofort die Emissionen drastisch zu redu­zieren, das wäre sicherer und viel billiger“, sagt May.

HZB / RK

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