13.11.2025 • Kondensierte Materie

Quanten-Frosch: ohne Türzustand kein Entkommen

Elektronen mit genügend Energie, die den Ausgang nicht finden – einfache Situation, verwirrende Ergebnisse.

Kann ein Frosch aus einem Pappkarton mit einer Öffnung in einer bestimmten Höhe entkommen? Das hängt davon ab, wie viel Energie er hat: Wenn er ausreichend viel Energie hat, um die nötige Höhe zu erreichen, dann kann er prinzipiell hinausspringen. Ob es ihm tatsächlich gelingt, ist aber eine andere Frage. Die Höhe des Sprungs alleine genügt noch nicht – der Sprung muss auch tatsächlich aus der Schachtel hinausführen. Ganz ähnlich verhält es sich mit Elektronen, die sich in einem Festkörper befinden. Wenn man ihnen ein bisschen Energie zuführt, etwa indem man das Material von außen mit zusätzlichen Elektronen beschießt, dann können sie es schaffen, das Material zu verlassen. Dieser Effekt ist seit vielen Jahren wohl bekannt und wird in vielen technischen Bereichen genutzt. Doch erstaunlicherweise war es bisher nicht möglich, das Verhalten der Elektronen genau zu berechnen. Eine Kollaboration mehrerer Forschungsgruppen der TU Wien konnte dieses Rätsel jetzt lösen: es kommt tatsächlich nicht nur auf die Energie an – das Elektron muss den richtigen Ausgang finden, einen „Türzustand“.

„Feste Materialien, aus denen relativ langsame Elektronen austreten, spielen in der Physik eine wichtige Rolle. Man kann aus der Energie dieser Elektronen wertvolle Information über das Material ableiten“, sagt Anna Niggas vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. Die Elektronen im Material können unterschiedlich viel Energie haben. Solange sie eine bestimmte Energieschwelle nicht überschreiten, müssen sie zwangsläufig im Material gefangen bleiben. Wenn man das Material mit zusätzlicher Energie versorgt, überschreiten manche Elektronen diese Energieschwelle.

Mehr zu niederenergetischen Elektronen

Photo
Photo
Photo
Photo

„Nun könnte man glauben, dass all diese Elektronen, sobald sie genug Energie haben, das Material verlas­sen“, sagt Richard Wilhelm, Leiter der For­schungs­gruppe für Atom- und Plasma­physik an der TU Wien. „Dann wäre die Sache einfach: Man müsste nur ansehen, welche Energie die Elek­tronen im Material haben – und daraus könnte man dann direkt ablesen, welche Elek­tronen man außer­halb des Mate­rials zu erwarten hat. Aber wie sich gezeigt hat, stimmt das nicht.“

Rechenergebnisse und Beobachtung schienen bei solchen Experi­menten nicht über­ein­zu­stimmen. Beson­ders ver­wir­rend: „Ver­schie­dene Materi­alien, etwa Graphen­struk­turen mit einer unter­schied­lichen Anzahl von Schich­ten, haben eigent­lich die­selben Elek­tronen-Energien, zeigen aber völlig unter­schiedliche Ergeb­nisse, wenn man die Elek­tronen untersucht, die aus den Materi­alien aus­tre­ten“, erklärt Niggas.

Die entscheidende Erkenntnis: Es kommt nicht nur auf die Energie an. Es gibt Quanten­zustände, die zwar über der nötigen Energie­schwelle liegen, aber trotzdem nicht aus dem Material heraus­führen – diese Zustände hatte man in bishe­rige Über­legungen nicht einbe­zogen. „Energe­tisch betrachtet ist das Elektron in diesem Fall gewisser­maßen nicht mehr Teil des Fest­körpers. Es hat eine Energie wie ein freies Elektron, aber es befindet sich räumlich immer noch dort, wo eben auch der Fest­körper ist“, sagt Wilhelm. Das Elektron benimmt sich gewisser­maßen wie der Frosch, der zwar aus­reichend hoch hüpft, aber den Ausgang nicht findet.

„Die Elektronen müssen ganz bestimmte Zustände anneh­men, sogenannte doorway states“, erklärt Florian Libisch vom Institut für Theore­tische Physik. „Sie koppeln stark an Zustände, die tatsäch­lich aus dem Fest­körper hinaus­führen. Nicht jeder Zustand mit prinzi­piell ausrei­chender Energie ist ein solcher doorway-state.“

„Wir konnten erstmals zeigen, dass die Form des Elektronen­spektrums nicht nur vom Material selbst abhängt, sondern vor allem davon, ob und wo solche resonanten Tür­zustände existieren.“, sagt Niggas. Manche dieser Tür­zustände öffnen sich erst, wenn man mehr als fünf Schichten eines Mate­rials kombiniert. Das eröffnet ganz neue Perspek­tiven für den gezielten Einsatz von Schicht­materi­alien in Techno­logie und For­schung. [TU Wien / dre]

Anbieter

Technische Universität Wien

Karlsplatz 13
1040 Wien
Österreich

Kontakt zum Anbieter







Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Content Ad

Auf der Suche nach dem besten Signal-Rausch-Verhältnis?

Auf der Suche nach dem besten Signal-Rausch-Verhältnis?

Bringen Sie Ihre Messungen auf ein neues Level - wie weltweit bereits mehr als 1000 Labore vor Ihnen. Der MFLI Lock-In Verstärker setzt Maßstäbe in der Signalanalyse und in einem herausragenden Signal-Rausch-Verhältnis.

Meist gelesen

Themen