Konvektionsströmungen schwerelos erforschen
Parabelflüge sollen Informationen für Entwicklung und Optimierung von Wärmetauschern für Satelliten liefern.
Heute ist es so weit: Das fünfköpfige Wissenschaftlerteam der Brandenburgischen TU startet ihre 12. Parabelflugkampagne mit dem A310 ZERO-G der französischen Firma Novespace. Insgesamt elf Experimenten für Forschungen im freien Fall sind für die Flüge geplant, darunter ein Zylinderspalt-Experiment fliegen und Untersuchungen zu thermoelektrischen Konvektionen unter Schwerelosigkeitsbedingungen.
Die Herausforderung in diesem Jahr besteht darin, den Experimentaufbau für jeden Flug anzupassen. In drei differenzierten Versuchsaufbauten untersuchen die Forscher den Einfluss eines thermoelektrohydrodynamischen Kraftfeldes auf den Wärme- und Stofftransport. Das erfordert hohe Konzentration und extrem genaues Arbeiten unter den hohen Sicherheitsanforderungen der Deutschen Raumfahrtagentur des DLR.
Die im Projekt „Dielektrophoretisch induzierte Konvektion“ erhobenen Daten sollen wichtige Informationen für die Entwicklung und die Optimierung von Wärmetauschern liefern, wie sie beispielsweise für Satelliten eingesetzt werden können. Im Fokus steht dabei die thermische Konvektion in einem dielektrischen Fluid innerhalb eines begrenzten Hohlraums unter dem Einfluss eines elektrischen Kraftfelds. Anders als im Labor wird unter Mikrogravitationsbedingungen das durch die hohe elektrische Spannung erzeugte Kraftfeld zum einzigen Mechanismus, der für die Entstehung von Strömungen in dem zylindrischen oder ebenen Spalt sorgt.
Die Parabelflugkampagnen werden mit einem speziell ausgerüsteten Flugzeug durchgeführt. Um Schwerelosigkeit zu erlangen, fliegen die Piloten ein besonderes Manöver: Sie bringen das Flugzeug auf eine parabelförmige Flugbahn. Dabei steigt das Flugzeug aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselt dann die Schubkraft der Turbinen und fällt durch den Restschub erst nach oben und nach dem Erreichen des Gipfelpunktes der Parabel wieder nach unten, so dass für eine Zeitspanne von 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Diese Zeit nutzen die Wissenschaftler für ihre Experimente. Nach jeder Parabel wird das Flugzeug wieder in den horizontalen Flug gebracht. Die Flüge werden je nach Wetterlage entweder entlang der französischen Westküste oder in Nordfrankreich am Mittelmeer durchgeführt.
Die Parabelflugkampagnen der Deutschen Raumfahrtagentur finden ein- bis zweimal jährlich statt und bestehen in der Regel aus drei Flugtagen mit je etwa vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden. Insgesamt stehen so bei einer Flugkampagne etwa 35 Minuten Schwerelosigkeit - im Wechsel mit normaler und doppelter Erdbeschleunigung – zur Verfügung. Die Flüge werden auf sechs Sets aufgeteilt, die zur Verifizierung der Experimente dienen.
Das Parabelflugexperiment enthält diesmal zwei verschiedene Geometrien: Eine Plattenspaltgeometrie, zwischen der sich Flüssigkeit befindet und eine Zylinderspaltgeometrie. In beiden kann Hochspannung und ein Temperaturgradient angelegt werden. Der Zylinderspalt entsteht zwischen zwei ineinander gestellten, senkrechten Rohren und ist oben und unten durch Deckel- und Bodenplatte begrenzt. Der Spalt ist mit einem elektrisch nichtleitenden dielektrischen Öl gefüllt, dessen Viskosität beispielweise im Bereich von Wasser liegt.
Das innere Rohr wird beheizt und das äußere Rohr wird von außen gekühlt, so dass ein Temperaturunterschied aufgeprägt wird. Dies führt aufgrund des Auftriebs auf der Erde zunächst zum Ausbilden einer einzigen Konvektionszelle im Spalt, der Grundströmung, die den gesamten Untersuchungsraum erfasst. Wird der Temperaturunterschied erhöht, führt diese Verstärkung des thermischen Antriebs zu Instabilitäten. Die Grundströmung nimmt neue Formen an. Im Vergleich zur Grundströmung oder der reinen Wärmeleitung bei ruhender Flüssigkeit ist der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr dann verstärkt. Wenn auf dieses System nun ein Kraftfeld in Form einer angelegten Wechselspannung wirkt, so führen das inhomogene elektrische Kraftfeld und die Temperaturabhängigkeit der Permittivität der Flüssigkeit zu einer elektrohydrodynamischen Kraftwirkung. Unter Erdbedingungen stört dieses künstliche Kraftfeld die Stabilität der Auftriebsströmung und kann den Wärmetransport verstärken.
Unter Mikrogravitationsbedingungen, wie sie beispielsweise im Parabelflug auftreten, wird die Archimedische Auftriebsströmung jedoch vernachlässigbar klein. Das durch die Hochspannung aufgebaute Kraftfeld ist dann allein ausschlaggebend für das Entstehen von Strömungen im Zylinderspalt, die vielfältige Formen bis zu turbulenten Strömungen annehmen können. Diese Strömungsformen – und damit auch der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr - können mit der Höhe der elektrischen Spannung kontrolliert und auch einfach an- und ausgeschaltet werden. Mit einer neuartigen Kombination von zwei optischen Messtechniken, der Shadowgraph- und der PIV-Messtechnik wird das Strömungsfeld sichtbar gemacht und charakterisiert. Mit weiteren Sensoren messen die Forscher die strömungsinduzierte Veränderung des Wärmetransports zwischen dem Innen- und dem Außenrohr.
BTU / RK