15.12.2020

Neue Fusionskampagne

Fusionsanlage JET beginnt Forschungsprogramm mit Deuterium-Tritium-Plasmen.

Im europäischen Fusionsforschungs­programm hat der Tokamak JET die Aufgabe, Plasmen in der Nähe der Zündung zu untersuchen. Diese weltweit größte Fusions­anlage ist die zurzeit einzige, die mit dem Brennstoff eines künftigen Fusions­kraftwerks experimentieren kann, den beiden Wasserstoff-Sorten Deuterium und Tritium, dem schweren und überschweren Wasserstoff. Alle anderen Anlagen arbeiten mit Test-Plasmen aus leichtem Wasserstoff oder Deuterium.
 

Abb.: Plasmagefäß der europäischen Fusionsanlage JET. Die Belegung der...
Abb.: Plasmagefäß der europäischen Fusionsanlage JET. Die Belegung der Gefäßwand mit Kacheln aus Beryllium und im Divertor am Boden aus Wolfram entspricht den Materialien, die ITER vorgesehen sind. (Bild: EUROfusion)

In der ersten Deuterium-Tritium-Kampagne 1991 ist es mit JET zum ersten Mal in der Geschichte der Fusions­forschung gelungen, Energie durch Kernfusion freizusetzen. Für die Dauer von zwei Sekunden lieferte das Plasma eine Fusionsleistung von 1,8 Megawatt. 1993 wurde JET nach dem Vorbild der IPP-Anlagen ASDEX und ASDEX Upgrade mit einem neuen Bauteil – einem Divertor – ausgerüstet. In der zweiten Deuterium-Tritium-Kampagne 1997 mit verändertem Mischungs­verhältnis der Brennstoffe konnte JET die Fusionsleistung auf 16 Megawatt steigern. Das entspricht mehr als der Hälfte der aufgewendeten Heizleistung. Für einen Nettogewinn an Energie ist das JET-Plasma allerdings zu klein. Dies ist die Aufgabe des internationalen Experimentalreaktors ITER, der zurzeit in Cadarache in Südfrankreich aufgebaut wird.

Von 2009 bis 2011 wurde die frühere Kohlenstoff-Auskleidung des Plasmagefäßes durch eine Mischung aus Beryllium und – wiederum nach dem Vorbild von ASDEX Upgrade – aus Wolfram ersetzt. Die gleichen Materialien sind auch für ITER vorgesehen: Wolfram ist widerstands­fähiger als Kohlenstoff, der überdies zu viel Wasserstoff einlagert. Allerdings stellt die metallische Wand hohe Anforderungen an die Qualität der Plasmaführung. Eine Voraussetzung dafür war der Ausbau der Neutralteilchen-Plasmaheizung, die seit kurzem gut 30 Megawatt in das Plasma einspeisen kann. 

Anschließend war man über das ganze Jahr 2020 hinweg in aufwändiger Detailarbeit damit beschäftigt, unter den veränderten Wand-Bedingungen mit Plasmen aus Deuterium die passenden Plasma-Szenarien für die dritte Deuterium-Tritium-Kampagne zu entwickeln. Die für diese Perfektionierung der Betriebs­weisen zuständige Gruppe von etwa hundert Wissenschaftlern wurde von Jörg Hobirk und Athina Kappatou aus dem IPP sowie zwei weiteren Forschern aus Fusionslaboratorien in Belgien und Großbritannien geleitet. Die Ergebnisse – stabile Hochleistungs­plasmen in Deuterium über rund fünf Sekunden – stimmen zuversichtlich für den kommenden Tritium-Betrieb.

Mit der dritten Deuterium-Tritium-Kampagne will man vor allem Daten zur Vorbereitung der Experimente mit dem Experimental­reaktor ITER gewinnen. „Diese Untersuchungen sind von großer Bedeutung“, sagt Jörg Hobirk, „weil die bisherigen JET-Werte, die in die Vorbereitung der ITER-Experimente eingehen, nicht mit einer ITER-ähnlichen Metallwand, sondern mit einer Kohlenstoff-Wand erzielt wurden“. 

Begonnen wird zunächst mit Experimenten in reinem Tritium. Hierbei wird zwar kaum Energie freigesetzt, aber es bietet sich „die einmalige Gelegenheit, die Eigenschaften von Tritium- und Deuterium-Plasmen vergleichen zu können und den Einfluss des Isotopeneffekts auf das Plasma­verhalten zu studieren, zum Beispiel auf die Turbulenz im Plasma oder das Dichte- und Temperaturprofil“, so Jörg Hobirk. Nach einer sorgfältigen Auswertung soll dann in der zweiten Jahreshälfte an JET die dritte und letzte Deuterium-Tritium-Kampagne starten.

IPP / DE
 

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