Mehr Strom aus überschüssiger Wärme
Neues Technikum soll Organic-Rankine-Cycle optimieren helfen.
Mit Blick auf eine möglichst CO2-arme und energieeffiziente Stromerzeugung hat Niedertemperaturwärme in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. „Statt Wärme, die ohnehin als Überschuss vorhanden ist, in die Umgebung abzuführen, ist es sinnvoller, sie weiter zu nutzen und damit Strom zu produzieren“, erklärt Dietmar Kuhn, Leiter der Arbeitsgruppe Energie- und Verfahrenstechnik am Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit des Karlruher Institut für Technologie. Um Wärme von unter 200 Grad Celsius für die Versorgung von Privathaushalten zu verstromen, kommen ORC-Anlagen zum Einsatz. Sie basieren auf dem Organic-Rankine-Cycle – einem Verfahren, das nach dem britischen Begründer der Thermodynamik, William John Macquorn Rankine, benannt und vor allem aus Geothermiekraftwerken bekannt ist.
Hierbei handelt es sich um einen Flüssig-Dampf-Kreislauf, bei dem ein Fluid im Kreis gepumpt und unter Druckerhöhung aufgeheizt wird, bis es verdampft. Der heiße Dampf wird über eine Turbine geführt, die ihm den Druck und die Temperatur wieder entzieht und ihn in Bewegungsenergie und Strom verwandelt. Da der Siedepunkt von Wasser unter Druck bei einigen hundert Grad liegt und damit deutlich höher als das, was eine Niedertemperaturquelle wie Erdwärme zur Verfügung stellen kann, kommen, anders als zum Beispiel in einem Kohlekraftwerk, beim ORC-Verfahren andere Fluide als Arbeitsmedien zum Einsatz. Im Technikum Monika arbeiten die Experten mit Propan, das bei hoher Leistungsfähigkeit einen sehr niedrigen Faktor für das Treibhauspotenzial (GWP) aufweist.
Bislang liegt der Wirkungsgrad bei ORC-Anlagen bei nur zehn& bis 15 Prozent. Zentrales Ziel der Karlsruher Wissenschaftler ist es deswegen, neue Strategien für die Effizienzsteigerung von ORC-Anlagen zu entwickeln und deren CO2-Fußabdruck zu senken. „Monika bietet eine Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur, die auf dem neuesten Stand der Technik und einzigartig in Europa ist“, sagt Kuhn. So wird im Technikum der Dampfkreislauf anders als in den meisten ORC-Kraftwerken überkritisch betrieben. Mit Blick auf Temperatur, Druck und Dichte wird der kritische Punkt überschritten, an dem ein Gas flüssig wird und umgekehrt, und die Phasenübergänge werden fließend. „Damit können wir die Stromausbeute um zwanzig bis dreißig Prozent erhöhen“, sagt Kuhn.
Das modular aufgebaute Technikum verfügt über eine Heizanlage, welche die Niedertemperaturwärmequelle simuliert. Eine umfangreiche Sensorik für die Messung von Temperaturen, Drücken und Durchflüssen ermöglicht es, Daten aus dem laufenden Betrieb mit Modellrechnungen zu vergleichen und so die Prognosequalität zu erhöhen. Auf dieser Basis wollen die Forschenden zentrale Komponenten wie den Wärmetauscher oder den innovativen Hybrid-Kondensator analysieren und so optimieren, dass sie energieeffizienter und umweltschonender arbeiten. Ziel ist unter anderem auch, Leckagen im Arbeitskreis zu reduzieren oder ganz zu vermeiden. Monika erreicht eine thermische Leistung von einem Megawatt und damit eine Größenordnung, mit der die erzielten Forschungsergebnisse gut auf die Praxis übertragen und skaliert werden können. Das Technikum, an dem bereits erste Experimente laufen, soll vor allem für anwendungsorientierte Forschungsprojekte eingesetzt und langfristig an das Energy Lab 2.0 des KIT angebunden werden. Derzeit identifizieren Kuhn und sein Team gemeinsam mit interessierten Industriepartnern Forschungsthemen und -bedarfe.
KIT / JOL