08.06.2023

Marslawinen im Flugzeug

Zentrifuge simuliert auf Parabelflügen marsähnliche Bedingungen.

Scarlett hat über 200 Meter Kabel: Sie umhüllen eine einzig­artige Zentrifuge, die mehr über den Mars herausfinden soll. Das Kürzel Scarlett steht für „Shadow Cast Angles of Repose in Low gravity Experiment with Thermal creep Thrust“ – ein Projekt der Astrophysik der Universität Duisburg-Essen (UDE), bei dem es um den richtigen Winkel, niedrige Schwerkraft und thermische Effekte geht. In der simulierten Schwerelosigkeit stellt die Zentrifuge derzeit bei Parabel­flügen eben diese Bedingungen in über 8000 Metern Höhe her.

 

Abb.: Diese Zentrifuge ist ein Unikat. Sie kann Bedingungen simulieren, die auf...
Abb.: Diese Zentrifuge ist ein Unikat. Sie kann Bedingungen simulieren, die auf dem Mars herrschen. (Bild: UDE / A. Reichert)

Unser roter Nachbarplanet fasziniert die Menschheit seit langem, ist er doch der Erde am ähnlichsten und seine Oberfläche durch ein Teleskop gut sichtbar. Raum­sonden und Lander haben schon einiges erforscht, aber die Details geben Rätsel auf: So rutschen in der warmen Saison regelmäßig riesige Hänge ab, immer an denselben Stellen. Was löst diese Staub­lawinen aus? Die Forscher vermuten, dass ein thermischer Gasfluss innerhalb des Bodens die Ursache ist und wollen dies nun im Experiment herausfinden.

Eine Zentrifuge ist dabei das Herzstück: Sie wurde vom fünfköpfigen Team um Gerhard Wurm entwickelt und Bordeaux in ein speziell ausgerüstetes Flugzeug eingebaut. Dieses hebt zu insgesamt drei Flügen mit jeweils dreißig Parabeln ab. „In der Schwerelosigkeit simuliert eine Vakuumkammer die echte Mars-Schwerkraft, die geringer ist als auf der Erde“, erklärt Jens Teiser, der seit 2004 bei Parabelflügen wissenschaftliche Experimente macht. „Mit dabei haben wir besonderen Sand, der dem auf dem Mars gleicht. Durch Kippen der Vakuumkammer wird die Hangneigung langsam erhöht, bis der Sand ins Rutschen kommt. Halogen­lampen erhitzten ihn während des Fluges, um den thermischen Gasfluss zu erzeugen.“

Das Flugzeug geht auf rund 7500 Meter und fliegt von dort mit vollem Schub – in einem 47-Grad-Winkel – in zwanzig Sekunden auf etwa 8700 Meter. In dieser Höhe drosselt der Pilot die Triebwerke, und das Flugzeug fällt frei auf einer parabelförmigen Bahn nach unten. Die Schwerelosig­keit dauert etwa 22 Sekunden, bevor der Pilot abfängt und zur nächsten Parabel ansetzt.

„Die Schwerelosigkeit ist die angenehmste Phase. Davor und danach wirkt doppelte Schwerkraft, das heißt man wird mit dem zweifachen Körpergewicht auf den Flugzeug­boden gepresst“, sagt Teiser. Der Physiker hat die 160 Kilogramm schwere Zentrifuge mit entwickelt. Sie kann für weitere Experimente eingesetzt werden – etwa, um die Schwerkraft des Mondes zu simulieren. Doch zunächst sind nach den Flügen, die meist über dem Atlantik stattfinden, tausende Gigabyte Daten auszuwerten. „Wir wollen wissen, was auf dem Mars anders ist als bei uns und dadurch Zusammenhänge besser verstehen“, so Teiser. Das dreijährige Forschungs­vorhaben Scarlett läuft bis Ende 2023. Es wird vom Bundes­ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert, Projekt­träger ist das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt.

UDE / DE

 

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