Kosmische Strahlung auf der ISS
Messungen legen Basis für eine dreidimensionale Karte der Strahlenbelastung.
Von außen sehen die Päckchen unspektakulär aus, aber in ihrem Inneren befinden sich jeweils hunderte von kleinen Detektoren, die in der Internationalen Raumstation ISS die kosmische Strahlung erfassen. Nun hat der europäische Astronaut Thomas Pesquet das mittlerweile zehnte Detektoren-Set für das Experiment DOSIS 3D im Forschungslabor Columbus installiert. An insgesamt elf verschiedenen Orten im Modul zeichnen die Detektoren für sechs Monate die Strahlung auf, bis sie wieder eingesammelt und zur Auswertung auf die Erde transportiert werden. „So können wir über einen längeren Zeitraum ein dreidimensionales Bild gewinnen, wo im Forschungslabor welche Strahlung ankommt“, erläutert Thomas Berger, Strahlenphysiker am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR. Zudem messen die Wissenschaftler die ganz persönliche Strahlendosis des französischen Astronauten im Auftrag des Europäischen Astronautenzentrums EAC mit einem passiven Personendosimeter. Erstmals können aber auch mit dem neu installierten System EAD (ESA Active Dosimeter) die Strahlungsdaten des Astronauten den Strahlenphysikern auf der Erde in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden.
Abb.: Im Inneren des orangenen Päckchens befinden sich hunderte von kleinen Detektoren, die im Forschungslabor Columbus der Internationalen Raumstation ISS die Strahlung erfassen. (Bild: DLR / ESA)
Auf Menschen auf der Erde – geschützt durch die Atmosphäre und das Magnetfeld – wirkt eine tägliche Strahlendosis von gerade einmal 0,0025 Millisievert. Für Astronauten liegt die Belastung an ihrem schwebenden Arbeits- und Wohnort im All deutlicher höher: Durchschnittlich 0,8 Millisievert am Tag beträgt die Strahlendosis im Forschungsmodul Columbus auf der ISS. „Unser Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern, der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der japanischen Raumfahrtagentur JAXA und dem russischen Institut für Biomedizinische Probleme IMBP, eine dreidimensionale Karte der Strahlenbelastung in der gesamten ISS zu erstellen“, erläutert Strahlenphysiker Thomas Berger vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin.
Jeweils in Abhängigkeit von der Sonnenaktivität oder auch der Flughöhe der ISS ändere sich die Strahlung, der die Astronauten im Inneren der ISS ausgesetzt seien. Da vor allem vom Material der ISS die kosmische Strahlung abgehalten würde, hätten sogar einzelne Experiment-Racks oder andere Ausrüstungsgegenstände einen Einfluss auf die Strahlendosis. Alleine innerhalb des Forschungsmoduls Columbus kann die Strahlendosis an verschiedenen Positionen um 50 Prozent variieren.
Die Erkenntnisse der internationalen Teams sind wichtig für die Gesundheit der Astronauten. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA setzt beispielsweise Limits, die ein Astronaut in seiner gesamten Berufskarriere nicht überschreiten soll: Erreicht ein Astronaut im Laufe seiner Berufskarriere durch mehrere Missionen im All diesen Wert, sind weitere Einsätze für ihn nicht mehr vorgesehen. Menschen auf der Erde erreichen in einem Jahr einen durchschnittlichen Wert von drei bis vier Millisievert, in dem neben der Reststrahlung, die die Erde erreicht, auch zum Beispiel die Strahlung von medizinischen Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen oder Computertomographien enthalten sind.
Wertvoll ist die Erforschung der Strahlenbelastung, der ein Astronaut ausgesetzt ist, aber auch für die Planung zukünftiger Langzeitmissionen zu Mond oder Mars. „Dafür ist es entscheidend, die Höhe und auch die Auswirkung der Strahlenbelastung zu erforschen“, sagt Strahlenphysiker Thomas Berger. „Nur so kann man auch über Limits für die Astronauten sprechen, die eingehalten werden müssen.“ Diese Werte können jedoch für Langzeitmissionen derzeit nur mit Computermodellen berechnet werden. Die gemessenen Daten an Bord der ISS sind daher eine Möglichkeit, diese Rechnungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Mit der Technologie-Demonstration EAD, der jüngsten Entwicklung zur Erforschung der kosmischen Strahlung auf der ISS, werden die Möglichkeiten zur Strahlungsmessung während des Aufenthalts der Astronauten im All und die Wissenschaftler auf der Erde zudem noch erweitert, erläutert ESA-Projektleiter Ulrich Sträube.
Abb.: Astronaut Thomas Pesquet schwebt über dem EAD, dem ESA Active Dosimeter, mit dem die Messdaten seiner persönlichen Strahlendosis in Echtzeit zur Erde gesendet werden können. (Bild: DLR / ESA)
Erste Werte für einen Flug und einen Aufenthalt auf dem Mars aber haben die Wissenschaftler des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin bereits mit ihrer Beteiligung am Strahlungsmessgerät RAD (Radiation Assessment Detector) an Bord des amerikanischen Mars-Rovers Curiosity gewonnen: Erstmals konnte bereits auf dem fast sechsmonatigen Flug zum Mars ein Instrument die Strahlenbelastung messen. Seit der Landung am 6. August 2012 zeichnet das Gerät außerdem die Strahlungsbelastung auf dem Mars auf. „Auf dem Flug betrug die Strahlung etwa zwei bis drei Millisievert pro Tag, auf dem Mars selbst dann 0,8 Millisievert pro Tag.“ Die Atmosphäre des Mars würde also einen Schutz ähnlich wie die Außenhülle der Raumstation ISS bieten.
Das DOSIS 3D-Experiment läuft bereits seit Mai 2012 mit jeweils elf passiven Detektorpaketen, die erst auf der Erde ausgewertet werden können, sowie zwei aktiven Detektoren, deren Werte einmal monatlich zur Erde übertragen werden. Das passive Personendosimeter EuCPD (European Crew Personal Dosimeter), das erstmals Astronaut Thomas Reiter 2006 während seines gesamten Aufenthalts auf der ISS am Körper trug, wird auch von Astronaut Thomas Pesquet getragen und am DLR im Auftrag der ESA nach seiner Mission ausgewertet.
DLR / JOL