Neuer Solarturm für drei Experimente
Solarthermische Anlage in Jülich soll ab Frühjahr 2020 einsatzreif sein.
Mitte August fiel der Startschuss für den Bau eines zweiten Solarturms des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR am Standort Jülich. Er soll ab Frühjahr 2020 parallel zum ersten Solarturm betrieben werden. Das Besondere der Anlage: Sie verfügt über drei Testebenen, die gleichzeitig genutzt werden können. Die Testkapazität wird deutlich erhöht. Mit dem Multifokus-Turm intensiviert das DLR die Forschung an solarthermischen Technologien.
„An den beiden Solartürmen in Jülich forscht das DLR zu solarthermischen Kraftwerken. Erkenntnisse daraus dienen unter anderem der Entwicklung von Wärmespeicherkraftwerken, die rund um die Uhr Strom aus erneuerbaren Energien liefern können. Zudem sollen die Prozesse für die Erzeugung solarer Brennstoffe untersucht und verbessert werden“, sagt Karsten Lemmer, DLR-Vorstand für Energie und Verkehr. „Gemeinsam mit der Industrie und im Dialog mit der Politik arbeiten wir so an Lösungen für die Energiewende. Der zweite Turm beschleunigt und erweitert unsere Möglichkeiten.“
Die Testkapazitäten des ersten Solarturms reichen schon seit einiger Zeit kaum noch aus, um der gestiegenen Nachfrage von Wissenschaft und Industrie gerecht zu werden. Im neuen Multifokus-Turm wird es drei Testebenen geben, auf denen zeitgleich Versuche stattfinden können. Möglich wird die gleichzeitige Bestrahlung aller Ebenen durch eine neue Betriebssoftware für die Solarspiegel. Für alle drei Forschungsebenen sind bereits Experimente in Vorbereitung. Zum Beispiel soll weiter an Bauxit und Flüssigsalz als Speichermedien geforscht und Versuche zur solaren Wasserspaltung durchgeführt werden. Die DLR-Solarforscher werden eng mit Partnern aus der deutschen und europäischen Industrie zusammenarbeiten.
Bei Solarturmkraftwerken wird die Sonnenstrahlung von vielen einzelnen Spiegeln gebündelt und auf einen Punkt an der Spitze eines Turmes gelenkt, den Receiver. Dort wird ein zirkulierendes Wärmespeichermedium auf Betriebstemperaturen von rund 560 Grad Celsius erhitzt. Die Wärme wird anschließend genutzt, um Wasserdampf zu erzeugen, der Turbinen antreibt und CO2-frei elektrischen Strom produziert. Das DLR forscht daran, die Temperatur auf über 700 Grad zu erhöhen. Ziel ist es dabei, die Effizienz der Stromerzeugung zu verbessern - und damit ihre Kosten zu senken.
Die Technologie für konzentrierende Solarenergie, auf Englisch "Concentrated Solar Power" oder kurz CSP, wurde vor etwa zehn Jahren kommerziell in den Markt eingeführt. Innerhalb dieser Zeit sind die Herstellungskosten für rein solarthermischen Strom von anfangs dreißig bereits auf sieben Eurocents pro Kilowattstunde gefallen. Besonders ertragreich können die Kraftwerke in Regionen mit intensiver Sonneneinstrahlung sein. Sie sind aber nicht nur im Sonnengürtel der Erde einsetzbar. Solare Hochtemperaturwärme kann auch in Deutschland genutzt werden. So ist geplant, sie zur effizienten Wärmeversorgung von energiehungrigen Industrieprozessen einzusetzen. Diese beruhen derzeit noch auf fossilen Rohstoffen und könnten so dekarbonisiert ;werden. Oder das Konzept „Third-Life-Kohlekraftwerk“: Bei der Umrüstung von Braunkohlekraftwerken auf den Betrieb mit erneuerbarem Strom spielen Hochleistungs-Wärmespeicher ebenfalls die zentrale Rolle. Genauso kommt die Weiterentwicklung der solaren Hochtemperaturtechnologien der Erzeugung von solaren Treibstoffen zugute, also synthetischen Kraftstoffen für Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr.
DLR / JOL