Naher Osten und Nordafrika: Großes Potenzial für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe
MENA-Fuels-Studie liefert dazu eine umfassende technische und ökonomische Analyse.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Wuppertal-Institut und das Institut für Zukunftsenergie und Stoffstromsysteme IZES haben in einer Studie untersucht, welche Rolle der Nahe Osten und Nordafrika spielen könnten, um Deutschland und Europa mit Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbaren Ressourcen zu versorgen. Die Ergebnisse zeigen, dass die MENA-Region (Englisch: Middle East and North Africa) ein enormes Potenzial besitzt und eine kostengünstige Produktion ermöglicht. Die Herstellungskosten sind neben den erneuerbaren Ressourcen auch signifikant abhängig von Investitionsrisiken – und damit von vielfältigen Randbedingungen in möglichen Exportländern.
Für die Studie haben die Forscher erstmals die ganze MENA-Region hochaufgelöst untersucht. Dazu haben sie das Gebiet in viele kleine Flächen unterteilt und einzeln ausgewertet. Ebenfalls neu: Die Wissenschaftler haben die gesamte Produktionskette für synthetische Kraftstoffe modelliert und in ihre Berechnungen integriert. Auch Energie- und Wasserstoffspeicher waren Teil der Betrachtung. Sie sind notwendig und sinnvoll, um das ganze System mit erneuerbaren und damit fluktuierenden Ressourcen stabil und wirtschaftlich optimal zu betreiben. Im Gegensatz zu anderen Studien kombiniert MENA-Fuels technologische und ökonomische Aspekte mit der Bewertung individueller Länderrisiken für alle 17 betrachteten Länder dieser Region.
Dazu flossen Analysen der Ressourcen, der politischen Rahmenbedingungen sowie der Rahmenbedingungen für Investitionen ein. „Zum ersten Mal liegt uns damit eine umfangreiche Analyse vor – als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten, aber auch als Informationsquelle und Basis für Entscheiderinnen und Entscheider in Industrie und Politik“, fasst Jürgen Kern, Projektleiter für die Studie beim DLR-Institut für vernetzte Energiesysteme zusammen.
Die MENA-Region hat mit insgesamt mehr als 400.000 Terrawattstunden pro Jahr sehr große Erzeugungspotenziale an erneuerbaren Energien. Das trifft vor allem auf die Nutzung von Solarenergie in Form von Photovoltaik und konzentrierender Solarthermie zu. Entsprechend groß sind ebenfalls die Potenziale, um Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe herzustellen. Das gilt selbst, wenn man den langfristigen Eigenbedarf der MENA-Länder für die komplette Umstellung auf erneuerbare Energie abzieht. Abhängig vom angenommenen Entwicklungsszenario – negativ, konservativ, positiv – könnte das Exportpotenzial den deutschen Bedarf an synthetischen Kraftstoffen um das 60- bis 1200-Fache übersteigen.
Nahezu alle MENA-Länder weisen bedeutende Potenziale auf, um synthetische Kraftstoffe zu geringen Gestehungskosten herzustellen. An den günstigsten Standorten könnten die Herstellungskosten im Jahr 2030 zwischen 1,92 und 2,65 Euro pro Liter liegen – und im Jahr 2050 zwischen 1,22 und 1,65 Euro pro Liter. Für diese Zahlen haben die Forscher Investitionskosten im mittleren Bereich angenommen und eine positive Entwicklung der Investitionsbedingungen vorausgesetzt. Das Exportpotenzial von synthetischen Kraftstoffen, die unter zwei Euro pro Liter hergestellt werden könnten, beträgt selbst bei negativen Investitionsbedingungen im Jahr 2050 rund 28.000 Terrawattstunden. Es würde in diesem Fall vorwiegend aus Ländern mit guten technischen Potenzialen und stabilen Verhältnissen stammen. Entwickeln sich die Investitionsbedingungen positiv, beliefe sich das Exportpotenzial auf mehr als 50.000 Terrawattstunden pro Jahr.
Voraussetzung für den Export synthetischer Kraftstoffe ist in jedem Szenario der umfassende Ausbau der erneuerbaren Energien in der MENA-Region selbst. Die Szenarien für die Erzeugungskapazitäten für Solar- und Windstrom zur eigenen, vollständig erneuerbaren Versorgung bis 2050 liegen zwischen 4.500 und 9.000 Gigawatt. Aktuell sind solche Größenordnungen und die dafür erforderliche Ausbaudynamik noch nicht in den Ausbauzielen der meisten MENA-Länder abgebildet. Zusätzlich zum Aufbau der Produktionskapazitäten für synthetische Kraftstoffe in industriellem Maßstab müsste auch der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich intensiviert werden. Idealerweise ergänzen und verstärken sich inländische Versorgung und Export gegenseitig.
DLR / RK
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