09.10.2008

Nobelpreis für Chemie 2008

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an die Amerikaner Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien.



Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an die Amerikaner Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien. Sie haben das grünlich leuchtende Protein einer Qualle zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Biologie gemacht. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. Mit dem Protein können viele Zellen sichtbar gemacht werden, um ihre Entwicklung im Körper verfolgen zu können. Die höchste Auszeichnung für Chemiker ist in diesem Jahr mit umgerechnet einer Million Euro (10 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.

Im vergangenen Jahr hatte der Deutsche Gerhard Ertl die Auszeichnung bekommen. Er wurde für die genaue Untersuchung chemischer Reaktionen an festen Oberflächen geehrt. Diese Prozesse laufen unter anderem im Autokatalysator ab.

Am Tag zuvor hatte die Akademie den Physik-Nobelpreis für bahnbrechende Erkenntnisse zur Existenz des Universums an die Physiker Yoichiro Nambu (USA), Makoto Kobayashi (Japan) und Toshihide Maskawa (Japan) vergeben.

Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.


Die Nobelpreisträger für Chemie

"for the discovery and development of the green fluorescent protein, GFP"
("Für die Entdeckung und Entwicklung des grün fluoreszierenden Eiweiß, GFP")


Abb.: Osamu Shimonura (Bild: Henriksson/SCANPIX)


Osamu Shimonura (USA, JAPAN), *1928
Marine Biological Laboratory (MBL), Woods Hole, MA, USA

Der Japaner Osamu Shimomura ist von einem ungebremsten Forscherdrang beseelt. 20 Jahre lang verbrachte der Chemiker seinen Sommerurlaub mit der Familie im Nordwesten der USA. Dort sammelte er mit Frau, Sohn und Tochter emsig jene Quallen, deren leuchtende Punkte vom grün fluoreszierenden Protein (GFP) hervorgerufen werden. Bis zu 3000 glibberige Exemplare dieser Qualle mit dem lateinischen Namen Aequorea victoria brachte die Familienaktion in der Friday-Bucht des US-Bundesstaates Washington pro Tag ein. Am Ende eines Sommers hatten die Shimomuras bis zu zweieinhalb Tonnen Quallen zusammengetragen, gerade genug für den Forscher, um einige hundert Milligramm GFP für seine Arbeit zu gewinnen, wie das «Forbes»-Magazin 2001 berichtete.

Shimomura gelang es 1962 als Erstem, das grünlich fluoreszierende Protein zu isolieren und herauszufinden, welcher Teil dieses Eiweißes für das Leuchten verantwortlich ist. Seit 2001 ist er, offiziell im Ruhestand. Das Ende seiner Arbeit am Meeresbiologielabor in Woods Hole (Massachusetts) bedeutete für Shimomura aber keineswegs das Ende seiner Forschung. Mithilfe von Frau und Freunden richtete er sich ein eigenes «Photoprotein-Labor» in seinem Haus im Nachbarort Falmouth ein und setzt seine Arbeit nun im Keller fort.

So privat wie mit seiner Forschung hält es der frisch gebackene Nobelpreisträger auch mit der «Öffentlichkeitsarbeit»: Nachdem ihn der Anruf aus Stockholm frühmorgens gegen 5.30 Uhr erreicht hatte, legte er den Hörer neben sein Telefon und war nach Auskunft der Presseabteilung seines früheren Instituts für niemanden zu erreichen. Das Institut schickte eine Delegation zu ihm nach Hause, um ihm gratulieren und für Interviews gewinnen zu können.

Shimomura wurde 1928 in Kyoto geboren, promovierte 1960 in organischer Chemie an der Nagoya-Universität, folgte später einem Ruf an die Princeton-Universität im US-Bundesstaat New Jersey und forschte von 1980 bis zu seiner Pensionierung 2001 in Woods Hole. Er besitzt weiterhin die japanische Staatsbürgerschaft.




Abb.: Martin Chalfie (Bild: Henriksson/SCANPIX)


Martin Chalfie (USA), *1947
Columbia University, New York, NY, USA

Der Neurobiologe Martin Chalfie war schon immer schwer zu erreichen. «Der Speicher ist voll!», das tönte es am Mittwoch von seinem Privatanschluss in Manhattan sowie den Telefonen in seinem Büro und dem Labor an der Columbia-Universität in New York zurück. «Martin Chalfie haben wir telefonisch leider nicht erreicht», berichtete auch der Akademiesekretär Gunnar Öquist in Stockholm. «Wir haben ihm eine E-Mail geschickt, dass er den Nobelpreis bekommen hat.»

Chalfie hat schon häufiger Anrufe verpasst. So wäre ihm vor Jahren um ein Haar die Forschungsarbeit am grün fluoreszierenden Protein (GFP) und damit sein Anteil am diesjährigen Nobelpreis in Chemie entgangen. Sein Kollege Douglas Prasher versuchte Chalfie Anfang der 90er Jahre zu erreichen, um ihm von seiner Entdeckung des GFP-Gens zu berichten und eine Genkopie zu schicken. Doch Chalfie hatte sich aus seinem New Yorker Labor zurückgezogen und war eine zeitlang in Utah. «Damals ging er nie ans Telefon», erzählte Prasher dem «Forbes» Magazin. «Er hatte dort eine Freundin». Chalfie hat es einem Zufall zu verdanken, dass er in Utah auf Prashers Veröffentlichung stieß - und umgehend mit ihm Kontakt aufnahm.

Zurück in seinem Labor, pflanzte Chalfie Prashers GFP-Sequenzen in Bakterien und sah diese leuchten, wenn er sie mit blauem Licht beschien. Sein 1994 publiziertes Ergebnis machte das Protein als genetischen Marker weithin bekannt. Chalfies Freundin Tulle Hazelrigg aus Utah ist inzwischen seine Frau und arbeitet als Professorin ebenfalls an der Columbia-Universität. Die Spezialistin für Fruchtfliegen verknüpfte GFP mit anderen Proteinen und zeigte als eine der Ersten, wie sich Proteine innerhalb einer Zelle bewegen.

Die Ständige Sekretärin des Nobelkomitees für Chemie, Astrid Gräslund, hob die Leistung des Amerikaners am Mittwoch mit den Worten hervor: «Chalfie hat sich bei der Weiterentwicklung nicht an die konventionellen Weisheiten gehalten, sondern ist eigene Wege gegangen». Chalfie wurde 1947 geboren und wuchs in Chicago auf. Er promovierte an der Harvard Universität und forscht seit 1982 bei Columbia-Universität, eine der offiziellen Eliteschulen der USA.





Abb.: Roger Y. Tsien (Bild: UCSD)



Roger Y. Tsien (USA), *1952
University of California, San Diego, CA, USA

Roger Y. Tsien ist keiner der Wissenschaftler, die weltfremd im Elfenbeinturm der Wissenschaft vor sich hin werkeln. «Tsien ist eine sehr offene Persönlichkeit. Er ist außerordentlich kommunikativ», sagt Roland Eils vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Der US-Amerikaner reise sehr viel und sei ein «fantastischer Forscher». Mit den Patenten auf immer neue fluoreszierende Proteine habe er nicht nur wissenschaftliche Anerkennung gewonnen, sondern sei auch finanziell sehr erfolgreich.

Ein großer Vorteil Tiens sei sein Hang zu interdisziplinärer Arbeit, betont Oliver Griesbeck vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried. Er habe früh Optiker, Chemiker, Physiker und Elektroniker um sich geschart und fächerübergreifend gearbeitet, als das in der Forschung noch kaum ein Thema war.

Tsien wurde am 1. Februar 1952 in New York (USA) geboren. Er studierte Chemie und Physik in Harvard und promovierte 1977 an der Universität Cambridge (Großbritannien). 1981 nahm er eine Professur an der Universität von Kalifornien in Berkeley an, 1989 folgte der Wechsel nach San Diego an die Universität von Kalifornien. Der US- Amerikaner erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Preis der American Heart Association für Grundlagenforschung (1995) sowie die Max-Delbrück-Medaille (2002). 1998 wurde er zum Mitglied der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften gewählt.




Hintergrund


Das grün fluoreszierende Protein (GFP) - Werkzeug für Zellforscher

Das grün fluoreszierende Protein (GFP) bringt in der Natur die Pazifik-Qualle Aequorea victoria zum Leuchten. Wozu das Tier leuchtet, ist unklar: Ob diese und andere Leuchtquallen mit ihrem Blinken Beute anlocken oder im Gegensatz Feinde abschrecken wollen, konnten Forscher noch nicht klären.

GFP ist ein kleines, zylinderförmiges Eiweißmolekül aus 238 Bausteinen - sogenannten Aminosäuren - mit einer Licht emittierenden Gruppe in der Mitte. Das Protein fluoresziert bei Bestrahlung mit blauem oder ultraviolettem Licht grün. Die Erbsubstanz für das Leuchtprotein kann gezielt mit der eines beliebigen anderen Proteins verknüpft und in Organismen eingeschleust werden. Mit einem Lichtmikroskop kann dann die Aktivität des Zielproteins in lebenden Zellen live beobachtet werden.

Die Verwendung fluoreszierender Proteine ist eine beliebte Standardmethode der Biotechnologie geworden. Mittlerweile gibt es auch gelbe, rote und blaue Varianten fluoreszierender Proteine für die Forschung. Auch komplett leuchtende Organismen wurden geschaffen: Mäuse, Kaninchen und Fische zum Beispiel.

dpa


Weitere Infos:





Nobelpreisträger der Chemie seit 1998


Die seit 1901 verliehenen Chemie-Nobelpreise gingen vor allem an amerikanische Forscher. Die erste Auszeichnung erhielt der Niederländer Jacobus van't Hoff für die Entdeckung von Gesetzen der Osmose. Im vergangenen Jahr wurde der deutsche Forscher Gerhard Ertl geehrt. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre sind:

  • 2007: Gerhard Ertl (Deutschland) vom Fritz-Haber-Institut in Berlin für die exakte Untersuchung chemischer Reaktionen, wie sie etwa im Autokatalysator oder bei der Herstellung von Dünger ablaufen.
  • 2006: Roger D. Kornberg (USA) für Erkenntnisse darüber, wie die Zelle aus dem Bauplan in den Genen fertige Proteine herstellt.
  • 2005: Yves Chauvin (Frankreich), Robert H. Grubbs (USA) und Richard R. Schrock (USA) für die Entwicklung neuer Reaktionswege in der organischen Chemie, unter anderem zur Produktion von Plastik und Arzneien.
  • 2004: Aaron Ciechanover und Avram Hershko (beide Israel) sowie Irwin Rose (USA) für die Entdeckung eines lebenswichtigen Prozesses zum Abbau von Proteinen im Körper.
  • 2003: Peter Agre (USA) und Roderick MacKinnon (USA) für die Erforschung von Ionen- und Wasserkanälen der Körperzellen.
  • 2002: John B. Fenn (USA), Koichi Tanaka (Japan) und Kurt Wüthrich (Schweiz) für ihre Methoden zum Vermessen von biologischen Molekülen.
  • 2001: William S. Knowles (USA), Barry Sharpless (USA) und Ryoji Noyori (Japan) für die Beschreibung neuer Katalysatoren.
  • 2000: Alan Heeger, Alan MacDiarmid (beide USA) und Hideki Shirakawa (Japan) für Entdeckung und Entwicklung elektrisch leitender Kunststoffe.
  • 1999: Ahmed H. Zewail (Ägypten und USA) für die Untersuchung der Dynamik ultraschneller chemischer Reaktionen («Femtosekunden- Chemie»).
  • 1998: Walter Kohn (USA) und John A. Pople (Großbritannien) für ihre Beiträge zur Quantenchemie.

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