Photonik und Quantentechnologie verschmelzen
Überregionales Zentrum für Quantenphotonik in Ulm, Stuttgart und Jena geht an den Start.
Am 28. März 2022 wurde das erste überregionale Zentrum für Quantenphotonik an den Standorten der Universitäten Ulm, Stuttgart und Jena eröffnet. Das von der Carl-Zeiss-Stiftung mit 12 Millionen Euro geförderte Center soll rund fünfzig Wissenschaftlern eine disziplin- und standortübergreifende Plattform für Forschung und Austausch bieten. Zur Eröffnung überreichten Ministerin Theresia Bauer und Minister Wolfgang Tiefensee in Stuttgart und Jena einen Scheck über die Gesamtfördersumme an die drei Standortleiter.
Laser, Magnetresonanztomografie und Halbleiter sind Technologien aus der Quantenphysik, die bereits heute unser Leben prägen. Die Potenziale von Quantentechnologien im Bereich Kommunikation, Computing, Sensorik und Bildgebung beherrschen technologische Zukunftsdebatten. Um diese Potenziale nutzen zu können, werden überregionale Plattformen benötigt, die unterschiedliche Expertisen zusammenführen. „Quantentechnologien haben das Potenzial, Innovationsfelder entscheidend voranzubringen. Um im internationalen Wettbewerb eine Spitzenposition einzunehmen, müssen wir überregionale Strukturen schaffen, um unser Wissen zu teilen“, ist Ministerin Theresia Bauer, Vorsitzende der Stiftungsverwaltung der Carl-Zeiss-Stiftung überzeugt.
Die Photonik stellt im Bereich der Quantenwissenschaft eine Schlüsseltechnologie dar: Photonen dienen als Sensorelemente, Datenübermittler und Quantensysteme. Die Vernetzung aus Quantentechnologien und Photonik bildet das Fundament des Carl-Zeiss-Stiftung Centers QPhoton an den Standorten Jena, Stuttgart und Ulm. Ziel ist die Entwicklung einer neuen Generation von Bildgebungs- und Sensortechnologien, die auf Quantenwissenschaften basieren. Sie sollen höhere Sensitivitäten und eine schnellere Datenverarbeitung ermöglichen. Durch die Verbindung der drei Standorte wird die Quantenphotonik von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung weiter vorangetrieben.
Die jeweiligen Stärken in den Quantentechnologien mit Atomen, Festkörpern, supraleitenden Materialien und Photonen ergänzen sich und ermöglichen eine gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. „Das CZS Center QPhoton bietet eine vielversprechende Forschungsplattform, um innovative Ansätze im Bereich Bildgebung, Sensorik und Informationsverarbeitung zu vernetzen. Quantenphotonik ist dabei eine der relevantesten Schlüsseltechnologien“, erklärt Minister Wolfgang Tiefensee, Mitglied der Stiftungsverwaltung der Carl-Zeiss-Stiftung. Im CZS Center QPhoton wird dieses Ziel in drei Innovationsbereichen standortübergreifend vorangetrieben: Sensortechnologien zur Kontrolle von Quantensystemen, Quantentechnologien für Quanten-Bildgebungsverfahren und Quanten-basierte Informationsverarbeitung.
Im Bereich Sensortechnologien zur Kontrolle von Quantensystemen fokussieren sich die Wissenschaftler auf die Erforschung und Entwicklung von hochsensitiven Sensoren. „Quantensysteme, wie sie gegenwärtig schon für Anwendungen z.B. beim Quantencomputing eingesetzt werden, reagieren extrem empfindlich auf äußere Störungen“, erklärt Joachim Ankerhold, Standortleiter des CZS Center QPhoton Ulm. Um diese Systeme aber zielgerichtet erforschen und nutzen zu können, müssen sie nicht nur gemessen, sondern auch manipuliert werden. „Hier setzen neueste und zukünftige Verfahren der Sensorik an: Sie greifen in die Quantenmechanik der Systeme nur minimal ein, liefern aber auf der anderen Seite hochpräzise Informationen über deren tatsächliche Quanteneigenschaften und Quantenzustände“, so Ankerhold weiter. Diese Informationen bilden wiederum die Grundlage zur Kontrolle und gezielten Beeinflussung, beispielsweise bei der Fehlerkorrektur bei Quantencomputern oder der Optimierung von Materialeigenschaften.
Im Bereich Quantentechnologien für Quanten-Bildgebungsverfahren sollen unter anderem erste Anwendungen wie Quantenmikroskopie im Bereich der Lebenswissenschaften entwickelt werden. Durch die genaue Bestimmung der Lage und Beschaffenheit von Molekülen können beispielsweise neue Anwendungen bei der Krebstherapie erforscht werden. „Um quantenmechanische Bits auszulesen, werden meist optische Methoden eingesetzt. Die Güte zu verbessern beziehungweise Fehlerraten zu reduzieren, ist eine Aufgabe in Quantenbildgebungsverfahren. Aber auch andere photoempfindliche Objekte können zum Beispiel durch verschränkte Photonenpaare in unterschiedlichen Spektralbereichen störungsfreier nachgewiesen werden“, erklärt Tilman Pfau, Standortleiter des CZS Center QPhoton Stuttgart.
Die Entwicklung von Methoden der Daten- und Signalverarbeitung sowie spezifischer photonischer Hardware für den Einsatz im Quantencomputing steht im Mittelpunkt des Innovationsbereichs Quanten-basierte Informationsverarbeitung. „Einerseits kann die Quanteninformationsverarbeitung genutzt werden, um Rechenaufgaben zu meistern, bei denen selbst modernste Hochleistungscomputer scheitern. Andererseits geht es auch darum, auf neuartige Weise Informationen von physikalischen Systemen zu gewinnen, die mit klassischen Ansätzen nicht zugänglich sind und diese zu übertragen“, erklärt Andreas Tünnermann, Standortleiter des CZS Center QPhoton an der Universität Jena. Zusammen mit dem Jenaer Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik befasst sich das neue Zentrum in diesem Zusammenhang mit der Identifikation konkreter Quantenmehrwerte für die Wirtschaft.
Insgesamt rund fünfzig Wissenschaftler sollen im CZS Center QPhoton gemeinsam in den drei Innovationsfeldern forschen. Neben den Forschungskooperationen profitieren die Wissenschaftler von gemeinsamen Gastvorträgen, Seminaren und Workshops. Standortübergreifende Veranstaltungen und Fortbildungsmöglichkeiten runden das Angebot ab.
Carl-Zeiss-Stiftung / DE