Metallisches Glas auf der ISS
Forscher wollen neu entwickelte Legierung aus Nickel, Niob und Schwefel unter Schwerelosigkeit untersuchen.
Experiment ist nicht gleich Experiment. Ob Naturwissenschaftler ihre Experimente zum Beispiel auf der Erde oder in Schwerelosigkeit durchführen, kann einen großen Unterschied bedeuten. Denn durch die Schwerkraft können manche Experimente nicht so gestaltet werden, wie es für eine Untersuchung am besten wäre. So geht es auch Ralf Busch und seinen Kollegen von der Universität des Saarlandes. Die Wissenschaftler haben eine spezielle Legierung, ein amorphes Metall oder auch metallisches Glas, aus Nickel, Niob und Schwefel entwickelt, das um ein Vielfaches fester ist als beispielsweise übliche Stähle und somit hochinteressant für Anwendungen ist.
Metallische Gläser zeichnen sich durch ihre spezielle Zusammensetzung auf atomarer Ebene aus. Die heiße Metallschmelze wird blitzartig abgekühlt, so dass keine klassische Legierung entsteht, deren Atome sich während des lang andauernden Abkühlens in einem regelmäßigen Kristallgitter anordnen. Dadurch, dass die Schmelze in weniger als einer Sekunde von über tausend Grad Celsius herabgekühlt wird, erstarrt sie in der ungeordneten Atomstruktur der Schmelze. Dieser strukturelle Zustand wird auch als Glas bezeichnet. Dieses Chaos im Aufbau verleiht dem metallischen Glas Eigenschaften, die ganz anders sind als die der herkömmlichen Legierung derselben Ausgangsstoffe.
Eine solche Legierung aus Nickel, Niob und Schwefel, welche die Wissenschaftler entwickelt haben, können sie bald auf der Internationalen Raumstation ISS untersuchen lassen. Denn die europäische Raumfahrtagentur ESA hat einem Antrag der Forscher grundsätzlich zugestimmt, so dass das Experiment nun auf Herz und Nieren getestet wird, bevor es auf der Raumstation durchgeführt werden kann.
„Auf der Erde kommt immer die Schwerkraft mit ins Spiel, und das kann unsere Messergebnisse verfälschen“, erläutert Busch. Auf der ISS ist vor einigen Jahren ein elektromagnetischer Levitator in Betrieb genommen worden, der Experimente mit solchen Metallschmelzen in Schwerelosigkeit zulässt. „Auf der ISS schwebt die Schmelze in einem Vakuum-Behälter frei, so dass sie weder durch die Schwerkraft noch durch den Behälter, in dem sie auf der Erde liegen würde, beeinflusst werden kann. So können wir ihre Viskosität, die Fließeigenschaften, abhängig von ihrer Temperatur messen und auch die Oberflächenspannung, ohne störende Faktoren berücksichtigen zu müssen“, erklärt Team-Mitglied Benedikt Bochtler.
Auch die Rolle des Schwefels in der Legierung möchten die Forscher besser verstehen. Daher möchten sie die heiße Schmelze einmal untersuchen, wenn sie nur aus Nickel und Niob besteht, und ein weiteres Mal, wenn die drei Elemente Nickel, Niob und Schwefel vermengt werden. Unterschiede in den Messungen gehen dann auf das Konto des Schwefels, von dem die Forscher dann wissen, wie genau er die Eigenschaften der Legierung beeinflusst. Mit diesem Wissen könnten sie eine sehr viel zielgenauere Methode entwickeln, in welchen Dosen sie den Schwefel in Legierungen beimengen müssen, um eine gewünschte Eigenschaft zu erzielen bzw. um unerwünschte Eigenschaften zu reduzieren.
Bis die angestrebten Experimente auf der ISS stattfinden, werden aber noch ein paar Jahre vergehen. Zuerst werden die Schmelze und die Experimente in Parabelflügen über dem Atlantik auf ihre Machbarkeit getestet. „Wir müssen erstmal schauen, dass die Schmelze keine Löcher in die ISS schmort“, erklärt Busch scherzhaft den berechtigten Aufwand, um sichergehen zu können, dass den Astronauten durch das Experiment im Weltall keine Gefahr droht.
UdS / RK
Weitere Infos
- Metallische Werkstoffe (R. Busch), Universität des Saarlandes, Saarbrücken