Massives Wolfram in der Brennkammer
Jülicher testen ihre Iter-like Wall am Fusionsexperiment Jet.
Jülicher Wissenschaftler und Ingenieure haben für das weltweit führende EU-Kernfusionsexperiment Jet wesentliche Komponenten der Brennkammer-Innenwand neu konzipiert und gebaut. Mit der aus massivem Wolfram bestehenden „Iter-like Wall“ trägt das Forschungszentrum zum internationalen Fusionsreaktors Iter bei.
Abb.: Der Jülicher Projektleiter Philippe Mertens vom Institut für Energie- und Klimaforschung beim Vermessen der über 9000 Wolfram-Lamellen der Iter-like Wall. Damit sie ihre maximale Betriebstemperatur von 2200 Grad Celsius auch sicher erreichen können, sind die Abmessungen penibel einzuhalten. (Bild: Efda-Jet)
Aus Jülich kommt dazu Know-how aus einem sehr wichtigen Teilbereich: In der Brennkammer entsteht ein hundert Millionen Grad heißes Plasma; welche Materialien halten diesen ungeheueren Belastungen stand? Die Wissenschaftler erforschen auch, wie sich das Plasma, das mit den Oberflächen in der Brennkammer heftig reagiert, gestalten und beeinflussen lässt. Jülich hat dabei umfangreiche Erfahrungen gesammelt und spezielle Verfahren und technologische Komponenten für Fusionsexperimente entwickelt.
Zum Beispiel für Jet: Der Joint European Torus mit Standort im englischen Culham ging im September 2011 nach einer längeren Umbauphase wieder in Betrieb. Auch die Brennkammerwand wurde neu gestaltet und ausgekleidet; die Anregung dazu gaben Jülicher Fusionswissenschaftler. Die acht Millionen Euro teure neue Oberfläche besteht aus massivem Wolfram – Schmelzpunkt: 3422 Grad Celsius. Es hat eine lamellenähnlichen Struktur aus über 9000 Einzelteilen mit einem Gesamtgewicht von vier Tonnen und ist genau dort platziert, wo die Wärmebelastung am größten ist: im Divertor am unteren Rand der Brennkammer. Mit diesem Jülicher Design wird der Weg bereitet für die Brennkammer von Iter und schließlich für ein energieerzeugendes Fusionsplasma. Es spricht nach den Plänen der internationalen Forschung vieles dafür, die Innenwand von Fusionsreaktoren vollständig mit massivem Wolfram auszukleiden, um die Speicherung der teils radioaktiven Brennstoffgase Deuterium und Tritium im Wandmaterial zu minimieren.
Abb.: Die Iter-like Wall von Jet (rot eingefärbt) befindet sich an denjenigen Stellen der Brennkammer mit der höchsten Belastung durch die viele Millionen Grad heißen Fusionsmaterie: im Divertor. (Bild: Efda-Jet)
Weitere zwei Millionen Euro wurde in die Entwicklung von Komponenten zur Diagnostik der Iter-like Wall investiert. Zum einen entwickelten Jülicher Forscher ein aufwendiges optisches System zum Sammeln, Transportieren und Analysieren von Licht, das durch die Wechselwirkung der heißen Fusionsmaterie mit den Wolframoberflächen entsteht. Zum anderen bauten sie eine Anlage zum schnellen Einblasen von Gas, das Instabilitäten des Fusionsplasmas bereits im Vorfeld verhindern kann und damit die Wolframwand wirksam schützt.
Vor dem Hintergrund der erwarteten Verdreifachung des Weltenergiebedarfs allein bis zum Jahr 2050 ist die Kernfusion die Hoffnung vieler für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts. Nach vielen Jahrzehnten der plasmaphysikalischen Grundlagenforschung läuft mittlerweile der Bau von Iter – einer Großversuchsanlage im südfranzösischen Cadarache, die in rund zehn Jahren erstmals 500 Millionen Watt erzeugen soll.
FZ Jülich / OD