06.10.2015

Physik-Nobelpreis: Und sie oszillieren immer noch...

Der Nobelpreis für Physik geht an Takaaki Kajita und Arthur B. McDonald für den Nachweis von Neutrino-Oszillationen.

Als Göran Hansson, Generalsekretär der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, beim Verkünden der Preisträger des Physik-Nobelpreises 2015 damit begann, dass es um die mit am häufigsten im Universum vorkommenden Teilchen geht, die ständig ihre Identität wechseln, war klar, dass es sich um Neutrinos handelt. Die Namen der Preisträger, Takaaki Kajita und Arthur B. McDonald, dürften allgemein aber weniger bekannt sein als die Kollaborationen, die sie zum Nachweis der Neutrino-Oszillationen geführt haben: Super-Kamiokande und Sudbury Neutrino Observatory (SNO).

Die Arbeiten von Takaaki Kajita mit der Super-Kamiokande-Kollaboration und von Arthur B. McDonald mit der SNO-Kollaboration warfen zur Jahrtausendwende Licht auf die bis dahin fast vollständig dunkle Welt der Neutrinos. Diese sind zwar – nach den Photonen – die häufigsten Teilchen im Universum und durchdringen jeden von uns mit der unvorstellbaren Rate von einigen Billionen pro Sekunde. Da sie aber überaus „scheu“ sind und nur mittels schwacher Wechselwirkung ihre Anwesenheit anzeigen, sind die größten experimentellen Aufbauten unter den besten zu erreichenden Abschirmungen notwendig, um sie nachzuweisen.

Super-Kamiokande und SNO sind so genannte Cherenkov-Detektoren, die aus einer Vielzahl von Photomultipliern bestehen, die ein sehr großes Volumen von Detektormaterial genau im Auge behalten, um keine der überaus seltenen Wechselwirkungen eines Neutrinos zu übersehen. Um die empfindlichen Geräte mit möglichst wenig Untergrundstrahlung zu belasten, befinden sich die Detektoren in Minen tief unter der Erdoberfläche.

Takaaki Kajita (links, Super-Kamiokande Kollaboration) und Arthur B. McDonald...
Takaaki Kajita (links, Super-Kamiokande Kollaboration) und Arthur B. McDonald (rechts, SNO-Kollaboration) erhalten den Physik-Nobelpreis 2015.

Das solare Neutrinoproblem hatte Astrophysiker und Teilchenphysiker für Jahrzehnte in Atem gehalten, wiesen doch alle Experimente nur etwa ein Drittel der von der Sonne erwarteten Neutrinos tatsächlich auf der Erde nach. Die Idee, dass Neutrinos ihre Identität wechseln, also in der Erscheinung zwischen Elektron-Neutrino, Myon-Neutrino und Tau-Neutrino oszillieren können, stellte eine verlockende Lösung des Problems dar. Allerdings fehlte der experimentelle Beleg für diese Theorie.

Der Cherenkov-Detektor Super-Kamiokande in Japan verwendet Wasser (H2O) als Detektormaterial und kann sowohl die Richtung der nachgewiesenen Neutrinos bestimmen, als auch zwischen Elektron- und Myon-Neutrinos unterscheiden. Damit gelang es Takaaki Kajita und seinen Kollegen 1998 zu zeigen, dass sich Myon-Neutrinos, die in der Atmosphäre erzeugt werden, auf ihrem Weg durch die Erde in Tau-Neutrinos umwandeln.

Mit dem Sudbury Neutrino Observatory in Kanada hatten Arthur B. McDonald und sein Team einen Detektor zur Verfügung, der die Zahl der Neutrinos unabhängig ihrer Identität, aber auch die Zahl der Elektron-Neutrinos im Besonderen bestimmt. Dazu ist dieser Cherenkov-Detektor mit schwerem Wasser (D2O) gefüllt, da Deuterium im Gegensatz zum Proton mit allen Neutrino-Identitäten in Wechselwirkung tritt. Ein Vergleich der Zahlen bestätigte 2001/02, dass nicht etwa zwei Drittel der Elektron-Neutrinos auf ihrem Weg von Sonne zu Erde verloren gehen, sondern lediglich als Myon- oder Tau-Neutrinos ankommen.

Während die Astrophysiker aufatmeten, weil mit diesen Entdeckungen das Standardmodell der Sonne gefestigt war, erkannten Teilchenphysiker, dass ihr Standardmodell der Materie die fundamentalen Bestandteile des Universums nicht vollständig beschreibt. Neutrinos können nur dann oszillieren, wenn mindestens zwei ihrer drei Identitäten nicht masselos sind. Masselose Neutrinos sind aber eine der Grundvoraussetzungen, wenn das Standardmodell der Materie vollständig sein soll.

Die preisgekrönten Arbeiten machten klar, dass Physik jenseits des Standardmodells eine Notwendigkeit darstellt. Daraus resultieren große Herausforderungen für die theoretische Physik. Die zukünftigen Experimente müssen nun klären, wie groß die Massen der Neutrinos tatsächlich sind.

Kerstin Sonnabend

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