13.07.2020 • Materialwissenschaften

Metallisches Glas auf der ISS

Forscher wollen neu entwickelte Legierung aus Nickel, Niob und Schwefel unter Schwerelosigkeit untersuchen.

Experiment ist nicht gleich Experiment. Ob Natur­wissen­schaftler ihre Experimente zum Beispiel auf der Erde oder in Schwere­losigkeit durch­führen, kann einen großen Unter­schied bedeuten. Denn durch die Schwerkraft können manche Experi­mente nicht so gestaltet werden, wie es für eine Unter­suchung am besten wäre. So geht es auch Ralf Busch und seinen Kollegen von der Univer­sität des Saar­landes. Die Wissen­schaftler haben eine spezielle Legierung, ein amorphes Metall oder auch metallisches Glas, aus Nickel, Niob und Schwefel entwickelt, das um ein Vielfaches fester ist als beispiels­weise übliche Stähle und somit hoch­interessant für Anwendungen ist.

Abb.: In diesem elektromagnetischen Levitator wollen die Forscher das...
Abb.: In diesem elektromagnetischen Levitator wollen die Forscher das metallische Glas untersuchen. (Bild: ESA)

Metallische Gläser zeichnen sich durch ihre spezielle Zusammen­setzung auf atomarer Ebene aus. Die heiße Metall­schmelze wird blitzartig abgekühlt, so dass keine klassische Legierung entsteht, deren Atome sich während des lang andauernden Abkühlens in einem regelmäßigen Kristall­gitter anordnen. Dadurch, dass die Schmelze in weniger als einer Sekunde von über tausend Grad Celsius herab­gekühlt wird, erstarrt sie in der unge­ordneten Atom­struktur der Schmelze. Dieser strukturelle Zustand wird auch als Glas bezeichnet. Dieses Chaos im Aufbau verleiht dem metallischen Glas Eigen­schaften, die ganz anders sind als die der herkömm­lichen Legierung derselben Ausgangs­stoffe.

Eine solche Legierung aus Nickel, Niob und Schwefel, welche die Wissen­schaftler entwickelt haben, können sie bald auf der Inter­nationalen Raum­station ISS unter­suchen lassen. Denn die europäische Raum­fahr­tagentur ESA hat einem Antrag der Forscher grund­sätzlich zugestimmt, so dass das Experiment nun auf Herz und Nieren getestet wird, bevor es auf der Raumstation durch­geführt werden kann.

„Auf der Erde kommt immer die Schwerkraft mit ins Spiel, und das kann unsere Mess­ergeb­nisse verfälschen“, erläutert Busch. Auf der ISS ist vor einigen Jahren ein elektro­magnetischer Levitator in Betrieb genommen worden, der Experimente mit solchen Metall­schmelzen in Schwere­losig­keit zulässt. „Auf der ISS schwebt die Schmelze in einem Vakuum-Behälter frei, so dass sie weder durch die Schwerkraft noch durch den Behälter, in dem sie auf der Erde liegen würde, beeinflusst werden kann. So können wir ihre Viskosität, die Fließ­eigen­schaften, abhängig von ihrer Temperatur messen und auch die Ober­flächen­spannung, ohne störende Faktoren berück­sichtigen zu müssen“, erklärt Team-Mitglied Benedikt Bochtler.

Auch die Rolle des Schwefels in der Legierung möchten die Forscher besser verstehen. Daher möchten sie die heiße Schmelze einmal unter­suchen, wenn sie nur aus Nickel und Niob besteht, und ein weiteres Mal, wenn die drei Elemente Nickel, Niob und Schwefel vermengt werden. Unter­schiede in den Messungen gehen dann auf das Konto des Schwefels, von dem die Forscher dann wissen, wie genau er die Eigen­schaften der Legierung beeinflusst. Mit diesem Wissen könnten sie eine sehr viel ziel­genauere Methode entwickeln, in welchen Dosen sie den Schwefel in Legierungen beimengen müssen, um eine gewünschte Eigen­schaft zu erzielen bzw. um unerwünschte Eigen­schaften zu reduzieren.

Bis die angestrebten Experimente auf der ISS stattfinden, werden aber noch ein paar Jahre vergehen. Zuerst werden die Schmelze und die Experimente in Parabel­flügen über dem Atlantik auf ihre Machbarkeit getestet. „Wir müssen erstmal schauen, dass die Schmelze keine Löcher in die ISS schmort“, erklärt Busch scherzhaft den berechtigten Aufwand, um sicher­gehen zu können, dass den Astronauten durch das Experiment im Weltall keine Gefahr droht.

UdS / RK

Weitere Infos

  • Metallische Werkstoffe (R. Busch), Universität des Saarlandes, Saarbrücken

 

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