16.06.2023 • Energie

Potenzial der Windenergie in Deutschland

Wie viel Windenergie lässt sich in Deutschland an Land im Prinzip gewinnen? Und welche Folgen für die Atmosphäre hätte ein maximaler Ausbau?

Bis 2050 will die deutsche Bundesregierung das Ziel eines klima­neutralen Energie­systems erreichen. Dieses Ziel sieht einen starken Ausbau der Wind­energie vor, dafür sollen 2 % der Fläche Deutschlands zur Verfügung stehen. Szenarien verschiedener Institutionen übersetzen dies in etwa 150-200 Gigawatt an installierter Leistung, die 330-770 Tera­watt­stunden pro Jahr zur Strom­erzeugung beitragen. Gegenwärtig sind lediglich 56 Gigawatt an Leistung installiert, verteilt auf 28.230 Windturbinen, die Ende 2021 in Deutschland standen. Diese Wind­turbinen erzeugten 90,3 Terawatt­stunden pro Jahr an Strom und trugen bislang knapp 16 % zur gegenwärtigen Strom­erzeugung von 570 Tera­watt­stunden pro Jahr bei (Stand: 2021).

Abb.: Kinetische Energie fließt aus der freien Atmosphäre zur Ober­fläche...
Abb.: Kinetische Energie fließt aus der freien Atmosphäre zur Ober­fläche und wird durch Reibung in Wärme oder durch Turbinen in elektrische Energie umgewandelt. Ein Teil der Energie geht durch Mischung im Wind­schatten der Turbinen verloren. (Foto: A. Kleidon)

Dies bedeutet, dass wir einen starken Zuwachs von Wind­energie­nutzung in den nächsten Jahrzehnten brauchen, um das Ziel der Klima­neutralität zu erreichen. Aber wieviel Windenergie gibt es in Deutschland, und wieviel davon kann genutzt werden? Welche Auswirkungen hat es für die Atmosphäre, wenn ihr durch die Windturbinen mehr und mehr Bewegungs­energie entzogen wird? Während bei solchen Energie­szenarien häufig das technisch Mögliche im Vordergrund steht, betrachten wir im Artikel in der neuen „Physik in unserer Zeit“ die Physik der Atmosphäre (siehe unten unter „Weitere Infos“ – zur Offshore-Windkraft gab es einen Artikel im Januar-Heft). Wir leiten daraus einfache Abschätzungen ab, die Antworten auf diese Fragen geben können.

Eine wesentliche Schluss­folgerung dieser Betrachtung ist, dass bei einem Ausbau der Wind­energie auf 200 Gigawatt an installierter Kapazität mit Ertragseinbußen von um die 10-15 Prozent zu rechnen wäre. Ursache sind die sinkenden Wind­geschwindigkeiten in Bodennähe in den betroffenen Regionen. Trotzdem würden die Wind­turbinen in diesem Szenario noch sehr viel Energie erzeugen – mehr als die Hälfte des gegen­wärtigen Strom­bedarfs in Deutschland. Passender­weise geschieht das überwiegend im Winter, zu einer Zeit in der die Photovoltaik nicht viel leisten kann.

Dabei wären die Verluste sogar deutlich geringer als diejenigen, die beim Ausbau der Offshore-Windenergie zu erwarten sind. Dies hat einfach damit zu tun, dass über Land wesentlich mehr Platz zur Verfügung steht und somit die Windturbinen effizienter Energie erzeugen können. Wenn sie gleichmäßig über Deutschland verteilt sind, dann sollte der reduzierende Effekt sogar geringer als hier abgeschätzt ausfallen. Sollten zukünftige Turbinen größer und leistungs­fähiger werden – eine häufige Annahme in Szenarien – dann entziehen diese Turbinen der Atmosphäre mehr Energie. Also sollte sich der Reduktionseffekt entsprechend verstärken. Insgesamt zeigt unsere Abschätzung, dass der Stromertrag geringer ausfallen wird als in den eingangs erwähnten Szenarien angenommen wird. Dieser Effekt ist also bedeutend, aber nicht gravierend.

Wir können aus diesen Berechnungen auch Rückschlüsse auf die Auswirkungen auf die Atmosphäre ziehen. Die Menge an Energie, die durch die Windturbinen entzogen wird, ist dabei für die Atmosphäre wirklich gering: Beim Ausbau auf 200 Gigawatt wären dies nur ein Anteil von etwa 300 Terawattstunden von den 12.500 Terawattstunden pro Jahr, welche die Atmosphäre durch die natürlichen Reibungsverluste am Boden verliert. Das entspricht lediglich 2,4 % dieser Verluste. Das großskalige Wetter­geschehen der Atmosphäre wird also die Windturbinen nicht spüren, insbesondere, weil die entzogene Bewegungs­energie ja sowieso sonst durch Reibung in der Grenzschicht verloren gegangen wäre.

Axel Kleidon

 

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