14.10.2025

PFAS-Filter aus der Kugelmühle

Ein Forschungsteam hat eine umweltfreundliche Gerüststruktur erzeugt, die bei der Beseitigung der Ewigkeitschemikalien helfen könnte.

PFAS sind fluor­haltige Verbindungen, die in viele Alltags­produkten stecken, etwa in Outdoor-Bekleidung und Koch­geschirr wie der Teflon­pfanne. Denn PFAS sind widerstands­fähig, hitze­beständig und schmutz­abweisend. Genau diese Stabili­tät macht Pro­bleme: Die poten­ziell gesundheits­schäd­lichen Substanzen werden in der Umwelt kaum abgebaut und gelten als Ewigkeits­chemikalien. Auch in Abwässern finden sich PFAS. Sie herauszu­filtern, ist zwar möglich, aber aufwändig. Ein Team unter der Leitung der Bundes­anstalt für Material­forschung und -prüfung (BAM) hat nun ein neues Filter­material entwickelt, basierend auf einer ungewöhn­lichen Produktions­methode. Entschei­dende Experi­mente zur Opti­mierung des Verfah­rens fanden an der DESY-Röntgen­quelle PETRA III statt.

Die neuen Filter-Kandidaten heißen „kova­lente orga­nische Gerüst­strukturen“ (covalent organic frameworks, COFs). Sie besitzen nano­meter­kleine Poren, in denen PFAS-Moleküle buchstäblich hängenbleiben können. Die Nano-Gerüste lassen sich auf eine origi­nelle Weise her­stel­len – durch das Mahlen in einer speziel­len Mühle. „Im Labor nutzen wir dazu einen kleinen Plastik­zylinder, etwa so groß wie ein Film­dös­chen“, erklärt BAM-Forsche­rin Fran­zis­ka Emmer­ling. „In diesen Zylinder tun wir etwas Pulver, ein Tröpfchen Löse­mittel und zwei Stahl­kugeln, etwa so groß wie Pfeffer­körner.“

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Juliane Borchert • 9/2024 • Seite 72

Optimiertes Wachstum

Diese Kugelmühle schüttelt eine Spezial­mechanik dann mehr als dreißig­mal pro Sekunde hin und her – wodurch der Inhalt regel­recht gemahlen wird. Zunächst werden die Pulver­körnchen dabei kleiner. Dadurch gewinnen sie an Ober­fläche, und nach einigen Minuten kann unter dem Einfluss von Reibungs­wärme, Druck­erhöhung und Bewegungs­energie eine chemische Reaktion einsetzen: Die klein­gemahlenen Partikel verbinden sich zu größeren Gebilden, zu filter­tauglichen Gerüst­strukturen. Mechano­chemie, so nennt sich dieser wenig bekannte Zweig der Produktions­verfahren.

„Eigentlich ist das eine alte Geschichte, vermutlich spielte die Mechano­chemie bereits im Alter­tum eine Rolle“, erzählt DESY-Physiker Martin Etter. „Beim Zerreiben pflanz­licher Stoffe in einem Mörser dürften erste Arznei­wirk­stoffe freige­setzt oder eventuell sogar durch chemische Reaktion entstanden sein.“ Heute werden mechano­chemische Verfahren in der Industrie für die Synthese von Medika­menten, Katalysa­toren und Funktions­materialien genutzt. Da sie meist ohne größere Mengen an giftigen Lösungs­mitteln und mit relativ wenig Energie auskommen, gelten die Verfahren als nach­haltig und umwelt­verträg­lich.

Doch wie lassen sich die Filter­gerüste am wirkungs­vollsten per Kugel­mühle herstellen? Um das herauszu­finden, unter­suchte die Arbeits­gruppe in Hamburg den Prozess mit dem hoch­inten­siven, gebündelten Röntgen­licht von PETRA III. Während die Mühle in Aktion war, durch­leuchtete der Strahl alle zehn Sekunden ihren Inhalt und konnte dabei die Kristall­struk­turen enträtseln. „Die beiden Ausgangs­stoffe lieferten ein anderes Muster auf unserem Detektor als die Chemikalie, die durch die chemische Reaktion entstand“, erklärt Etter. „Wir konnten quasi live zugucken, wie die Muster der beiden Start­chemika­lien immer schwächer wurden und zugleich das Muster der neuen Chemi­kalie erschien – das der Gerüst­strukturen.“

Um die optimalen Prozess­parameter zu identifi­zieren, variierte das Team unter anderem die Schüttel­frequenz der Kugel­mühle sowie die Menge des beigefügten Lösungs­mittels. Das Ergebnis: Die besten Gerüst­strukturen entstanden bei einer Frequenz von 36 Hertz, bei einer Pulver­menge von 266 Milli­gramm und einer Lösungs­mittel­zugabe von 250 Mikro­litern – ein paar Tröpfchen. Im Gegen­satz zu anderen Gerüst­strukturen, die bereits als Filter einge­setzt werden, enthält das neue Material keine Schwer­metalle und wäre damit umwelt­verträg­licher.

Zwar ist noch offen, wie sich die poten­ziellen PFAS-Filter im groß­tech­nischen Maß­stab herstellen lassen könnten. Etter jeden­falls hat schon ein paar Ideen, wo sie eines Tages Verwen­dung finden könnten. „Etwa in Klär­anlagen von Unter­nehmen, in deren Produk­tion PFAS-Chemi­kalien anfal­len“, sagt der Physiker. „Und vielleicht können sie irgendwann sogar in gewöhn­liche Wasser­hähne inte­griert werden, um dadurch unser Trink­wasser zu filtern.“

Die Forschung in Sachen Mechano­chemie wird bei DESY weiter­gehen. Große Hoff­nungen setzen die Fachleute dabei auf PETRA IV, die geplante Nach­folgerin der heutigen Röntgen­licht­quelle. Denn PETRA IV soll einen deutlich feineren, stärker gebündelten Röntgen­strahl liefern, was die Messungen erheblich beschleu­nigen dürfte. „Dann werden wir nicht alle zehn Sekunden ein Bild aufnehmen können, sondern vielleicht zehn Bilder pro Sekunde“, schwärmt Etter. „Und damit könnten wir zum Beispiel chemische Prozesse beobachten, die sehr schnell ablaufen und bei denen kurz­lebige Zwischen­strukturen entstehen.“ [DESY / dre]

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