01.02.2021 • Energie

Neue Wege zum Batterie-Recycling

Forschungscluster für nachhaltigere Lithium-Ionen-Batterien.

Recycling und optimierte Rohstoff­kreisläufe, Zweitnutzung und ein wissens­basiertes Zelldesign sollen Lithium-Ionen-Batterien zukünftig nachhaltiger und sicherer machen. Die Grundlagen dafür schaffen Wissenschaftler aus Verfahrens­technik und Material­wissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie KIT mit gemeinsamer Forschung zum Batterie­lebenszyklus. Die neuen Forschungsprojekte sind Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung neu geschaffenen Batterie­forschungscluster „greenBatt“ und „BattNutzung“.

Abb.: Ein verbessertes Verständnis des Lebens­zyklus ermöglicht die...
Abb.: Ein verbessertes Verständnis des Lebens­zyklus ermöglicht die beschleu­nigte Entwicklung ausdauernder, recycling­fähiger und sicherer Lithium-Ionen-Batterien. (Bild: L. Tkotz, KIT)

Batteriezellen mit einer dauerhaft hohen Leistungsfähigkeit können den ökologischen Fußabdruck von Anwendungen wie der Elektro­mobilität erheblich verringern. Denkbar ist es auch, solche Zellen nach Gebrauch weiterzunutzen, etwa in großen Netzspeicher­verbunden. Doch nicht alle Zellen sind für solche „Second-Life-Szenarien“ geeignet, der Langzeitbetrieb erfordert das perfekte Zusammenspiel zahlreicher Komponenten und Materialien: „Beim dauer­haften Laden und Entladen einer Batterie finden unweigerlich auch unerwünschte Seiten­reaktionen statt“, sagt Hans Jürgen Seifert vom Institut für Angewandte Materialien – Angewandte Werkstoffphysik des KIT. „Wenn das ihr Verhalten nachteilig beeinflusst, spricht man von Degradation oder Alterung. Man kann sie nicht ganz verhindern, aber durch ein entsprechendes Zelldesign verzögern und abmildern.“ Seifert und sein Team analysieren die Zersetzungs­mechanismen im besonders reaktiven Elektrolyt anhand der damit einher­gehenden Gasbildung. Durchgeführt werden hochpräzise kalori­metrische Messungen, also die Bilanzierung von Wärmemengen im Betrieb einer Batterie sowie deren thermo­dynamische Modellierungen. Ziel des Projektes sind präzise Vorhersagen zum Zellverhalten bei der Nutzung, erklärt Seifert: „Mit unseren Modellen können dann sichere und nachhaltige Batterien wissens­basiert entwickelt und zügig in den Markt gebracht werden.“

Ein besseres Verständnis der Degradations­prozesse hilft auch dabei, verlässlichere Lebensdauer­prognosen für Lithium-Ionen-Zellen zu erstellen. Entsprechende Testreihen sind aber äußerst zeitaufwendig. „Als Lösung werden Testverfahren benötigt, in denen die Alterung beschleunigt abläuft“, sagt Thomas Wetzel vom Institut für Thermische Verfahrens­technik. „Der Wohlfühlbereich der Zellen liegt bei etwa 25 Grad Celsius. Wenn man sie Hitze oder Kälte aussetzt, altern sie deutlich schneller.“ Die Komplexität der Alterungs­prozesse und der thermischen Bedingungen in den Zellen machen es bislang aber schwierig, Ergebnisse beschleunigter Prüfverfahren auf konventionelle Verfahren zu übertragen. Wetzel und sein Team identifizieren nun geeignete Bedingungen und Parameter, die möglichst wenig zusätzliche Alterungs­mechanismen auslösen und sich deshalb als Marker eignen. Mit Hilfe dieses „thermischen Fingerabdrucks“ einer Batterie­zelle soll es möglich werden, die Alterung auch in beschleunigten Testreihen verlässlich vorherzusagen.

Ein weiterer Schwerpunkt der neuen Cluster sind ein recycling­gerechtes Batterie­design sowie die Weiter­entwicklung von Recycling­verfahren und Rohstoff­kreisläufen. „Derzeit existieren zwei Verfahrens­wege zum Recycling von Lithiumbatterien. Beim pyrometallur­gischen Ansatz werden die Zellen bei hohen Temperaturen eingeschmolzen. Das ist robust und sicher, die erreichbare Recycling­quote ist jedoch begrenzt“, erklärt Hermann Nirschl vom Institut für Mechanische Verfahrens­technik und Mechanik. „Potenziell höhere Recycling­quoten versprechen die mechanischen Ansätze, also das Zerkleinern und Sortieren. Diese sind aber grundsätzlich mit höheren Sicherheitsrisiken behaftet, und die Materialtrennung ist bislang nur mäßig selektiv.“ Am Institut werden einzelne Prozess­parameter und Prozess­ketten des mechanischen Recyclings hochaufgelöst simuliert, verglichen und mit dem Ziel optimiert, ein wirtschaftlich tragfähiges, umwelt­schonendes und funktions­erhaltenden Batterie­recycling zu ermöglichen. Dabei berücksichtigen sie innovative Ansätze wie Schockwellen, Ultraschall­verfahren oder Nassmahlung, die eine hohe Material­selektivität, eine Erhaltung von Funktions­materialien und durch den Einsatz von Wasser auch eine hohe Sicherheit garantieren. Zukünftig können günstige Designmerkmale für Batterien direkt aus den Simulations­ergebnissen abgeleitet werden.

Wo die derzeitigen Verfahren beim Batterie­recycling an Grenzen stoßen, kann die Ausbeute durch eine bessere Kombination von mechanischen mit thermischen Verfahren weiter erhöht werden. So arbeitet das Forschungsteam von Wilhelm Schabel der Thin Film Technology (TFT) an thermischen Recycling­prozessen für flüchtige organische Komponenten in Elektroden­schichten. „Wir wollen wertvolle Rohstoffe zurückgewinnen, die bei der bisherigen Aufbereitung von Batterie­zellen nicht ausreichend berücksichtig wurden“, sagt Schabel. „Gemeinsam mit unseren Projektpartnern werden wir hinsichtlich Recycling­quote auch die Behandlung des Schredderguts bei Temperaturen bis 500 Grad Celsius optimieren.“ Experimente mit neuen spektro­skopischen Messmethoden sollen dabei zu einem grundlegenden Verständnis der Mikro- und Makroprozesse in den Elektroden­schichten während des Recycling­prozesses führen. Außerdem soll eine geeignete Strategie für eine weiterführende thermische Behandlung zur Abtrennung auch von schwersiedenden und in den Schicht­strukturen langsam diffun­dierenden Komponenten gefunden werden. „Unsere experi­mentellen Erkenntnisse werden wir jeweils konsequent in Simulations­modelle überführen“, betont Schabel. „Nur so können wir zur Optimierung zukünftiger Recyclingprozesse beitragen.“

Neben der Nachhaltigkeit steht auch die Sicherheit von Batterie­systemen im Fokus der Arbeit in den neuen Forschungs­clustern. Sicherheits­kritische Defekte auf Zellebene ereignen sich zwar nur selten, können aber schwere Folgen haben – wie etwa beim Lithium-Plating: „Ausgelöst wird der Effekt durch die Anlagerung von metallischem Lithium in der Anode“, erklärt Ulrike Krewer vom Institut für Angewandte Materialien – Werkstoffe der Elektrotechnik. „Das kann zu einem massiven Kapazitäts­verlust führen, im Extremfall auch zu Kurzschlüssen oder sogar zu einem Zellbrand.“ Damit es nicht so weit kommt, können Zellen während des Betriebs überwacht und geprüft werden. Allerdings wurden solche Online-Verfahren bislang vor allem im Labor eingesetzt und sind auf Systemebene wenig sensitiv. Krewer und ihr Team entwickeln nun verbesserte Analyse­algorithmen für die Praxis. „Dabei berück­sichtigen wir nichtlineare Vorgänge beim Betrieb einer Batterie, diese Daten wurden bislang kaum zur Diagnose genutzt“, so Krewer.

Bei der Ausgestaltung des Dachkonzeptes „Forschungsfabrik Batterie“ hat die Bundes­regierung zuletzt vier neue Kompetenz­cluster für die Batterie­forschung geschaffen, die insgesamt mit 100 Millionen Euro gefördert werden. Das KIT koordiniert dabei bundesweite Forschung zu flexiblen Produktions­systemen im Kompetenz­cluster „InZePro“ (Intelligente Batteriezellproduktion) und zu leistungs­starken Batterien im Cluster „AQua“ (Analytik/Qualitäts­sicherung). Auch die Beiträge des KIT in den Forschungs­clustern „greenBatt“ (Recycling / Grüne Batterie) und „BattNutzung“ (Batterie­nutzungskonzepte) basieren auf der engen Zusammenarbeit unter­schiedlicher Institutionen. Beteiligt sind unter anderem verschiedene Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, die Hochschule Ingolstadt, die Rheinisch-West­fälische Technische Hochschule Aachen, die TU Braunschweig, die TU Clausthal, die TU Freiberg, die Technische Univer­sität München, die Westfälische Wilhelms-Universität Münster sowie das Zentrum für Sonnen­energie- und Wasserstoff-Forschung Ulm ZSW.

KIT / JOL

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