Pionierin der Quantenchemie ausgezeichnet
Erich-Hückel-Preis für Physikerin Sigrid Peyerimhoff.
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) zeichnet Sigrid Peyerimhoff mit dem Erich-Hückel-Preis aus. Die Wissenschaftlerin erhält die mit 7500 Euro dotierte Auszeichnung für die grundlegende Entwicklung quantenchemischer Verfahren zur Berechnung molekularer Eigenschaften, zur Aufklärung chemischer Reaktionen und zur Analyse von Molekülspektren. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen des 58. Symposium on Theoretical Chemistry, das vom 18. bis 22. September 2022 in Heidelberg stattfindet.
Sigrid Peyerimhoff zählt zu den wichtigsten und verdienstvollsten theoretischen Chemikerinnen und Chemikern und leistete quantenchemische Pionierarbeit, die nicht zuletzt zur weltweiten Spitzenpositionierung der deutschen theoretischen Chemie führte. Neben der grundlegenden Entwicklung quantenchemischer Verfahren würdigt die GDCh insbesondere ihre Entwicklung des Multi-Referenz-Ansatzes im Konfigurationswechselwirkungsverfahren (MRD-CI) mit Selektion und Energieextrapolation unter Einschluss der Spin-Bahn-Wechselwirkung. Dank dieses Verfahrens wurden wegweisende Untersuchungen von Molekülen und Ionen in der Atmosphärenchemie, im Bereich der Elektronen-Molekülstreuung und der Berechnung der Stabilität von atomaren und molekularen Clustern möglich. Das MRDI-CI-Verfahren wurde zunächst auf sehr kleine Modell-Systeme angewandt. Als „Theoretisches Spektrometer“ übertraf es die experimentellen Genauigkeiten und trug damit zur Anerkennung und Etablierung der theoretischen Chemie als unverzichtbares grundlegendes Fach der Chemie entscheidend bei.
Sigrid Peyerimhoff, geboren 1937 in Rottweil, studierte nach ihrem Abitur im Jahr 1956 Physik an der Justus-Liebig-Universität Gießen und schloss das Studium 1961 mit dem Diplom ab. Anschließend promovierte sie in Gießen in theoretischer Physik zu quantenchemischen Berechnungen des Fluorwasserstoff-Moleküls. Nach Forschungsaufenthalten in den USA, unter anderem an der University of Chicago, an der University of Washington und an der Princeton University, wurde sie 1967 an der Universität Gießen in theoretischer Physik habilitiert. Ab 1970 war sie Professorin für theoretische Chemie an der Universität Mainz und ab 1972 an der Universität Bonn, wo sie das Institut für Physikalische und Theoretische Chemie leitete. Im Jahr 2002 wurde sie emeritiert.
Sigrid Peyerimhoff veröffentlichte insgesamt etwa 500 Studien in wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelbänden. Sie erhielt zahlreiche renommierte Preise und Auszeichnungen, wie unter anderem den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1988), die Cothenius-Medaille der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (2007), das Große Bundesverdienstkreuz (2008) und die Alexander-von-Humboldt-Medaille der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (2018). Neben ihrer akademischen Tätigkeit übernahm Peyerimhoff wichtige Aufgaben und Funktionen in wissenschaftlichen Gesellschaften und Gremien. So war sie 1987 Gründungsmitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin und von 1990 bis 1996 Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 1999 wurde sie zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina ernannt.
Peyerimhoff ist außerdem Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, der Academia Europaea und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Von 2006 bis 2009 war sie Präsidentin der International Academy of Quantum Molecular Science. Seit 1973 ist Sigrid Peyerimhoff GDCh-Mitglied. Zu ihren Ehren zeichnet die Arbeitsgemeinschaft Theoretische Chemie seit 2021 herausragende Doktorarbeiten auf dem Gebiet der theoretischen Chemie mit dem Sigrid Peyerimhoff-Promotionspreis aus.
GdCh / JOL
Weitere Infos
Weitere Beiträge
- S. D. Peyerimhoff und J. Römelt, Schwerpunkt '84: Physikalische Forschung mit dem Computer: Computereinsatz in der Quantenchemie (Physikalische Blätter 40, 300, 1984) PDF
- E. Hückel, Erinnerungen an Peter Debye und an meine Lehrjahre (Physikalische Blätter 28, 53, 1972) PDF
- Rezension: A. Karachalios, Erich Hückel (1896 − 1980), Springer, Heidelberg 2010