23.11.2021

Neustart des ALICE-Experiments nach Umbau

Erste Teilchenkollisionen nach dreijähriger Pause nachgewiesen.

Zehn Jahre lang haben Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler aus dreißig Ländern den Umbau des Alice-Detektors am Teilchen­beschleuniger Cern in Genf vorbereitet. Drei Jahre dauerte es, bis die Forschenden alle neuen Komponenten in den riesigen Detektor eingebaut hatten. Jetzt hat der neue Detektor die ersten Daten geliefert. Das Forschungsziel: Die Erkundung eines extrem heißen und dichten Materie­zustands, wie er im Universum Mikrosekunden nach dem Urknall vorherrschte – ein Quark-Gluon-Plasma. Die Daten zeigen, dass der Umbau, der unter anderem von Harald Appels­häuser von der Goethe-Universität geleitet wurde, erfolgreich war.

Abb.: Der ALICE-Detektor zeichnet unter anderem die Spuren der...
Abb.: Der ALICE-Detektor zeichnet unter anderem die Spuren der Teilchen­schauer auf, die durch die Kollisionen der schweren Atom­kerne entstehen. (Bild: ALICE-Kol.)

Ein Quark-Gluon-Plasma entsteht, wenn Blei-Atomkerne aus dem großen LHC-Beschleuniger mit sehr großer Energie aufeinander­prallen und sich für einen kurzen Moment in ihre elementaren Bestand­teile auflösen. In dieser heißen und dichten Materiesuppe können sich Quarks und Gluonen, die sonst in den Protonen und Neutronen des Atomkerns einge­schlossen sind, frei bewegen. Mit Alice lassen sich die Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas erforschen und wie sich daraus unser Universum, wie wir es heute kennen, entwickelt hat. Die Genauig­keit der Ergebnisse war bisher durch die Anzahl der Kollisionen begrenzt, die am LHC stattfanden und von Alice aufgezeichnet werden konnten. Um die Zahl der Teilchen­kollisionen zu steigern, wurden sowohl der LHC als auch die Detektoren in den letzten drei Jahren erheblich umgebaut und verbessert. 

Im Rahmen einer dreitägigen Pilot­strahlzeit hat der umgebaute Detektor nun eine erfolgreiche Generalprobe für die ab 2022 geplanten und bis 2030 andauernden Messkampagnen absolviert. Harald Appels­häuser vom Institut für Kernphysik der Goethe-Universität und Projektleiter des Teildetektors TPC – Time Projection Chamber – sagt: „Jetzt ist es endlich so weit: Nach zehn Jahren Vorbereitungs­zeit haben wir die ersten Kollisionen gesehen und alles hat funktioniert. Dies ist ein wichtiger Meilenstein für die gesamte Alice-Kolla­boration.“

Eine besonders hohe Herausf­orderung stellt die enorme Datenmenge dar, die das Experiment beim Betrieb nach dem Umbau aufzeichnen wird. Allein der TPC Detektor erzeugt einen Datenstrom von mehr als einem Terabyte pro Sekunde, die in Echtzeit mit Hilfe von effizienten Muster­erkennungs­methoden prozessiert werden müssen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das eigens am Experiment aufgebaute Rechen­cluster EPN –Event Processing Nodes – mit 250 Servern, in denen sowohl konventionelle CPUs als auch spezielle Grafik­prozessoren (GPUs) zum Einsatz kommen. Das EPN-Projekt steht unter der Leitung von Volker Lindenstruth vom Frankfurt Institut for Advanced Studies (FIAS) an der Goethe-Universität. 

Projekte dieser Größen­ordnung erfordern eine enge und koordinierte nationale und inter­nationale Zusammenarbeit. Allein aus Deutschland sind Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Frankfurt, Heidelberg, München, Münster und Bonn sowie dem GSI Helmholtzzentrum für Schwerionen­forschung in Darmstadt beteiligt. Sie sind in einem vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung geförderten ErUM Forschungs­schwerpunkt organisiert, kurz für „Erforschung von Universum und Materie“. Harald Appelshäuser sagt: „Ohne die nachhaltige Förderung im Rahmen der BMBF Verbund­forschung wären solche wissenschaftlichen Spitzen­projekte an internationalen Großforschungs­anlagen mit weltweit einmaligen Forschungs­möglichkeiten wie dem Cern nicht möglich.“

U. Frankfurt / JOL

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