Osnabrücker Physiker sind den Geheimnissen des Calcits auf der Spur
Forscher finden mit hochaufgelöster Rasterkraftmikroskopie verschiedene Arten von Wasseranlagerungen an der Mineraloberfläche.
Calcit ist eines der häufigsten Minerale der Erde und spielt eine zentrale Rolle in natürlichen und technischen Prozessen. „Indem wir verstehen, wie Wasser mit der Calcit-Oberfläche wechselwirkt, können wir wichtige naturwissenschaftliche und gesellschaftlich relevante Fragen besser beantworten – von Klimaschutz über Umweltschutz bis hin zur Entwicklung neuer Materialien“, erklärt Philipp Rahe. Mit hochaufgelöster Rasterkraftmikroskopie ist es den Osnabrücker Physikern gelungen, die Anordnung und Orientierung von einzelnen Wassermolekülen auf der Oberfläche von Calcit abzubilden. Hierzu wird eine atomar scharfe Spitze, an deren Endpunkt ein einzelnes Kohlenstoffmonoxid-Molekül gebunden ist, in die Nähe der wasserbedeckten Calcit-Oberfläche gebracht. Die auf diese Spitze wirkende Kraft ermöglicht Messungen mit extrem hoher Empfindlichkeit und Auflösung auf subatomarer Skala.

„Bei den Experimenten an einzelnen Wassermolekülen machten wir sehr früh die Beobachtung, dass es zwei Typen von Wassermolekülen auf der Calcit- Oberfläche zu geben scheint. Dies war erstaunlich, da in der Literatur bislang kein Unterschied zwischen diesen Wassermolekülen bei einer geschlossenen Wasserlage beobachtet wurde“, sagt Dr. Rahe, in dessen Nachwuchsgruppe die Experimente durchgeführt wurden. „Wir mussten erst in Vorexperimenten einige Entwicklungen durchführen, wie zum Beispiel einen besonderen Probenhalter und spezielle Messprotokolle, um diese Untersuchungen von einzelnen Wassermolekülen machen zu können“ ergänzt Jonas Heggemann, der Erstautor der Studie.
Die Arbeitsgruppe um Rahe hat erst kürzlich die Struktur der Calcit-Oberfläche geklärt und eine Oberflächenrekonstruktion, d.h. eine Umordnung der Atome in der obersten Lage der Oberfläche, identifiziert. Bei dieser Rekonstruktion entstehen zwei verschiedene Positionen, an denen Wasser an die Oberfläche binden kann. „Das Erstaunliche an diesem System ist, dass das Wasser den Unterschied zwischen diesen beiden Positionen aufhebt, es buchstäblich an einem Teil der Oberflächenatomen zieht“ erklärt Rahe. In Zusammenarbeit mit Prof. Adam Foster und Jie Huang von der Universität Aalto in Finnland konnte dieser Prozess in der aktuellen Studie mittels ab-initio Simulationen genau verstanden werden: Während die Bindung des Wassers an der ersten Position mit nur minimaler Änderung der Oberfläche einhergeht, bewegen sich an der zweiten Position die Oberflächenatome aus der rekonstruierten Struktur zurück in die ursprüngliche Kristallstruktur. Dieser Prozess wird durch ein einzelnes Wassermolekül verursacht und erfordert Energie. Daher bindet Wasser unterschiedlich stark an diese zwei Positionen, obwohl die lokale Geometrie identisch ist. [U Osnabrück / dre]
Weitere Informationen
- Originalveröffentlichung
J. Heggemann et al., Sidestepping Intermolecular Hydrogen Bonds: How Single Water Molecules Adsorb and Assemble on the Calcite(104)–(2 × 1) Surface, ACS Nano 19(29), 26650–26658, 16. Juli 2025; DOI: 10.1021/acsnano.5c05845 - Nachwuchsgruppe „Molekulare Quantenstrukturen“ (Philipp Rahe), Institut für Physik, Universität Osnabrück