Neuer Primärstandard zur Messung von UHV-Drücken
Cold Atom Vacuum Standard (CAVS) soll Unzulänglichkeiten herkömmlicher Vakuumsensoren überwinden
Eine Vakuumkammer ist nie vollkommen leer. Es verbleibt immer eine kleine Anzahl von Atomen oder Molekülen, und die Messung des winzigen Drucks, den sie ausüben, ist von entscheidender Bedeutung. Halbleiterproduzenten stellen unter Ultra-Hochvakuum- (UHV-) Bedingungen beispielsweise Mikrochips in Vakuumkammern her, die fast völlig frei von atomaren und molekularen Verunreinigungen sein müssen. Daher müssen sie den Gasdruck in der Kammer überwachen, um sicherzustellen, dass die Verunreinigungswerte akzeptabel niedrig sind.
Unlängst haben Wissenschaftler des National Institute of Standards and Technology (NIST) ein neues Verfahren zur Messung extrem niedriger Gasdrücke validiert: den CAVS (Cold Atom Vacuum Standard). Dabei stellten sie fest, dass ihre Technik als Primärstandard dienen kann – mit anderen Worten, sie kann von sich aus genaue Messungen vornehmen, ohne dass zuvor eine Kalibrierung anhand von Referenzdruckmesswerten erforderlich ist.
Nachdem die NIST-Forscher die Entwicklung des CAVS in den letzten sieben Jahren vorangetrieben hatten, unterzogen sie ihre Methode kürzlich genauen Tests. Ihre neuesten Untersuchungen zeigen, dass die Ergebnisse von CAVS-Messungen mit der traditionellen „Goldstandard“-Methode zur Messung niedriger Drücke übereinstimmen und sich CAVS-Messungen mit demselben Grad an Genauigkeit und Zuverlässigkeit durchführen lassen.
CAVS kann nicht nur so gute Messungen wie herkömmliche Druckmessgeräte vornehmen, sondern auch die viel niedrigeren Vakuumdrücke – ein Billionstel des atmosphärischen Drucks auf Meereshöhe und darunter, also im Extremen Hochvakuum (XHV), – zuverlässig messen, wie sie beispielsweise für die künftige Chipfertigung und die nächste Generation wissenschaftlicher Experimente benötigt werden. Dabei hat CAVS den Vorteil, ohne Anpassungen oder Kalibrierung an andere Referenzdruckquellen oder -techniken sofort genaue Messwerte liefern zu können.
„Dies ist das krönende Ergebnis", freut sich die NIST-Physikerin Julia Scherschligt. „Wir haben schon vorher zahlreiche positive Entwicklungen gehabt. Aber dies bestätigt die Tatsache, dass unser „kalter Atom-Vakuum-Standard“ wirklich ein Standard ist.“
Neben der Halbleiterherstellung kann die neue Methode auch für andere Anwendungen nützlich sein, die UHV- oder XHV-Umgebungen benötigen, wie z.B. Quantencomputer, Gravitationswellendetektoren, Teilchenbeschleuniger und vieles mehr.
Die CAVS-Technologie misst den Vakuumdruck mithilfe eines kalten Gases aus etwa hunderttausend Lithium- oder Rubidiumatomen, die in einem Magnetfeld eingeschlossen sind. Diese Atome fluoreszieren, wenn sie von einem Laser beleuchtet werden, der genau auf die richtige Frequenz eingestellt ist. Die Anzahl der eingeschlossenen Atome kann genau gezählt werden, indem man die Intensität dieses Leuchtens misst. Wenn der CAVS-Sensor an eine Vakuumkammer angeschlossen wird, stoßen die in der Kammer verbliebenen Atome oder Moleküle mit den gefangenen Atomen zusammen. Jeder Zusammenstoß stößt ein Atom aus der Falle, wodurch sich die Anzahl der Atome und die Intensität des ausgestrahlten Lichts verringert. Diese Intensität, die von Lichtsensoren leicht gemessen werden kann, dient als empfindliches Maß für den Druck. Diese Beziehung zwischen der Abblendrate und der Anzahl der Moleküle wird von der Quantenmechanik genau vorhergesagt.
In der neuen Arbeit hat das NIST-Team seine CAVS-Sensoren an den derzeitigen Goldstandard für Referenzsysteme bei UHV-Druckmessungen, ein dynamisches Expansionssystem, angeschlossen. Dynamische Ausdehnungssysteme funktionieren, indem sie eine bekannte Gasmenge, gemessen in Molekülen pro Sekunde, in eine Vakuumkammer einleiten und dann das Gas am anderen Ende der Kammer mit einer bekannten Geschwindigkeit langsam ablassen. Daraus lässt sich dann der resultierende Druck berechnen.
In ihrem Experiment bauten die Forscher ein solches dynamisches Hochleistungsexpansionssystem, das äußerst kleine Gasströme ermöglicht und mit einem speziell angefertigten Durchflussmessgerät zur Messung extrem geringer Teilchenflüsse ausgestattet ist. In diesem System ließen sie Gas mit einer Durchflussrate von etwa 10 bis 100 Milliarden Molekülen pro Sekunde in die obere Kammer. Das Gas bewegte sich von der oberen Kammer in die untere Kammer, die von einer Vakuumpumpe mit bekannter Pumprate durch eine genau bemessene – und mit einer Präzision im Submikrometerbereich hergestellte – Öffnung evakuiert wurde. Mit einer Reihe von Messgeräten wurde das Druckverhältnis zwischen der oberen und der unteren Kammer kontrolliert, um Unregelmäßigkeiten auszugleichen. Anhand der Gaszuflussrate und der Geschwindigkeit, mit der sich das Gas zwischen den beiden Kammern bewegte, berechneten die Forscher den Druck in der oberen Kammer, den das CAVS unabhängig maß. Die Übereinstimmung beider Werte bestätigte die Güte der neuen CAVS-Druckmessmethode.
„Der Aufwand, der nötig ist, um eine klassische Standardmessanordnung aufzubauen, ist gewaltig“, so Scherschligt. „Das hat uns den Sinn des ganzen Experiments vor Augen geführt, nämlich dass CAVS eine hohe Genauigkeit in einer viel einfacheren Form bietet.“
Das NIST-Team testete bei seiner Arbeit zwei Arten von CAVS-Sensoren. Bei dem einen handelt es sich um eine Laborversion, bei dem anderen um eine mobile Version, die problemlos in der modernen Chipfertigung eingesetzt werden kann. „Die tragbare Version ist so einfach, dass wir uns entschlossen haben, sie so zu automatisieren, dass wir nur sehr selten in ihren Betrieb eingreifen mussten. Tatsächlich wurden die meisten Daten des tragbaren CAVS für diese Studie aufgenommen, während wir bequem zu Hause schliefen“, berichtet NIST-Physiker Dan Barker. „Die von uns gemessenen Gase – darunter Stickstoff, Helium, Argon und sogar Neon – sind allesamt reaktionsträge Halbleiterprozessgase“, erklärt Steve Eckel. „Aber wir hoffen, in Zukunft auch reaktivere Gase wie Wasserstoff, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Sauerstoff messen zu können, die alle sowohl übliche Restgase in Vakuumkammern als auch nützliche Gase für die Halbleiterherstellung sind.“
Zusammengenommen versprechen diese CAVS-Systeme allen Forschern, die mit UHV und XHV arbeiten, neue Höchstleistungen in Wissenschaft und Technik zu erreichen.
NIST / LK