11.10.2021

Neue Forschungsakademie für FAIR

Förderung für Projekte im Verbundforschungsprogamm „Teilchen“.

Die Erforschung atomarer und subatomarer Teilchen in nationalen und internationalen Großforschungs­einrichtungen stehen im Fokus von Arbeitsgruppen an deutschen Universitäten, die das Bundes­ministerium für Bildung und Forschung mit dem Verbundforschungs­programm „Teilchen“ fördert. Gießener Arbeitsgruppen aus den Physikalischen Instituten der Justus-Liebig-Universität Gießen engagieren sich insbesondere bei der derzeit bei Darmstadt im Bau befindlichen internationalen Forschungs­einrichtung Fair– Facility for Antiproton and Ion Research. Um die auf Fair ausge­richtete Wissenschaft zu unterstützen, ist kürzlich die neue Helmholtz Forschungs­akademie Hessen für Fair (HFHF) mit den drei Standorten Darmstadt, Frankfurt und Gießen bewilligt worden.

Abb.: Vorderansicht des HADES-RICH-Detektors. (Bild: G. Otto, GSI)
Abb.: Vorderansicht des HADES-RICH-Detektors. (Bild: G. Otto, GSI)

Für den Aufbau und für die Durchführung von Experimenten bei Fair sowie für theoretische Untersuchungen erhalten die Gießener Arbeits­gruppen bis Mitte 2024 Mittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro. Mit einer weiteren Million Euro fördert das BMBF Gießener Beiträge zum japanischen Belle-II-Experiment, an dem exotische Teilchen erzeugt und untersucht werden, sowie zum Atlas-Experiment am weltweit größten Teilchen­beschleuniger LHC des internationalen Forschungs­zentrums Cern in Genf. In naher Zukunft werden an Fair modernste Teilchen­beschleuniger, Ionenspeicher­ringe und Teilchen­detektoren neuartige Einblicke in die Eigenschaften der funda­mentalen Bausteine der Materie sowie ihr Verhalten unter extremen Bedingungen gestatten. Im Labor werden dabei Temperaturen und Drücke erzeugt, welche kurz nach dem Urknall im frühen Universum herrschten oder heutzutage bei Stern­explosionen und Kollisionen von Neutronen­sternen auftreten.

„Die Gießener Arbeitsgruppen leisten einen signi­fikanten Beitrag zum Bau der Detektoren für Fair in Hessen“, so JLU-Präsident Joybrato Mukherjee. „Mit den bewilligten Fördermitteln treiben sie Forschung voran, die grund­sätzliche Frage­stellungen wie den Ursprung der Masse, die Eigenschaften der Bausteine der Materie sowie deren Wechselwirkung bei der Entstehung unseres Universums aufklärt. Ich gratuliere allen Beteiligten herzlich zu diesem großen Erfolg.“ Das Forschungs­programm bei Fair wird von den vier Säulen APPA (Atomic and Plasma Physics and Applications), CBM (Compressed Baryonic Matter), NUSTAR (Nuclear Structure, Astrophysics and Reactions) und PANDA (Antiproton Anni­hilation in Darmstadt) getragen. Die Gießener Physik ist in allen vier Forschungs­säulen aktiv. Im Rahmen von APPA entwickelt die Arbeitsgruppe Atom- und Molekül­physik einen intensiven Elektronenstrahl für Präzisionsmessungen an Schwerionen im Fair-Ionen­speicherring Cryring zur hochgenauen Überprüfung quanten­theoretischer Vorhersagen. Überdies koordiniert die Gießener Atom- und Molekülphysik den Forschungs­schwerpunkt ErUM-FSP T05 „Aufbau von APPA bei Fair“, der alle an APPA beteiligten deutschen Universitäts­gruppen umfasst.

Die Untersuchung von Kernen weitab der Stabilität wird in der NUSTAR-Säule voran­getrieben, an der die Gießener Physik mit der Arbeitsgruppe von Christoph Scheidenberger (II. Physikalisches Institut) beteiligt ist und hochpräzise Detektoren baut. Für das Panda-Experiment, das exotische hadronische Zustände mit weltweit einzig­artiger Präzision vermessen wird, ist die Gießener Physik an der Entwicklung und dem Bau von zwei Sub­detektoren beteiligt: Die Gruppe um Kai-Thomas Brinkmann (II. Physikalisches Institut) baut das elektromagnetische Kalorimeter sowie einen Mikro-Vertex-Detektor. Das CBM-Experiment wird hochdichte Materie untersuchen, ähnlich wie sie in der Kollision von Neutronen­sternen oder schwarzen Löchern erzeugt wird. Hier entwickelt und baut die Gruppe von Claudia Höhne (II. Physikalisches Institut) einen RICH-Detektor; für spezielle material­technische Aspekte besteht eine Zusammenarbeit mit Michael Dürr (Institut für Angewandte Physik). Ein Teil dieser RICH-Entwicklung wird bereits jetzt in dem derzeit laufenden Hades-Detektor bei GSI eingesetzt. Auf Basis der Theorie der starken Wechsel­wirkung berechnen die Gruppen von Christian Fischer, Bernd-Jochen Schaefer und Lorenz von Smekal am Institut für Theoretische Physik mit modernen numerischen Verfahren und aufwendigen Simulationen die Eigen­schaften der kleinsten Teilchen und der aus ihnen aufgebauten hadronischen Materie unter extremen Bedingungen. Auf diese Weise entstehen theoretische Vorhersagen, welche in den Panda- und CBM-Experimenten überprüft werden können.

Das starke Engagement am Zukunfts­projekt Fair wird abgerundet durch Beteiligungen an anderen derzeit Daten aufzeichnenden Forschungs­anlagen weltweit, wie dem Cern in der Schweiz oder dem KEK in Japan. Zu letzterem hat die JLU ein elektronisches System für Datentransfer mit Glasfaser­technologie und höchster Bandbreite – um den Faktor 20 schneller als der „5G“-Standard – beigesteuert.
 

U Gießen / JOL

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