Mit Quantencomputern zu neuen Katalysatoren
Millionenförderung aus dem Nachwuchsprogramm „Quantum Futur“.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Erforschung kontrollierter Quantenzustände einzelner oder gekoppelter Systeme mit dem seit einigen Jahren laufenden Nachwuchsprogramm „Quantum Futur“. Zu den ersten ausgewählten Projekten der aktuellen Förderrunde, die im Januar 2025 gestartet sind, gehört „qHPC-GREEN“ von Nachwuchsgruppenleiter Werner Dobrautz. Der Quantenchemiker begann Ende 2024 sein Forschungsteam am Center for Advanced Systems Understanding (CASUS), einem Institut des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf HZDR, aufzubauen. Der Experte für computergestützte Chemie will quantenmechanische Systeme modellieren, die biochemischen und physikalischen Phänomenen aus den Bereichen Umwelt und Energie zugrunde liegen. In dem Projekt, das bis Ende 2029 läuft, kombiniert er dafür Quanten- und Hochleistungsrechnen.
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Ein Schwerpunkt des Vorhabens liegt auf Katalysatoren. Bei der Herstellung der meisten heutigen chemischen und biochemischen Produkte kommen Katalysatoren zum Einsatz. Trotzdem ist deren innovatives Potential immer noch enorm. Mit seiner neuen Nachwuchsgruppe „AI4Quantum“ will Werner Dobrautz unter anderem entschlüsseln, wie bestimmte Biokatalysatoren funktionieren. „Mit einem besseren Verständnis könnten wir versuchen, neue industrielle Katalysatoren zu entwickeln, die chemische Reaktionen ermöglichen können, die für nachhaltigere Produktionsprozesse benötigt werden“, sagt er.
In seinem Forschungsantrag „Quantengestütztes Hochleistungsrechnen für die grüne Energiewende“ (qHPC-GREEN) wählte Dobrautz einen relevanten Anwendungsfall: „Düngemittel auf Ammoniakbasis haben nach ihrer Einführung vor über einhundert Jahren die landwirtschaftliche Produktivität auf ein völlig neues Niveau gehoben. Doch ihre industrielle Herstellung erfordert einen enormen Energieaufwand. Ein technisches Verfahren, das auf der biologischen Stickstofffixierung durch das Enzym Nitrogenase und seinen Eisen-Molybdän-Cofaktor beruht, ist eine vielversprechende Alternative.“ Diese biokatalytische Umwandlung von Wasserstoff und Stickstoff in Ammoniak ist jedoch noch nicht vollständig verstanden.
Ein klassischer Problemlösungsansatz ist das Modellieren der Reaktionsprozesse. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass selbst die heutigen Supercomputer (HPC) nicht in der Lage sind, die Komplexität der quantenmechanischen Mechanismen zu bewältigen, die diesem Stickstofffixierungsweg zugrunde liegen. „Wir haben es hier mit einem sogenannten kleinen Quantensystem zu tun, das typischerweise durch einige Atome oder Moleküle repräsentiert wird. Konkret geht es hier um weniger als einhundert Elektronen und Atomkerne“, erklärt Dobrautz. „Außerdem ist das Verhalten der Elektronen in diesem System aufgrund ihrer gegenseitigen Abstoßung und quantenmechanischen Wechselwirkungen stark voneinander abhängig. Wir nennen dies ein Quantensystem mit starker elektronischer Korrelation. Leider erfassen die Standardnäherungen, die in der Quantenchemie zur Modellierung von Systemen verwendet werden, nicht die wahre Natur von Systemen mit starker elektronischer Korrelation.“
Da keine guten Näherungen oder andere Ausweichmöglichkeiten verfügbar sind, besteht die einzige Lösung darin, den Computer alles durchrechnen zu lassen. Da selbst klassische HPC nicht leistungsfähig genug sind, werden für das Projekt qHPC-GREEN Quantencomputer (QC) einbezogen. Der im Antrag vorgeschlagene hybride algorithmische Rahmen leitet Berechnungen für schwach korrelierte Bereiche des untersuchten quantenmechanischen Systems an HPC weiter – und Berechnungen für stark korrelierte Bereiche an QC. „Mein Ansatz kombiniert die Stärken sowohl der klassischen als auch der neuartigen Quantencomputer-Hardware. Zwar werden gerade durchaus viele hybride Systeme aufgebaut und getestet. Unser ‚Teile-und-erobere-Ansatz‘ ermöglicht aber wie kaum ein anderes System eine effiziente Nutzung der aktuell noch vielfach beschränkten Quantencomputer-Ressourcen“, erklärt Dobrautz.
Die HPC-Berechnungen für dieses Projekt werden sowohl intern auf der HPC-Infrastruktur des Casus durchgeführt, die derzeit im neuen Rechenzentrum des HZDR installiert wird, als auch auf dem Supercomputing-Cluster „Jewels“ am Forschungszentrum Jülich. Im Bereich des Quantencomputings profitiert Dobrautz‘ Projekt von der Zusammenarbeit mit IBM Research Zurich in der Schweiz, dem Wallenberg Centre for Quantum Technology in Schweden, dem finnischen Softwareunternehmen Algorithmiq und dem JUNIQ (Jülich UNified Infrastructure for Quantum computing) des Jülich Supercomputing Centre. Da sich die meisten QC-Ressourcen noch in der Aufbauphase befinden und das Interesse an ihrer Nutzung riesig ist, weist Dobrautz auf die im Vergleich bescheidenen Qubits-Anforderungen seines Ansatzes hin, die eine Implementierung auf demnächst verfügbaren Geräten ermöglichen – ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal gegenüber ressourcenintensiveren Ansätzen, die ebenfalls das Verständnis stark korrelierter Quantensysteme verbessern wollen.
Die bewilligten 1,8 Millionen Euro wird Dobrautz für die Einstellung von wissenschaftlichem Personal und für Dienstreisen verwenden. Die dritte Runde des Nachwuchsprogramms „Quantum Futur“ läuft von 2023 bis 2026. Zusammen mit qHPC-GREEN starteten im Januar 2025 Projekte an der Universität Hamburg (IonLinQ, 4,8 Millionen Euro) und an der Universität Augsburg (HoliQC2, 1,3 Millionen Euro). Weitere Projekte werden voraussichtlich im Laufe des Jahres bekannt gegeben. Bei den ersten beiden Wettbewerben 2017 und 2021 wurden bereits zweimal zehn Nachwuchsgruppen gefördert und eingerichtet, wobei die Mehrzahl der ausgewählten Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter inzwischen bereits auf Professuren berufen wurde.
HZDR / JOL