05.06.2020 • BiophysikMedizinphysik

Protein-Tröpfchen mit Röntgenlicht auf der Spur

Untersuchung der Proteindynamik in Zellen könnte zu neuen Therapien für Krankheiten führen.

Biologische Zellen sind dicht gefüllt mit Proteinen. Ab und zu bilden sich größere Ansamm­lungen von Proteinen, die Protein-Kondensate. Die Bildung und Eigen­schaften dieser Kondensate zu verstehen, ist Ziel eines deutsch-schwedischen Forschungs­projektes, das in diesem Monat startet. Wissen­schaftler der Uni Siegen arbeiten dabei mit Kollegen der Unis Tübingen, Lund und Stockholm zusammen. Das Bundes­ministerium für Bildung und Forschung und der schwedische Research Council fördern das Projekt mit insgesamt 1,7 Millionen Euro. Es läuft über vier Jahre und wird von der Uni Siegen koordiniert.

Abb.: Mit solchen Röntgenkameras filmen die Wissenschaftler die Moleküle...
Abb.: Mit solchen Röntgenkameras filmen die Wissenschaftler die Moleküle während der Bildung der Kondensate. (Bild: U. Siegen)

„Dass sich in Zellen Protein-Ansamm­lungen oder Kondensate bilden können, ist seit einigen Jahren bekannt. Die genaue biologische Funktion dieser Kondensate kennen wir jedoch nach wie vor nicht“, erläutert der Physiker Christian Gutt von der Uni Siegen, der das Projekt leitet. Proteine bewegen sich im dichten Zellplasma und erledigen dabei viele der biologisch wichtigen Aufgaben. In der Zelle können die fein verteilten Protein­moleküle auch zu winzigen Tröpfchen konden­sieren. Diese flüssigen Tröpfchen können sich von selbst wieder auflösen, manchmal nehmen sie aber auch einen gelartigen oder sogar festen Zustand an und stehen dann im Verdacht, Auslöser von Krank­heiten wie Alzheimer oder Parkinson sein.

„Wir möchten in dem Projekt die Frage beantworten, wie sich die Proteine in so einer dichten Umgebung innerhalb der Tröpfchen verhalten und wie die Dynamik von der Form der Proteine abhängt. Wir wollen messen, wie schnell die Proteine sind, wann sich die Kondensate formen, beziehungs­weise wieder auflösen und warum die Tröpfchen manchmal gelartig und letztlich fest werden“, sagt Gutt. Versteht man die Bildungs­mechanismen genau, könnte man später auch in der Lage sein, sie gezielt zu beein­flussen, so die Hoffnung der Wissen­schaftler. So könnten zum Beispiel neue Therapien für Krank­heiten wie Alzheimer entwickelt oder Krebs­therapien, die auf hoch­konzen­trierten Anti­körpern basieren, verbessert werden.

Eine besondere Heraus­forderung stelle dabei die Beobachtung der zugrunde­liegenden moleku­laren Prozesse dar, so Gutt. Denn in den Tropfen sind die Proteine hundert- bis tausend­fach stärker konzen­triert als außerhalb im Zell­plasma. In der Folge bewegen sie sich in diesen dichten Umgebungen viel langsamer. „Wir müssen bei unseren Unter­suchungen der Zell­vorgänge also sehr unter­schied­liche Längen- und Zeitskalen abdecken, je nachdem, ob wir es mit vielen, oder wenigen Molekülen zu tun haben und wie schnell sich diese in der jeweiligen Umgebung bewegen können“, sagt Gutt.

Durchgeführt werden die Untersuchungen an verschiedenen Groß­forschungs­anlagen in ganz Europa, darunter auch das European XFEL in Hamburg. Die Moleküle werden dort während der Bildung der Kondensate mit hoch­intensivem Röntgen­licht gefilmt, um dabei ihre Bewegungen zu analysieren. „Das Röntgen­licht würde die Proteine unter normalen Umständen zerstören, deshalb müssen wir eine Methode entwickeln, sie im Dunkeln zu filmen und aus diesen Rausch­filmen anschließend die relevanten Informa­tionen heraus­lesen“, so Gutt. Die einzelnen Filme von bis zu Hunderten von Terabyte an Daten auszu­werten, ist die zweite große Heraus­forderung des Projekts. Die Wissen­schaftler wenden dazu neue Methoden des maschinellen Lernens an. Dennoch geht Gutt davon aus, dass es etwa ein Jahr dauern wird, einen einzelnen Film auszu­werten.

„Mich fasziniert besonders die Verbindung zwischen grund­legender Physik, wenn wir uns die einzelnen Pixel der Dunkel­filme hoch­genau anschauen, und angewandter Forschung mit starker Verbindung zur physika­lischen Chemie und Biologie“, erklärt Gutt, dessen Forschungs­schwer­punkt im Bereich der Fest­körper­physik liegt. Er ist sich sicher: Wenn die Auswertung der Dunkel­filme als Analyse­methode funktioniert, wird das Forschungs­projekt auch in der Biologie und der Medizin auf großes Interesse stoßen.

U. Siegen / RK

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