05.10.2006

Nobelpreis-Großmacht USA

Mit insgesamt 228 wissenschaftlichen Nobelpreisträgern seit 1901 liegen die USA unangefochten an der Spitze. Was sind die Gründe dafür?

Stockholm/Hamburg (dpa) - Alle wissenschaftlichen Nobelpreise gehen in diesem Jahr in die USA - mit insgesamt 228 Preisträgern seit 1901 liegen die USA unangefochten und mit weitem Abstand vor Großbritannien (75) und Deutschland (65) an der Spitze. Was sind die Gründe dafür? Der Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Prof. Helmut Schwarz, sieht die Ursachen nicht in erster Linie auf der Qualitätsebene. «Es gibt auch in Japan und Europa erstklassige Forscher, die den Preis ebenso verdient hätten. Aber was bei uns fehlt, ist eine gebündelte Lobbyarbeit», sagte er der dpa am Mittwoch.

Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland müssten sich viel besser vernetzen und dann gemeinsam ihre Kandidaten vor den entsprechenden Gremien vertreten. «Da gibt's bei uns noch was nachzuholen», sagte Schwarz. Das mangelnde Vermögen, sich selber lautstark und effizient anzupreisen, sei hier zu Lande möglicherweise auch eine Mentalitätsfrage. «In den USA gibt es da ganz andere Mechanismen.»

Der deutsche Chemie-Nobelpreisträger von 1988, Prof. Robert Huber vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München, ergänzt: «Die Amerikaner verstehen es gut, ausgezeichnete Leute aus dem Ausland zu holen, die gute Arbeit machen.» Paradebeispiel erfolgreicher US-Forschung ist die Medical School der Stanford University in Kalifornien: Zwei der diesjährigen fünf Wissenschafts- Nobelpreisträger arbeiten dort. Die kleine, aber elitäre Mediziner- Hochburg liegt im Silicon Valley. Sie führt ihren Erfolg teils auf die Nähe zu industriellen Partnern, teils aber auch auf die enge Zusammenarbeit mit der benachbarten Technischen Universität von Stanford zurück.

Seit ihrer Gründung 1958 gelangen an der Medical School zahlreiche medizinische Durchbrüche. Hier wurde 1981 die weltweit erste erfolgreiche Herz- und Lungentransplantation durchgeführt, 2000 das erste vererbte Arthritis-Gen und 2001 eine neue Gruppe von Asthma- Genen entdeckt. Stanfords Medical School beschäftigt 736 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter, erhielt im vergangenen Jahr 245 Millionen Dollar aus der öffentlichen Hand und bittet ihre Studenten mit einer jährlichen Studiengebühr von rund 50 000 Dollar zur Kasse. Dennoch erscheint diese Zukunftsinvestition sehr vielen lohnend: Von 5548 Studienplatz-Bewerbern wurden 2005 nur 86 angenommen - Auslese auch in dieser Hinsicht.

In den USA lag der Anteil für Forschungsausgaben zuletzt bei etwa 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Deutschland sanken die Gesamtausgaben von Staat und Wirtschaft für Forschung und Entwicklung von 2,52 Prozent (2003) auf 2,48 Prozent (2004) des BIP. Während der Bund zusätzliche sechs Milliarden Euro bis 2009 in ein Wachstumspaket von insgesamt 14,9 Milliarden Euro investiert, müssen Länder und Wirtschaft noch nachziehen. Nur so kann das EU-Ziel, bis zum Jahr 2010 drei Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung auszugeben, erreicht werden. Von der Investition in die Forschung bis hin zum «Pflücken der Früchte», etwa als hohe Wissenschaftspreise, können leicht bis zu 15 Jahre vergehen.

Der frischgekürte Chemie-Nobelpreisträger Roger D. Kornberg erklärte den Erfolg der US-Forscher am Mittwoch so: «Das liegt an der beispiellosen öffentlichen Unterstützung für die Wissenschaft in den USA. Und an der Größe des Wissenschaftsbetriebs.» Der Chefredakteur des renommierten US-Fachjournals «Science», Donald Kennedy, sieht die Europäer und Asiaten jedoch in der Aufholjagd: «Einige Leute in den USA machen sich darüber inzwischen ernsthafte Sorgen - aber ich glaube, dass dies der Wissenschaft sehr gut tun wird», sagte er in einem «Spiegel»-Interview.

Andrea Barthélémy und Gisela Ostwald, dpa

Übersicht: Die erfolgreichsten Nobelpreisländer

Bei den wissenschaftlichen Nobelpreisen haben die USA seit Stiftung der Auszeichnungen 1901 von allen Nationen mit Abstand am besten abgeschnitten. Deutschland belegt in der Weltrangliste der Nobelpreisträger in Medizin, Physik oder Chemie Platz 3:

Nobelpreisträger seit 1901:

  1. USA (228)
  2. Großbritannien (75)
  3. Deutschland (65)
  4. Frankreich (26)
  5. Schweden/Schweiz (16)
  6. Niederlande (13)
  7. Dänemark/Japan/Österreich (9)
  8. UdSSR/Kanada (8)
  9. Italien (7)
  10. Belgien/Australien/Russland (5)

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